In einer schönen alten englischen Fernsehserie namens “Minder” wurden die etwas robusten Cockney-Sitten der sechziger und siebziger Jahre auch sprachlich gepflegt. So nannte Arthur, eine der zwielichtigen Hauptfiguren der Serie, seine Ehefrau, wenn er sie überhaupt erwähnte, nur “her indoors”. Etwas frei übersetzt: die Alte daheim. Das waren noch Zeiten.
Diese alte Sitte britischer Arbeiter- oder Halbweltkriese droht in moslemisch verschärfter Gestalt wieder aufzuleben, möglicherweise europaweit. Das hat damit zu tun, dass europäische Länder, Regionen und Gemeinden begonnen haben, den Ganzkörperschleier besonders streng gehaltener moslemischer Damen mehr oder weniger streng zu verbieten.
Ihr erste Blüte treibt diese neue Form von “her indoors” im Norden Italiens, wo die Lega Nord stark ist. Als dort eine Ganzkörper-verschleierte jetzt mit einer Geldstrafe von 500 Euro bedacht wurde, kam bei ihrem Mann nach Medienberichten sogleich der alte Arthur zu Tage. Seine spontane Lösung des Schleierproblems: Dann muss die Frau eben zu Hause bleiben. Es gehe auf keinen Fall, dass andere Männer sie sehen.
Diese Haltung und Problemlösung wirkt auf Unvorbereitete sicher etwas krass. Aber neu ist das nicht. Die Taliban am Hindukusch halten es mit ihren Frauen schon immer so: Entweder Totalschleier oder total zu Hause.
Aber Afghanistan ist Afghanistan und andere Schleierländer sind andere Schleierländer. In Europa gehört der Ganzkörperschleier eigentlich nicht zu den guten Sitten. Und die Alternative “ganz verschleiert oder ganz zu Hause” ist nur unter grotesken Toleranzverrenkungen mit unserer Rechts- und Sittentradition zu vereinbaren. Möglich ist es schon. Man muss nur ganz fest daran glauben, dass die Gute völlig freiwillig ihr Leben daheim verbringt, so wie sie ja auch völlig freiwillig ihr Textilgefängnis gewählt haben kann. Das erfordert allerdings eine enorme Glaubensstärke.
Immerhin bleibt reichlich Zeit, über die Sache nachzudenken. Denn der freiwillige Zwangsaufenthalt zu Hause kann sich hinziehen. Das junge Paar in Italien ist gerade erst in den Zwanzigern. Es besteht also die Aussicht auf viele Jahrzehnte freiwilligen Hausarrests.
Als ehemaliger Karl-May-Leser neige ich zu der Ansicht, dass es sich hier um einen Fall für Kara Ben Nemsi handelt. Der hat seinerzeit manche Damsell aus ihrem Serail-Gefängnis befreit. Das war zwar im Orient, nicht im Abendland. Aber ein Kara Ben Nemsi von heute müsste sich geografisch ohnehin neu orientieren.
Der Fairness halber sei zum Abschluss noch gesagt: “Her indoors” im guten alten England hätte keinen Kara Ben Nemsi gebraucht. Sie war nie eingesperrt. Sie war ein Heimchen am Herd mit Haustürschlüssel, den sie nur nicht so oft benutzte wie ihr herumstreunender Arthur.