Vera Lengsfeld / 03.03.2016 / 17:00 / 10 / Seite ausdrucken

Der tiefe Fall des Moralapostels Beck

Plötzlich und unerwartet wurde die Öffentlichkeit gestern vom politischen Tod eines scheinbar unerschütterlichen Politprofis überrascht. Der innen- und religionspolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, wurde laut Medienberichten am Dienstag Abend gegen 23 Uhr beim Verlassen einer polizeibekannten Dealerwohnung mit 0,6 Gramm Chrystal Meth erwischt.  Beck legte daraufhin sofort alle seine Ämter nieder, will aber Bundestagsabgeordneter bleiben. Eine Erklärung will Beck nicht abgeben, das soll sein Anwalt irgendwann tun.

Diese Eile ist verdächtig. Schließlich ist Christal Meth , wie Grünen-Fraktionschef Hofreiter stammelte, „keine ganz einfache Droge“. Es sei „immer bedauerlich, wenn jemand solche Drogen nimmt“. Es gibt keine klare Distanzierung der Fraktionsführung von Beck, nur „Unterstützung“, „Gespräche“ und „Kümmern“. Die Grünen, die sonst mit Verurteilungen und der Forderung nach Konsequenzen schnell bei der Hand sind, versuchen das Problem zu umgehen, indem sie Beck als bedauernswertes Opfer seiner Drogensucht hinstellen. Heute morgen habe ich im Deutschlandfunk gehört, wie anstrengend und stressig so ein Bundestagsjob wäre, so dass die Einnahme eines Aufputschmittels nicht verwunderlich sei. Nun: Ich persönlich habe 16 Jahre Bundestag auch ohne Drogen gut überstanden.

Zu befürchten ist, dass die Affäre Beck von der politischen Klasse ganz schnell beerdigt wird. Hoffen kann man bestenfalls, dass die Polizei sich nicht unter Druck setzen lässt und in alle Richtungen ermittelt. Dazu gehört auch die Frage, für wen das Christal Meth bestimmt war. Diese Droge wirkt innerhalb kürzester Zeit so persönlichkeitsverändernd, dass es den Bundestagskollegen von Beck aufgefallen sein müsste, wenn er sie über einen längeren Zeitraum eingenommen haben sollte. „Ich glaube inzwischen nicht mehr, dass der kontrollierte Konsum von Crystal möglich ist“, sagt ein Suchtexperte. Von Paranoia, Depressionen, Angstzuständen, Verfolgungswahn und Psychosen, nicht selten Selbstmordfantasien, war bei Beck im Regierungsviertel nie die Rede. Becks politische Hyperaktivität, er soll der Abgeordnete sein, der die meisten Presseerklärungen und Statements absonderte, ein Zeichen von Drogensucht? Eher nicht, dafür handelte der Mann zu berechnend.

Seine letzte Twitter-Aktion vor dem Fall war eine Kampagne gegen die angebliche Forderung der CDU Schleswig-Holstein nach Einführung einer “Schweinefleischpflicht“ in öffentlichen Kantinen. Dass dies eine „platte Falschbehauptung“ ist, kann man in dem klugen Artikel von Sascha Lobo nachlesen. Beck heizte die Debatte kräftig an, mit mehreren Tweets: „Wer Schweinefleisch für einen Wert des christlich-jüdischen Abendlandes hält, ist eine arme Sau.“ Den Tweet gab es mit und ohne Bildchen von Beck. Beck hat sich in der Vergangenheit als Meister des Leugnens und der Irreführung der Öffentlichkeit erwiesen. Nun ist der schrille Moralapostel gestolpert und Gegenstand von zahllosen Tweets, die ihm gar nicht gefallen dürften.

Als im Jahr 2013, mitten im Bundestagswahlkampf, ein Text von Beck bekannt wurde, in dem er eine „Strafabsehklausel“ für pädophile Straftäter und eine „Evaluierung der Schutzaltersgrenze“ forderte, behauptete er, der Herausgeber des Sammelbandes „Der pädosexuelle Komplex“ hätte den Inhalt seines Beitrags „im Sinn durch freie Redigierung...gefälscht.“ Diesen Vorwurf hielt er in einem großen Interview aufrecht, das er am 30. August 2013 der taz gab. Er bezeichnete sich in diesem Interview als Bürgerrechtler und Kinderschützer.

Als aufflog, dass Beck gelogen hatte, weil die angebliche „Fälschung“ lediglich die Einfügung eines Zwischentitels und eine Veränderung der Überschrift war, der Text selbst aber unverändert blieb, war Beck keineswegs bereit, die Maßstäbe, die er an andere anlegte, für sich selbst gelten zu lassen. Auch die Grünen zogen lediglich die Konsequenz, ihr Zugpferd aus der ersten Reihe zurückzuziehen. Beck durfte nicht mehr Fraktionsgeschäftsführer sein, nur noch Sprecher. Beck beeilte sich, von seinen frühern Positionen als „unsäglich“ abzurücken und fuhr fort, munter weiter das hohe moralische Roß zu reiten.

Darin gleicht er Sebastian Edathy, der sich ähnlich wie Beck als das moralische Gewissen der Nation aufspielte, am Fließband Andersdenkende als „Nazis“ denunzierte und heimlich auf seinen Bundestagscomputer Bilder von minderjährigen Jungen herunter lud, aus seiner Sicht ganz legal. Wer ihn im Bundestag vor den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gewarnt hat, konnte auch ein Untersuchungsausschuss nicht klären.

Im Falle des SPD-Bundestagsabgeordneten Hartmann, der auch innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion war und den Kauf von 0,1 Gramm Chrystal Meth eingestehen musste, wurde die Erklärung akzeptiert, dass er aus Arbeitsüberlastung die Droge genommen hätte. Er wurde von der damaligen Generalsekretärin der SPD Fahimi zum Betreuungsfall erklärt. Damit war die Sache für die Politik abgeschlossen.  Wir dürfen gespannt sein, ob der Fall Beck auch so gehandhabt wird.

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Axel Kilian / 04.03.2016

Es wird den Grünen nicht schaden. Ihre Wählerschaft wird weiterhin mit political correctness, veganer Ernährung und alternativer Energie die Welt retten. Logische Widersprüche festigen nur den Glauben.

Karsten Rinas / 04.03.2016

Besten Dank für diese treffende Beurteilung! Die politische Kultur in Deutschland ist zu einem Empörungswettbewerb verkommen. Das Spektrum der zulässigen Meinungen wird im Zuge der grassierenden politischen Korrektheit immer weiter eingeengt; “Abweichler” werden ausgegrenzt und skandalisiert. An dieser unseligen Entwicklung hatte Volker Beck maßgeblichen Anteil. Er ist - neben Claudia Roth - der Prototyp eines Politikers, dem die Schnappatmung stets näher lag als die sachliche Auseinandersetzung. Dass nun einmal er selbst der Gegenstand eines “shitstorms” ist, kann man als ausgleichende Gerechtigkeit ansehen. Bemerkenswert finde ich im Übrigen, wie sich nun viele Politiker und Journalisten beeilen, sorgfältig zwischen dem Straftäter Beck und dem Menschen Beck zu differenzieren. Es wäre freilich schön, wenn diese Leute ihre Ausgewogenheit auch an anderer Stelle unter Beweis stellen würden, indem sie etwa die in den letzten Tagen viel zitierte Aussage von Stanislaw Tillich kritisch hinterfragen: “Das sind keine Menschen, die sowas tun. Das sind Verbrecher.”

Marion Köhler / 03.03.2016

Liebe Frau Lengsfeld, Ich hoffe natürlich, dass der Fall Beck nicht im Sande der Politik versickert. Dafür saß Herr Beck auf einem zu hohen moralischen Roß. Ihn zu kritisieren war sehr riskant, da er gleich in den Klagemodus gesprungen ist. Aber in unseren ÖR werden zahlreiche Psychologen aufgefahren, die uns unbedarften Bürgern erklären, dass gerade Politiker in sehr großem Stress stehen und sich ihre Leistungsstärke mit Hilfsmitteln erhalten wollen. Wenn wieder mit ungleichem Maß gemessen wird, würde es mich nicht wundern. Dennoch frage ich mich, wieso die vielen normalen stark belastenden Beschäftigten ohne Drogen auszukommen scheinen. Obwohl ich persönlich nicht aufgebe für eine Veränderung in meiner Partei( CDU) und für mehr Demokratie in unserem Land zu kämpfen, bin ich schon ziemlich frustriert. Und es ist eine Schande, dass es honoriert wird, wenn prominente Personen bei Vergehen, einige Ämter abgeben., doch nicht aus dem öffentlichen Leben verschwinden. Ein Beispiel dazu ist Frau Käßmann. Liebe Grüße Marion Köhler

Wolfgang Richter / 03.03.2016

Jetzt erklärt sich auch, warum der zu jedem vermeintlichen Skandal sich äußernde berufsempörte Herr Beck ständig so aufgeregt u. nahezu hysterisch auftrat. Seine quasi Entschuldigung, er sei schon immer für eine liberale Drogenpolitik eingetreten, könnte man vielleicht im Hinblick auf Cannabis - Produkte gelten lassen, führt bei Chrystal Meth aber ziemlich am Thema vorbei. Und es gibt einen erhellenden Einblick darauf frei, wie zumindest einige unserer Volksvertreter es mit der eigenen Rechtschaffenheit im Hinblick auf das Einhalten der von ihnen verabschiedeten Gesetze halten, die sie von jedem Otto-Normalo als selbstverständlich erwarten. Somit ist auch vorgeführt, daß Drogen Persönlichkeit u. Denkvermögen, wie immer behauptet, nicht negativ verändern, Der Konsum führt nur zu einem mehr oder weniger ausgeprägten Größenwahn.

Bernd Ufen / 03.03.2016

  Als ich diese Nachricht zuerst las, hielt ich es für eine Satire, aber dem war nicht so. Es ist auf jeden Fall ein Treppenwitz der Weltgeschichte, dass ein Hypermoralist wie Volker Beck, der jeden, der nicht so dachte wie er selbst, mit der Nazikeule bedrohte, jetzt mit dem “Nachfolgemodell” der Wehrmachtsdroge Pervitin erwischt wurde. Weiterhin stellt sich die Frage, war er wirklich so dämlich, in eine von der Polizei überwachte Dealerwohnung zu gehen und mit dem Beweismittel wieder herauszukommen oder war das schon ein Anflug von Größenwahn, veranlaßt durch seine soziale Umgebung? Wenn er glaubte, sich das leisten zu können, befindet er sich ja auch in guter Gesellschaft. Nach Käßmann und Edathy schon wieder einer , der Wasser predigt und Wein trinkt. Die Eliten verlieren rasend an Glaubwürdigkeit. Wer wird der Nächste?

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