Dirk Maxeiner / 17.08.2007 / 17:49 / 0 / Seite ausdrucken

Der Stille Tod des Flussdelfins

Von Maxeiner & Miersch erschienen in DIE WELT vom 17.08.07

Jetzt ist es also passiert. Zum ersten Mal in unserem Leben stirbt ein großes Säugetier aus. Als 1952 die letzte Karibische Mönchsrobbe gesichtet wurde,  waren wir noch nicht auf der Welt. Jetzt hat es den Baiji erwischt, den zart rosa Flussdelfin des Jangtse. Seit Jahrzehnten haben Zoologen aus aller Welt vorausgesagt, dass es so kommen wird. Und es kam so.

Der Baiji ist der erste Wal, der durch den Einfluss des Menschen verschwindet. Aber nicht weil Walfänger hinter ihm her waren, sondern weil der Jangtse seit einigen Jahrzehnten eine abwasserverseuchte Dreckbrühe ist, mit Schiffen und Booten verstopft wie das Frankfurter Kreuz mit Autos. Inmitten des brüllenden Motorenlärms unter Wasser mussten sich die schwachsichtigen Flussdelfine mit dem Gehör orientieren. Wie ein Blinder, der versucht in einer Disco zu wohnen, wie es der große Douglas Adams einmal beschrieb. Dazu kamen Nahrungsmangel durch Überfischung und Todesfallen in Form von Tausenden Angeln und Netzen.

Letzte Woche wurde der Baiji offiziell als „wahrscheinlich ausgestorben“ eingestuft, nachdem eine internationale Suchexpedition den Jangtse durchkämmt hatte und kein einziges Lebenszeichen mehr entdecken konnte. Selbst wenn noch einige Exemplare übrig sein sollten, sagen die Zoologen, ist das Schicksal der zwanzig Millionen alten Art Lipotes Vexillifer besiegelt. Es sind zu wenige, um sich noch zur Paarung zu finden.

Das Aussterben eines so großen und bekannten Tieres ist nicht nur eine Blamage für die Menschheit als Ganzes, sondern wirft auch ein bezeichnendes Licht auf China, das sich im Zuge der Olympia-Imagekampagne gern grün anstreichen möchte. Wissenschaftler mahnten seit Jahrzehnten Rettungsmaßnahmen an, die halbherzig und zu spät erfolgten. Im 21. Jahrhundert sehenden Auges eine Tierart aussterben zu lassen ist nicht weniger barbarisch als die Taliban-Kanonade auf die Buddha-Statuen von Bamiyan. Mit dem Unterschied, dass man die Buddha-Statuen wieder aufbauen kann. Aber was soll man von einem Staat erwarten, der auch gegenüber Menschen keine Skrupel kennt. Vor ein paar Tagen erst wurde der Umweltschützer Wu Lihong für seien Protestaktionen zu drei Jahren Haft verurteilt – in China eine eher milde Strafe. 

Das Ende der Baijis ist auch deswegen so empörend, weil es vor aller Augen stattfand in einer Epoche der Umweltkonferenzen, der grünen Institutionen, der Ökobücher und Naturfilme. Alle sind aus dem Häuschen wegen der Klimakatastrophe und andere hypothetischer Schrecken. Ein Öko-Hype jagt den nächsten. Sigmar Gabriel warnt, am Tag stürben 150 Tierarten aus und alle schreiben mit. Obwohl niemand diese Tierarten kennt, weil sie nur in Rechenmodellen aussterben: Unbekannte Insekten, von denen man annimmt, dass sie beim Abbrennen der Tropenwälder verloren gehen. Der Baiji ist ganz konkret verschwunden, nicht hypothetisch –  doch das scheint niemanden sonderlich aufzuregen.

Die Lehre aus dem ersten großen Austerbefall des 21. Jahrhunderts könnte man unter den Begriff „Naturschutz-Ökonomie“ fassen. Obwohl seit dem 12. Jahrhundert Tausende Schiffe Jagd auf Wale machten, starb keine der gejagten Arten aus. Mitte des 20. Jahrhunderts merkten die Walfänger, dass einige Arten selten wurden und begannen mit einem Quoten-Regime. Dem Baiji dagegen stellte niemand nach. Er war ökonomisch uninteressant. Das war sein Verhängnis. Es gibt Gegenbeispiele, aber in der Regel kümmern sich Menschen besser um Dinge, die sie auch nutzen.

Was zu den eigenen Lebzeiten passiert, berührt stärker als historische Geschehnisse. Im Museum, beim Blick auf die lebensechten Präparate des Beutelwolfs und anderer für immer Verlorener, dachten wir oft, im 21. Jahrhundert könnten all die wohlhabenden Naturschutzorganisationen und internationalen Umweltbürokratien solche Verluste verhindern. Auf zur nächsten Umweltkonferenz. 

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