Paul Nellen / 10.02.2018 / 10:32 / 23 / Seite ausdrucken

Deutschlandfunk: Einer kam durch

Alle Augen waren am gestrigen Freitag in den deutschen Medien auf Martin Schulz und auf den selbstverursachten Sturz des SPD-Himmelsstürmers gerichtet. Währenddessen nutzte ein weithin unbekannter Professor aus dem estnischen Tallinn die Gunst der Stunde, um, zusätzlich überlagert vom närrischen Treiben in weiten Teilen der Republik, in der freitäglichen Sendereihe „Koran erklärt" des Deutschlandfunks hemmungslose Islamophobie zu verbreiten. 

Wo sonst einfühlsame Koran-Auslegungen für religionsdialogisch gestimmte Hörer vorgestellt werden, übertrug das Kölner Funkhaus auf einmal Worte, die sonst nur aus dem neu zusammengesetzten Bundestag an die Öffentlichkeit dringen – oder von der politischen Peripherie, wo rechte Hetzer und deutsch-muslimische Verfassungsfundamentalisten sich „Guten Morgen" sagen:

„Die Diskriminierung anderer Religionen zieht sich wie ein roter Faden durch die islamische Geschichte"... „Der Islam kennt keine religiöse Toleranz, sie ist ein Wunschbild des Westens", verkündete Professor Jastrow aus dem fernen Tallinn über die Ätherwellen vom Rhein. Er meinte es tatsächlich ernst.

Schlimmer noch: Der Gelehrte zählte sogar Beispiele auf für ein seit Jahren umgehendes Gerücht, das mit „Is-" beginnt und mit „-lamisierung" endet, ohne freilich das Fakewort selbst zu nennen. Der Freitagsprediger geriet dabei selber zum Hassprediger, zum Ankläger gegen westlich-christliches Appeasement:

„Immer häufiger" zeige sich eine „vorauseilende Unterwürfigkeit, mit der in Europa christliche Positionen geräumt werden. Vielerorts werden in der Öffentlichkeit keine Christbäume mehr aufgestellt, in der Schule werden keine Weihnachtslieder mehr gesungen, und als bisheriger Höhepunkt legten zwei deutsche Bischöfe auf dem Jerusalemer Tempelberg ihre Kreuze ab, um den muslimischen Hausherren 'ihren Respekt' zu bezeugen."

Anklage, statt wie gewohnt Auslegung. Jecke Töne aus dem seriösesten Funkhaus Deutschlands? Hoffentlich nur eine einmalige geschmacklose Entgleisung. Es ist eben Karneval am Rhein. 

Und wie wir die Kölner kennen, so gilt ganz sicher auch in diesem Fall wieder spätestens ab nächste Woche die alte Regel: Am Aschermittwoch ist alles vorbei...

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Leserpost

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Gabriele Schulze / 10.02.2018

Das ist aber wirklich bemerkenswert, daß der DLF diesen Text durchgehen ließ! Was mag dahinterstecken? Einsicht womöglich, die Erkenntnis, daß die Hörer informiert und anspruchsvoll genug sind, um nicht länger an der kurzen Leine der Verblödung gehalten werden zu können?

Viola Heyer / 10.02.2018

“Appeasement heißt, das Krokodil füttern und hoffen, dass es einen zuletzt frisst.”

Ulrich Maschmann / 10.02.2018

Hallo Herr Nellen - leider wird nicht wirklich deutlich, inwieweit Sie Ihre kommentierenden Anmerkungen hoffentlich nur ironisch verstanden wissen wollen!

Andreas Rochow / 10.02.2018

Dieser medienpolitische Unfall in der Redaktion der DLF-Sendereihe “Koran erklärt” sollte tatsächlich gefeiert werden. Er steht auch für das Phänomen, dass Stimmen gegen den Mainstream oft von Persönlichkeiten stammen, die in D keinen akademischen Karriereknick zu befürchten haben. Professor Otto Jastrow ist 1942 in Saarlouis geboren und durch seine Forschungsaufenthalte im mittleren Osten, in der Türkei, im Libanon, in Syrien, in Syrien und durch seine Sprachkunde geradezu berufen, glaubhafte Beiträge zu leisten zu Themen wie “Der Völkermord an arabischen Christen der Osttürkei 1915-2015”. Nun eben von der Universität zu Tallinn aus. Manche seiner Kollegen sind für eine breite Öffentlichkeit erstmals vernehmbar nach ihrer Emeritierung.

Mike Loewe / 10.02.2018

Hassprediger? Hoffentlich nur eine einmalige geschmacklose Entgleisung? Was ist der Sinn dieses Beitrags? Ironie funktioniert nur dann, wenn noch eine gewisse Distanz zum kritisierten Objekt erkennbar bleibt, ansonsten liest es sich wie eine Zustimmung.

James Napier / 10.02.2018

Im Gegensatz zu sonstigen Beiträgen auf Achgut ist dieser schwer einzuordnen. Der Deutschlandfunk das “seriöseste Funkhaus des Landes”? Mag sein, aber das charakterisiert die anderen “Funkhäuser” mehr als den DLF, der lediglich ein weiterer Teil zwangsfinanzierter “öffentlich-rechtlicher” Propagandamaschine zugunsten jener ist, die sich das Land zur Beute gemacht haben. Insgesamt liest sich der Text wie schlechte Ironie, bei der man aufgrund Gesamtkomposition und Diktion ständig davon ausgeht, dass alles ernst gemeint ist, bis man durch die Lächerlichkeit des direkt Gesagten weiter oben wieder anfängt zu lesen, in der Hoffnung, dass sich doch irgendwelche Indikatoren subtiler Ironie finden mögen, die man irgendwie überlesen hat. Vielleicht war gerade das die Absicht des Autors. In diesem Fall hat er seine Sache gut gemacht. Über die anderen Fälle sollte man besser nicht nachdenken….

Eduard Grabherr / 10.02.2018

Sehr geehrter Herr Nellen,, Gehe ich richtig in der Annahme, dass Ihr Artikel ironisch zu verstehen ist. Nämlich so, dass in Deutschland die Wahrheit über den Islam nur noch an Fasching und dazu noch von einem ausländischen Professor gesagt werden darf?

Franz Leitner / 10.02.2018

Leider sind die Tatsachen so, dass der Professor aus Tallinn völlig Recht hat mit seinen Ausführungen. Er belegt dies auch mit fundiertem Hintergrundwissen und faktischen Beispielen. Dem Autor Nellen dagegen fallen nur verunglimpfende, herabwürdigende Schlagworte wie “hemmungslose Islamophobie”, “rechte Hetzer”, umgehendes Gerücht”, “geschmacklose Entgleisung” und “Hassprediger” ein. Ohne dies auch nur im Geringsten zu belegen. Der Hassprediger ist eher Herr Nellen. Bedauerlicherweise entfremdet sich ‘Achgut’ durch solche Artikel immer mehr von kritischen und vernünftigen Lesern.

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