Matthias Heitmann, Gastautor / 10.03.2017 / 20:00 / 3 / Seite ausdrucken

Der WochenWahnsinn: Wenn sich Angst als Stärke tarnt

In ihrer Radio-Kolumne „Der WochenWahnsinn“ gehen Achse-Autor Matthias Heitmann und Antenne Frankfurt-Moderator Tim Lauth jede Woche auf Zeitgeisterjagd. Seit Kurzem ist der WochenWahnsinn nun auch auf der Achse zu hören und zu lesen.

Diese Woche widmen sich die beiden der erregten Diskussion über die Auftritte türkischer Politiker vor türkischen Wahlberechtigten in Deutschland. Zum Anhören geht es hier entlang.

Tim Lauth: Matthias, Thema Nummer eins sind ja wohl die Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland. Was hältst Du von der ganzen Diskussion?

Matthias Heitmann: Zunächst einmal hat Deutschland als souveräner Staat das Recht zu entscheiden, ob ausländische Politiker hier Reden halten dürfen oder nicht. Es geht hier nicht einfach nur um das Recht auf freie Meinungsäußerung, sondern um das Verhältnis zwischen souveränen Staaten. Wenn also Herr Erdogan behauptet, er könne nach Deutschland kommen, wann er will und ob es den Deutschen gefällt oder nicht, dann liegt er da falsch. Dass Erdogan so redet, zeigt aber, wie wenig Souveränität die deutsche Politik ausstrahlt.

Lauth: Wie sollten die Deutschen denn Deiner Meinung nach auftreten

Heitmann: Ich finde, die Deutschen sollten ganz klar machen, dass sie alleine entscheiden, ob und welche ausländischen Politiker hier reden dürfen. Und auf Basis dieser Souveränität sollte man dann den türkischen Politikern gestatten, hier zu reden. Wichtig ist nur, dass man diese Entscheidung aus einer Position der Stärke heraus trifft und sie auch so begründet.

Wenn man stattdessen solche Wahlkampfauftritte aus fadenscheinigen oder rein technischen Gründen verbietet, dann ist das kein Zeichen der Stärke, sondern eine Entscheidung aus Angst und Schwäche.

Lauth: Aber Moment mal: Du sagst zwar, dass Deutschland das Recht hat, Politiker auszuladen, es soll sie aber dennoch reden lassen?

Heitmann: Ich bin ein glühender Anhänger der Redefreiheit. Redefreiheit bedeutet aber nicht, dass man einen Anspruch darauf hat, überall gehört zu werden. Wenn ich mich dazu entscheide, jemandem eine Plattform zu bieten, obwohl ich mit ihm nicht übereinstimme, dann ist das ein Ausdruck meiner Stärke und meiner Souveränität.

In der deutschen Diskussion über Redefreiheit wird leider immer betont, dass es eine Schwäche und eine zu große Gefahr ist, missliebige Politiker öffentlich reden zu lassen. Dabei ist es die beste Werbung für die Demokratie, wenn man seinen Gegnern gar nicht erst die Möglichkeit bietet, sich in die Schmollecke zurückzuziehen und den Märtyrer zu spielen. Lasst sie reden, und dann entlarvt sie – in der Regel tun sie dies ja sogar selbst. So funktioniert Demokratie! Warum wir gerade im Umgang mit Demokratiefeinden diese demokratischen Werte selbst verraten sollen, leuchtet mir nicht ein. So schützen wir die Demokratie nicht, so schwächen wir sie.

Lauth: Ok, Matthias, das ist ein klares Statement für das Rederecht, und zwar nicht aus Angst, sondern aus Überzeugung und aus dem Vertrauen in die eigene Stärke. Das kann ich nachvollziehen. Wie sieht es mit Deinem Vertrauen in die Stärke unserer Eintracht aus, gerade jetzt vor dem Spiel bei den Bayern?

Heitmann: Für mein Vertrauen in die Stärke der Eintracht ist ein Auswärtsspiel bei den Bayern nicht ausschlaggebend. Wichtiger sind da die nächsten Heimspiele gegen den HSV und gegen Augsburg.

In der kommenden Woche ist Matthias Heitmann mit seiner „Zeitgeisterjagd“ auf Lese- und Debatten-Tour durch Nord- und Mittelhessen. Am 14. März liest er um 19.30 im „Loft“ in Kassel und am 15. März zur gleichen Uhrzeit in der „KulturStation in Wetzlar“. Veranstalter sind die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und die Karl-Hermann-Flach-Stiftung. Der Eintritt ist frei. Anmeldung unter https://shop.freiheit.org/#Veranstaltungen/.

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Lara Engelhardt / 11.03.2017

Sehr geehrter Herr Heitmann, Versammlungs- und Redefreiheit sind in Deutschland BÜRGERRECHTE, d.h. sie stehen nur denjenigen zu, die Bürger dieses Staates sind! Wer nicht deutscher Staatsbürger ist, kann sich auf diese Rechte NICHT BERUFEN! Außerdem verbietet §47 AufenthG die politische Betätigung von Ausländern auf deutschem Boden. Rein juristisch ist also alles klar, politisch aber nicht. Die Angst, die Sie beschreiben, treibt nämlich UNSERE REGIERUNG dazu, diese Auftritte zwar eigentlich abzulehnen und den kleinen Dorfbürgermeistern die das mit Hinblick auf Brandsicherheit u.ä. verhindern, dankbar zu sein, aber sie haben nicht das Rückgrat zu sagen: Dieses Recht steht dir, Erdogan, nach Gesetz nicht zu und wir wollen dies auf unserem Territorium auch nicht! Aber dann müsste Merkel ja Farbe bekennen, und das wird sie ums Verrecken nicht tun! Komisch, dass die kleinen Niederlande da deutlich mehr eier in der Hose haben!

Michael Fasse / 11.03.2017

“Warum wir gerade im Umgang mit Demokratiefeinden diese demokratischen Werte selbst verraten sollen, leuchtet mir nicht ein. So schützen wir die Demokratie nicht, so schwächen wir sie.” Sie verwechseln demokratische Werte mit Bürgerrechten, Herr Heitmann! Unsere demokratischen Werte werden absolut nicht verraten, wenn wir diesen Möchtegern-Sultan seine Reden da schwingen lassen, wo er das gerne tun darf: bei sich zuhause! Aber vielleicht hat der Mann ja klammheimlich von unserer Rautenkanzlerin beim letzten ihrer Unterwerfungsbesuche die deutsche Staatsbürgerschaft zugesteckt bekommen. Dann wird es natürlich eng mit der Weigerung, ihn reden zu lassen? Im Ernst: es ist ein völliges Unding, türkische Regierungsmitglieder hier auftreten zu lassen! Das darf sich eine Demokratie verbitten! Und sie nimmt dadurch keinerlei Schaden! Im Gegenteil. Sie zeigt gegenüber rotzfrechen Anmaßungen, Bürgerechte in Anspruch nehmen zu wollen, ohne Bürger zu sein, Stärke!

Andreas Rochow / 11.03.2017

Man darf sich Sorgen machen: Deuschland verliert einen “Freund” nach dem anderen. Die Genzen stehen sperrangelweit offen und dank immer komplizierterer Staatsangehörigkeitsverhältnisse importieren wir Wahlkämpfe aus Nicht-EU-Land und mischen uns in die Wahlkämpfe der EU-Partner ein. Das Maß an Rechtsunsicherheit, das uns durch “entschlossenes” Regierungshandeln eigebrockt wird, ist mehr als tragikomisch!

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