Ohnehin führt das Wort “Antisemitismus” in die falsche Ecke, weil es weder einen Staat noch eine Religion bezeichnet. Es ist ein rassistischer Begriff aus einer Zeit, in der Juden in Zeitschriften noch mit Hakennasen dargestellt wurden. Der heutige sogenannte linke Antisemitismus richtet sich eher gegen einen vermeintlich imperialistischen Staat, weniger gegen den Einzelnen. Mag sein, dass wir deutschen Journalisten uns besonders gerne mit Israel beschäftigen. Ob wir wollen oder nicht, haben viele von uns durch die Verbrechen unserer Eltern und Großeltern nun einmal eine besonders enge Beziehung zu Israel. Gerade weil wir das Land schätzen, finden wir es schlimm, wie eine demokratische Regierung Menschenrechte missachtet. Falls Augstein deshalb grollt, ist daran nichts auszusetzen. Ähnlich ist es mit den USA: Wenn dort gefoltert wird, sorgt das auch hier für Empörung; wenn aber dasselbe in Nordkorea passiert, löst der Vorfall höchstens ein Schulterzucken aus - von einer Diktatur erwarten wir ja nichts anderes. Von den Freunden in Israel hingegen schon. http://www.fr-online.de/meinung/antisemitismus-vorwuerfe—darum-liegen-die-augstein-kritiker-falsch-,1472602,21421932.html
Polenz: Erneuter Rundumschlag von H. Broder, der wie gewohnt heftig austeilt. Seine Kritiker seien alle bekifft. Gleichzeitig mimt Broder die verfolgte Unschuld: “Niemand sprach Augstein das Recht ab, Israel zu kritisieren, mir wurde aber das Recht abgesprochen, Augstein für seine “Kritik” an Israel zu kritisieren.“ Das ist falsch. Niemand spricht Broder das Recht ab, zu kritisieren wen oder was immer er will. Niemand hätte Broder kritisiert, wenn er Augsteins Kritik an Israel überzogen, falsch, einseitig, böswillig oder sonstwas genannt hätte. Kritisiert wurde Broder, weil er Augstein einen Antisemiten genannt hat. Das ist angesichts der deutschen Geschichte so ziemlich der schlimmste politische Vorwurf, den man jemandem machen kann. Broder geht mit diesem Vorwurf außerordentlich freigiebig um.” https://www.facebook.com/ruprecht.polenz/posts/198580650266663
Die Logik lautet: Wenn man nicht auf jeden Einfall von Israels Regierung eingeht, wird das außer Gefecht setzende Wort »Antisemitismus« wieder in den Ring geworfen. Denn wer sich gegen illegale Siedlungen, die Unterdrückung von arabischen Landwirten oder die Drohung, einen Atomkrieg mit Iran auszulösen, ausspricht, muß ja auch wollen – wie es Netanjahu mit seiner demagogischen Rhetorik wiederholt –, daß »all die Juden ins Meer geworfen« werden sollten. Dabei bedient sich die Diskussion immer wieder des erprobten Mittels, gegen das nicht zu argumentieren ist, schon gar nicht in Deutschland: des Holocausts. http://www.jungewelt.de/2013/01-08/039.php
Autoren wie Broder aber gehen mit der vom Leid der Juden und der deutschen Schuld gedeckten Währung um wie fahrlässige Bankiers. Um sich von Einzelheiten, lästigen Details zu dispensieren, vielleicht auch nur um ein mediales Geltungsbedürfnis auszutoben, nehmen sie eine Inflation elementarer Bedeutungswerte billigend in Kauf. Und öffnen damit eben jenem politischen Relativismus Tür und Tor, den sie vorgeben zu bekämpfen. Das schlimmste aber ist, dass darin das Grundmuster der antisemitischen Argumentation unter veränderten Vorzeichen wiederkehrt. Der Einzelne mag in der Sache sagen und argumentieren, was er will: gegen das Abstraktum „Antisemit“ bleibt er so machtlos wie zu anderen Zeiten gegen das des „Juden“. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.antisemitismusstreit-zwischen-broder-und-augstein-terror-leerer-generalbegriffe.1ef694b4-26b4-4cb3-a1df-590511ee5716.html
Siehe auch;:
http://www.tagesspiegel.de/mediacenter/karikatur/bildergalerie-karikaturen-von-stuttmann-und-schwalme/3994.html?p3994=2#image