Dirk Maxeiner / 11.12.2016 / 06:15 / Foto: Karl Udo Gerth / 2 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Wie riechen Autos?

Jean-Baptiste Grenouille, die Hauptperson in Patrick Süskinds Roman „Das Parfüm“, nimmt seine ganze Umwelt nur in Form von Gerüchen wahr. Es wäre reizvoll zu wissen, wie er mit seiner hypersensiblen Nase den Geruch eines Automobils in seine Bestandteile zerlegen würde. Doch leider dauerte es noch 150 Jahre bis zur Erfindung des Automobils als Grenouille im Sommer 1783 auf dem Pariser Fischmarkt geboren wurde. Wir sind deshalb auf unsere eigene beschränkte olfaktorische Wahrnehmung zurückgeworden, wenn es um die Frage geht: Wie riecht ein Auto? Wie sollte es riechen? Und auch: Wie sollte es nicht riechen?

Die dritte Frage ist scheinbar einfacher zu beantworten. So wurde beispielsweise das Zweitakter-Gemisch der Trabis und Wartburgs, das vor der deutschen Wiedervereinigung bläulich durch ostdeutsche Städte waberte, nicht eben als angenehm empfunden. Zumindest damals. Heute kann so ein einzelner Trabant durchaus positive Gefühle wecken: Den einen oder anderen Ostdeutschen erinnert der Geruch spontan an seine Jugend in der DDR, die erste Freundin oder auch die erste größere Autoreise an die Ostsee. Und damit sind wir schon mitten in der Wunderwelt der Gerüche und ihrer Wirkung. Kaum etwas ist individueller als die Gefühle, die wir mit Gerüchen in Verbindung bringen, sie sind geprägt durch positive oder negative Erlebnisse. Man nennt das auch Konditionierung.

Jemand der sich damit auskennt wie kein Zweiter, ist Hanns Hatt, Professor für Zell-Biologie an der Universität Bochum und der deutsche „Geruchspapst“ schlechthin. „Lange war das Riechen von Wissenschaftlern und Philosophen als animalischer, triebhafter Sinn und als chemische Informationsquelle ohne Geist vernachlässigt worden“, sagt er, doch das habe sich inzwischen geändert: „Tatsächlich können Düfte uns stimulieren oder entspannen, erfrischen und freudig erregen oder auch manipulieren“. Und er fügt hinzu: „Vor allem aber sind Düfte Glücksboten und überraschen uns jeden Tag wieder“.

Einzig das Riechsystem hat einen direkten Zugang zum limbischen System dem Teil unseres Gehirns, in dem die Emotionen entstehen. Sie sind in der rechten Gehirnhälfte zuhause, links sind die Ver­nunft und die Vierecke untergebracht. Die rechte Hälfte war in der Steinzeit ziem­lich wichtig, weil sie die instinktive Reaktion steuert. Heute ist sie für Automobilhersteller ziemlich wichtig, weil ihre Produkte sich technisch immer mehr annähern und der Charakter eines Autos vor allem durch unterschiedliche emotionale Ansprache geprägt wird. Dazu gehört das Design, also was wir mit den Augen sehen, aber auch der Geruch.

Fabrikneue Modelle rochen früher meist nach Klebstoffen und synthetischen Kautschuken. Man schließe die Augen, nehme eine Tube Pattex und halte sie sich unter die Nase: Riecht wie die IAA. Oder ein Billig-Schuhmarkt. Heute bemühen sich die Hersteller, solch penetrante Ausdünstungen möglichst zu vermeiden. Alles, was bewusst gerochen wird, ist schon zu viel und wird nach kurzer Zeit als unangenehm empfunden. So wie die Duftbäumchen, die mancher an den Rückspiegel hängt, um andere missliebige Gerüche zu übertünchen, der Fachmann sagt „maskieren“. Schlimmstenfalls verursacht so etwas Kopfschmerzen. Aber auch meist als angenehm verortete Materialien wie Leder sollten sich in vornehmer Zurückhaltung üben und gerade an der Schwelle zur Wahrnehmbarkeit operieren. An dieser Stelle wird gewissermaßen der Schritt von der Vermeidung störender Einflüsse zur Geruchsgestaltung getan.

Marken wie Adidas und Samsung umgeben sich bereits mit einer eigenen „Duftmarke“, die Autohersteller sind auf dem besten Weg dorthin. Hass, der auch seiner Universität in Essen einen eigenen Duft spendiert hat („munter frisch, riecht nach geistiger Leistung“), nennt als Beispiel Chanel Nummer 5 mit seinen teuren, seltenen und natürlichen Ingredienzen. Veilchen oder Rosen sollten letztendlich auch mit einer Mercedes-S-Klasse oder einem Bentley harmonieren. Und was so ein richtiger Markenduft ist, der umhüllt nicht nur das Auto, sondern auch den Verkaufsraum samt Personal. Die vielbesuchte BMW-Welt in München wird bereits komplett mit einem eigenen BMW-Aroma beduftet, der sich eklatant von dem des Hofbräuhauses unterscheidet.

„Das Auto ist aber auch ein optimales Objekt, um Düfte im Hinblick auf ihre Wirkung einzusetzen“, erzählt Hatt und nennt Beispiele: Jasmin, Kamille und Lavendel wird eine beruhigende Wirkung nachgesagt, es besteht aber auch die Gefahr, dass sie einschläfernd wirken. Riecht es nach frischem Brot, wird der Fahrer hungrig und gibt mehr Gas. „Frisches Gras und Blumen klingen harmlos, verleiten jedoch zum Träumen“ weiß Hatt. In den Belüftungsanlage einiger Luxuslimousinen (zum Beispiel Mercedes Benz) können die Insassen bereits verschiedene Düfte zum Einsatz bringen. Auch die Kapitäne der Landstrasse in ihren Trucks haben teilweise schon die Möglichkeit, „Duftbilder“ abzurufen, die etwa munter machen. Der Geruch, der Autofahrer am zuverlässigsten zu Vorsicht und einer umsichtigen Fahrweise bewegt, ist wiederum eine Folge erfolgreicher Konditionierung: „Es ist der Neuwagenduft“, sagt Hatt, „der wird mit etwas wertvollem Neuen in Verbindung gebracht, das man nicht kaputt machen will.“

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Wilfried Cremer / 11.12.2016

Das Beste ist immer noch Rosenduft, vor Weihrauch.

Alexander Geiger / 11.12.2016

Zwischen 1783, dem Geburtsjahr Grenouilles, und der Erfindung des Automobils vergingen aber keine 150 Jahre. Etwa hundert Jahre danach haben Marcus und Daimler schon an ihren Prototypen herumgebastelt.

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