Alexander Wendt / 28.02.2018 / 06:17 / Foto: Pixabay / 17 / Seite ausdrucken

Deutschland steigt aus (2): Bäume fällen – aber korrekt

In Potsdam plant das Hasso-Plattner-Institut einen Erweiterungsbau seiner Universität. Darüber könnten die Lokalpolitiker eigentlich glücklich sein. Bei Plattner handelt es sich um einen von vier Gründern des Softwareunternehmens SAP, des einzigen Unternehmens der so genannten Plattform-Ökonomie, das in seiner Größe – 3,6 Milliarden Euro Gewinn 2016, 84 000 Angestellte weltweit – auf dem Niveau von Apple und Alphabet in den USA und Alibaba in China spielt.

Plattners Stiftung gehört zu den wichtigsten deutschen Risikokapitalgebern für junge Gründer der IT-Branche. Außerdem betreibt sie in Potsdam eine private Universität; durch die Erweiterung würde sich die Zahl der Studienplätze dort von 750 auf 1.500 verdoppeln, es kämen auch Labore dazu. In der brandenburgischen Stadt schwebt dem Unternehmer ein „deutsches Stanford“ vor.

Es gibt nur, jedenfalls aus Sicht der grünen und Linkspartei-Stadträte, ein Problem: Für den Erweiterungsbau müssten einige Bäume gefällt werden. Nicht viele, denn Plattner wünscht sich einen Waldcampus mit Bauten, die sich gut in den kleinen städtischen Forst einfügen – ähnlich wie bei dem kalifornischen Vorbild. Zu Ausgleichspflanzungen wäre er ohnehin verpflichtet. Das hilft ihm bei den lokalen Politikern auf der Linken wenig. Sie verlangten in der vergangenen Woche erst einmal ein Verfahren, in dem geklärt werden soll, wie viele Bäume für die Investition fallen dürfen – und ob überhaupt. Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) lud Plattner deshalb schon ein, mit seinem Projekt in sein Bundesland zu wechseln.

Der Fall Stanford in Potsdam ist deshalb so exemplarisch, weil im benachbarten Berlin –  einer Stadt mit ebenfalls rot-rot-grüner Mehrheit – im vergangenen Jahr ebenfalls ein Bauprojekt angeschoben wurde, dem Bäume im Weg standen. Anders als die Digital-Akademie von Plattner ist es auch schon verwirklicht, die Bäume gefällt, und zwar ohne größere Diskussion und mediale Begleitung. Es handelte sich allerdings nicht um eine private Bildungsinvestition – sondern die Errichtung eines Asylbewerberheims in Berlin-Lankwitz. Dort wurden im Februar 2017 im Leonorenpark 200 Bäume beseitigt, teils 100 Jahre alte Exemplare, um Platz für eine vom Land finanzierte Unterkunft für 21,3 Millionen Euro zu machen.

Das Flugfeld Tempelhof – absolut baumfrei – ist tabu

Zwar protestierte eine kleine Bürgerinitiative. Aber deren Mitglieder konnten nur zusehen, wie die Sägetrupps und Bagger anrückten. Die öffentliche Hand hätte nicht zwingend mitten in einem Park bauen müssen; in der Stadt existieren genügend Brachflächen. Beispielsweise das stillgelegte Flugfeld Tempelhof. Allerdings setze hier eine überwiegend linke Initiative durch, dass das Areal nicht bebaut werden darf. Nicht wegen eines Baumbestandes. Den gibt es dort nämlich nicht. Sondern vielmehr, um die Schreckensgestalten fernzuhalten, die der wohlmeinende Berliner als Feinde der Stadt fürchtet, nämlich Investoren.

Die Berliner Grünen äußerten sich damals nicht weiter zur Abholzung von 200 Bäumen in Lankwitz (zur Erinnerung: Bei dem erbitterten und mit medialer Unterstützung ausgefochtenen Kampf gegen Stuttgart 21 ging es seinerzeit um etwa 30 Bäume), was möglicherweise auch damit zu tun hat, dass die parteinahe Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin Mitte selbst, nun ja, etwas Grünfläche beansprucht.

Gleich neben dem jetzigen Stiftungsgebäude in der Albrechtstraße soll nämlich demnächst ein Erweiterungsbau entstehen. Die Planung sieht vor, die Immobilie auf dem Areal einer kleinen, etwas räudigen Grünanlage zu errichten, die bis zur Reinhardtstraße reicht und aus einigen Bäumen und Büschen, etwas Rasen und einem noch aus DDR-Zeiten stammenden Platz mit Betonplatten besteht, zwischen denen kleine wilde Stadtvegetation wuchert.

Es gibt mittlerweile eine Bürgerinitiative „Rettet den Reinhardtpark“. Der Sprecher der Böll-Stiftung weist darauf hin, so etwas wie den Reinhardt-Park gebe es gar nicht (womit er recht hat), es handle sich nur um eine Grünanlage, außerdem sei die Zahl der zu fällenden Bäume von der Bürgerinitiative „aus der Luft gegriffen“. Wer sich die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs für das Erweiterungsprojekt anschaut, der sieht allerdings schnell: ein bisschen städtische Natur wird wohl dran glauben müssen. Es kommt also sehr darauf an, wer welche Bäume zu welchem Zweck umlegen lassen will.

Steckt kein staatlicher oder von einer Partei verfügter Bau dahinter, sondern ein gewinnorientiertes Unternehmen oder auch nur ein mäzenatischer Unternehmer, dann ist Widerstand jedenfalls erste Pflicht aller guten Kräfte.

Lesen Sie morgen: Weg mit der Kohle!

Dieser Beitrag erschien auch auf Alexander Wendts Publico

 

Deutschland steigt aus (1): Der Diesel-Gedächtnistag

Deutschland steigt aus (3): Weg mit der Kohle!

Deutschland steigt aus (4): Sag zum Abschied leise Waldorf

Deutschland steigt aus (5): Gefühlte Wissenschaft

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Leserpost

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Werner Arning / 28.02.2018

Es gibt gute und es gibt böse Bäume. Gute Bäume müssen vor der Kettensäge der Kapitalisten geschützt werden, böse Bäume stehen dem guten Zweck entgegen und deren Opferung ist immer die Sache wert. Ist es das romantische deutsche Herz, das in Grünenbrust noch immer schlägt, welches sie die Welt durch eine Brille betrachten lässt, die den anderen Nationen so fremd ist, wie Socken in Sandalen? Was sind das für urige Menschen? Sie wirken in ihrer verbissenen Art schon wieder komisch, so durch und durch bieder. So berechenbar. Und doch liegt ihnen Deutschland an den Lippen, wird jedes Wort von ihnen für bare Münze. genommen. Schafft sich ihretwegen eine ganze Industrie ab, lässt sich ein industriell fortschrittliches Land zurückverwandeln in ein Agrarland? Protestiert da niemand? Findet das niemand eigenartig? Nein, so etwas geht in Deutschland und nur in Deutschland. Die Franzosen etwa, die immer neidisch auf deutsche Technik und Know-how geschielt haben, und die heute ihre Autos nur noch schlecht verkaufen können, können ihr Glück nicht fassen. Da schafft sich ein übermächtiger Konkurrent selber ab. Atomkraft, Autoindustrie, was kommt als nächstes?

Bernhard Maxara / 28.02.2018

“Völker der Welt, schaut auf diese Stadt!” Dieser Satz des seinerzeitigen Bürgermeisters Ernst Reuter, gerufen im Jahre meiner Geburt, wäre heute in einem ganz anderen Sinne wieder aktuell. Wie danke ich den Göttern, daß sie mich mit der Begabung gesegnet haben, Dialekte täuschend ähnlich nachzuahmen. So fällt es mir leicht, meine Berliner Herkunft im öffentlichen Raum sprachlich zu verhehlen…

Robert bauer / 28.02.2018

Grüne Politik: Debilität von ihrer schönsten Seite.

Andreas Rochow / 28.02.2018

Wenn grüne Prioritäten gesetzt werden,  um Projekte auszubremsen, sollen oft die dahinter stehenden wahren Interessen nicht zur Sprache kommen. Warum dem Milliardär, Stiftungsgründer, Wirtschaftsförderer, Ehrenbürger von Potsdam, Mäzen und mit Preisen überhäuften “Philanthropen” Hasso Plattner aber alle sonst hochgeschätzten grünen Hindernisse aus dem Weg geräumt werden sollen, erschließt sich mir nicht. Die Annahme ist nämlich nicht abwegig, dass es sich in Potsdam um den verdeckten Widerstand gegen die Bemühungen eines international aktiven Superreichen handelt, über seine Privatuniversität politischen Einfluss auszuüben. Ein Anlass mehr, über den unermesslichen Reichtum weniger Menschen nachzudenken und die Möglichkeit, dass Stiftungen in dieser Größenordnung durchsus auch imperiale Ziele verfolgen. Der engagierte kleine Mann reagiert da schon mal ängstlich und sorgt für Sand im Getriebe. Dass er dazu den Schutz der Umwelt instrumentalisieren kann, macht den Austausch von Sachargumenten entbehrlich.

Bernd Ackermann / 28.02.2018

Einfach einen Lehrstuhl für Genderforschung an der Uni in Potsdam einrichten, schon kann man sich der Zustimmung der grünen und linken Stadträte sicher sein. IT braucht kein Mensch,

Gabi von Bose / 28.02.2018

Danke, Herr Wendt. Dafür lese und unterstütze ich die Achse. Hier erfährt man Hintergründe, erhält Einblicke. Hier wird aufgedeckt und es zählen Fakten. Hier liest man unser Gehirn vernebelndes Politiker-Geblubber nur als Zitate und erlebt, wie schon ein kleiner Nadelpieks mittels gründlicher Journalistenrecherche Ihrerseits die Blubberblasen platzen lässt. Und das Bemühen der sogenannten Leitmedien, unser Denken zu verschieben, wird wohltuend zunichte gemacht.

Dr. Joachim Lucas / 28.02.2018

Warum Herr Plattner überhaupt im links-grünen Umfeld sein Projekt umsetzen will, wo doch bekannt ist, dass Unternehmer in deren Augen böse Menschen sind (“nur Profitgier”), bleibt mit schleierhaft. Auf einen Umdenkungsprozess bei solchen Leuten kann man eh nicht hoffen. Lieber holt man sich die “Kohle” über Subventionen und den Länderfinanzausgleich und bleibt moralisch sauber und seinem Weltbild treu Es gibt sicherlich (noch) Gegenden in Deutschland, wo Herr Plattner mit Kusshand seine Investition tätigen kann. Das Beispiel Dietmar Hopps (ebenfalls Gründungsmitglied von SAP) zeigt, dass man sein Geld sehr gut auch woanders investieren kann. Herr Plattner könnte sich dadurch eine Menge Frust ersparen.

Sabine Schubert / 28.02.2018

Echten Umweltschutz kann man nur noch bei älteren Grünen erleben, die schon 1980 für Frieden, gegen Atomkraft und Baumsterben demonstriert haben. Die jungen Grünen sind fast ausschließlich Ideologen, die für Feminismus und Mutikulti agitieren, während sie ohne Hemmung oft fliegen, Auto fahren, ständig neue Smartphones, Laptops und Plasma-Fernseher kaufen, synthetische Drogen konsumieren, keinen Müll trennen und ihre glühende Kippen achtlos auf den Boden werfen. Wenn ein Umwelt-Aktivist eine neue Partei gründen würde, die sich auf die grünen Kernthemen konzentrieren würde, wären die Grünen gespalten und erledigt. Das würde mich glücklich machen!

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