Wolfgang Röhl / 02.01.2008 / 20:01 / 0 / Seite ausdrucken

Der Strom, der Schnee, der Tod

Um die Jahreswende 1978/79 ereilten Deutschlands Norden (in der Bundesrepublik und in der DDR), Dänemark und Teile Englands die so genannte Schneekatastrophe. Für ältere Nordlichter eine Wo-warst-du-damals?-Lebensmarke, wie die Große Flut von 1962. Die Dimensionen waren gewaltig, die Bilder lagern im kollektiven Unterbewusstsein: kurz vor Sylvester zogen von Osten her ungeheure Schneestürme auf, die bis zum 6. Januar anhielten. Gleichzeitig sank die Temperatur ruckartig auf bis zu 20 Grad minus. Der gesamte Norden versank unter einer bis zu fünf Meter hohen Schneedecke, die den Verkehr und das öffentliche Leben außerhalb der Städte lahm legte. Strom und Heizungen (die vielfach elektrisch gesteuert wurden) fielen aus; Nahrungsmittel wurden knapp. Trotz des Einsatzes sämtlicher Rettungskräfte und der Bundeswehr dauerte es fast zwei Wochen, bis sich die Lage normalisiert hatte.

Im Westen starben 17 Menschen. In der DDR dürfte die Zahl der Opfer weitaus höher gewesen sein; offizielle Zahlen wurden nie genannt. Die DDR, deren Staatschef Honecker Fähnchen schwenkend auf Besuch im warmen Mosambik weilte, meldete die Katastrophe in der Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“ erst nach fünf Tagen und tat sich überhaupt viel schwerer, mit den Folgen fertig zu werden. Die Chefs der Katastrophenstäbe waren durchweg keine Fachleute, sondern SED-Bonzen, und die Stromversorgung – ausschließlich aus Braunkohle generiert – brach zusammen, weil Kohlelager zeitweise einfroren. Wie wackelig das gesamte DDR-System war, zeigte sich schon neun Jahre vor seinem Kollaps an diesem Lackmustest.

Es war das erste Mal in Deutschland, dass die Abhängigkeit der Knopfdruckgesellschaft von ihrem Lebenssaft, dem Strom, so richtig manifest wurde. Dabei war das Land damals, vor fast 30 Jahren, noch weit davon entfernt, eine vernetzte Computergesellschaft zu sein; so wie heute, da fast alles – vom Beheizen einzelner Bolleröfen abgesehen – auf einer stabilen Stromversorgung basiert. Die immensen Schäden, die das Schneechaos in Ost und West anrichtete, wären noch um ein zigfaches größer gewesen, hätte das Chip-Zeitalter schon damals Einzug gehalten.

Tempi passati? Wohl nicht ganz. Es lohnt sich, an die Jahreswende 78/79 zu denken, wenn die üblichen Traumtänze mit den „erneuerbaren Energien“ auf dem politischen Dancefloor abgehen. Wer ernstlich glaubt, das Aufstellen hoch subventionierter Windräder und Solarpanels könnte wenigstens auf ganz lange Sicht mehr liefern als eine weithin nutzlose Parallelenergie, die immer von Gas-, Kohle- oder Atomkraftwerken grundiert werden muss, der mag sich die erstaunlichen Bilder des Schneechaos anschauen, wie sie vorgestern im Hessischen Fernsehen liefen. Mit den Wattmengen, die bei einer Wiederholung von 78/79 aus dick vereisten Windparks und meterhoch überschneiten Solaranlagen kämen, könnte man nicht mal mehr Puppenstuben beleuchten.

Ach wie dumm, ich vergaß: so wie damals wird uns ja Gore sei Dank der Arsch nie wieder auf Grundeis gehen. Wir haben ja die globale Erwärmung! Na denn, wie das Südlicht sagt: schaun mer mal.

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