Amerika in Schockstarre, die Verbündeten ratlos. Wie konnte das passieren? Donald Trump („the Donald“) Präsidentschaftskandidat der Republikaner? Unglaublich: Ein neureicher, polternder Aufschneider mit gelbblond gefärbter Elvis-Tolle, dessen weibliche Begleitung die starre Anmutung umfassender chirurgischer Skulptur-Arbeit hat - so einer schwafelt und droht sich an die Spitze dieser altehrwürdigen Partei.
In Deutschland schüttelt man, wie so oft beim Blick über den großen Teich, völlig verständnislos den Kopf. So sind sie halt, die Amerikaner. Ihnen ist eben alles zuzutrauen. So einfach kann man es sich machen.
In Amerika werden, etwas konkreter, erste Nachrufe für ein bevorstehendes Ableben der Republikanische Partei gesprochen und geschrieben. Die Parteiführung und das seriöse Zentrum der Republikaner stehen wie gelähmt vor dem panzergleichen Phänomen Trump. Die abgeschlagenen Konkurrenten weigern sich, entgegen traditioneller Sitte, dem Sieger ihre Unterstützung zuzusagen. Der Partei, die während der Obama-Jahre mit ihrem Verweigerungskurs das Land mehr als üblich gespalten hat, droht nun selber eine Spaltung, deren Form und Folgen noch nicht abzusehen sind. Die letzte Formel der Hoffnung lautet, wie einst Kohls Formel in Richtung Strauß: Lass den Donald im November erst mal verlieren. Dann können wir einen vernünftigen Neubeginn wagen.
Trumps niederlage gilt als ausgemacht - aber weiß er das?
Bei den Demokraten wächst die Gewissheit, dass Hillary Clinton, so wenig beliebt sie auch im eigenen Lager ist, im neuen Jahr ins Weiße Haus einziehen wird. Dass Donald Trump die Wahl verlieren wird, gilt hier wie dort als ausgemachte Sache.
Allerdings war es auch ausgemachte Sache, dass Trump niemals der siegreiche Kandidat der Republikaner werden würde. Auch in den eigenen Reihen sah man ihn eher im Clown-Fach und nicht unter den ersthaften Anwärtern. Und nun steht er da, und die Republikaner müssen erst einmal mit ihm leben. Eine Alternative noch schnell aus dem Hut zu zaubern, erscheint hoffnungslos.
Aber was ist denn nun passiert? Es ist gar nicht so kompliziert. Es ist das Phänomen, das zur Zeit fast alle westlichen Demokratien beschäftigt: ohnmächtige Wut auf Regierungseliten, die als volksfern, überheblich und lernunwillig empfunden werden, ohne Sinn für die Sorgen der Wähler. Donald Trump ist – auf europäische Verhältnisse übertragen – die AfD, der Front National, die UKIP und all die anderen Protestparteien in einer Person vereint. Er ist der personifizierte Protest gegen das Establishment. In Europa bündelt sich der Ärger über die Regierenden, ob national, ob Brüssel, in Anti-Parteien. In Amerika formiert sich der gleiche Ärger in einer Person.
Bernie Sanders entsprang dem gleichen Phänomen wie Trump - nur von links
Oder besser in zwei Personen. Es gibt da ja auch noch Bernie Sanders, den linken Demokraten, der sich selber einen Sozialdemokraten nennt. Der wird es zwar nicht schaffen, aber auch er hat von links Millionen mobilisiert, die das Establishment auf andere Weise verachten als die Donaldisten, aber nicht weniger intensiv.
Hätten die Republikaner einen satisfaktionsfähigen Anti-Establishment-Kandidaten im Stile von Bernie Sanders hervorgebracht, es stünde schlecht um Hillary Clinton. Sie verkörpert ja ebenso komplett das etablierte Washington wie Trump und Sanders den Protest verkörpern. Deren Stärke ist ihre Schwäche. Sanders hat mehr junge Frauen hinter sich versammelt als Frau Clinton. Die werden, wenn es ernst wird, zu Hillary wechseln, aber als das kleinere Übel und nicht als das Fanal des Feminismus, das sie ja sein könnte und sein möchte: die erste Frau im Weißen Haus!
Wenn es denn so kommt. Man fragt und bangt nun, ob Donald Trump, der Überraschungskandidat, im November zu einer zweiten Überraschung fähig ist. Nichts ist unmöglich, sagt ein fröhlicher Werbespruch. Aber die Hoffnung der Maßvollen ist, dass Trump auch mangels Unterstützung aus der eigenen Partei scheitern wird. Und da er Amerikas Frauen und Migranten monatelang gnadenlos beleidigt hat, setzt man auf nachhaltigen Liebesentzug durch diese wichtigen Gruppen. Und wenn auch das nicht reicht, gibt es eine letzte Hoffnung:
Trump wurde von seinem Erfolg offenbar selbst überrascht
Der Überraschungskandidat ist von seinem Sieg offenbar selber überrascht worden. Aber er hat ja nur die erste Etappe geschafft. Jetzt kommt erst der eigentliche, noch teurere, noch mehr Millionen verschlingende Wahlkampf ums Weiße Haus. Ist er darauf überhaupt vorbereitet? Kann er den zweiten Akt seines Theaterdonners wirklich selber finanzieren? Und wenn nicht: Wer soll das bezahlen? Wer will das bezahlen?
Und wenn das alles „den Donald“ nicht stoppen kann, bleibt eine allerletzte Hoffnung. Nämlich die, dass der Business-Mann, der von Politik fast gänzlich unbeleckt ist, im Weißen Haus so weit zu Vernunft und Mäßigung findet, dass er sich mit Profis umgibt, die wissen, was sie tun. Aber was werden sie dann tun? Un wer möchte sich auf dieses Risiko schon einlassen?