Kapitän Alejandro López Fernàndez (35) blickt von auf der zehn Meter breiten Brücke hinaus aufs Mittelmeer und bereitet sich auf die Abfahrt vor. Es ist ein regnerischer Morgen im Inustrie-Hafen von Barcelona. Schauer jagen über das Deck des Autotransporters „Galicia“ der spanischen Reederei „Lineas Suardiaz“. Von Barcelona wird die Fahrt nach Setubal führen, dann weiter über New Castel, Sheerness, Zeebrugge, Vigo, Casablanca und schließlich zurück nach Barcelona. Fernández, einer der jüngsten Kapitäne Spaniens, ist stolz auf sein Schiff, auch wenn der 150 Meter lange und über 16000 Tonnen schwere Autotransporter äußerlich keine Schönheit ist: „Sie ist ein gutes Schiff, auf das man sich verlassen kann“.
Autotransporter sind im Prinzip schwimmende Parkhäuser und sie sehen auch so aus. Lediglich der große Schornstein ragt schiffsmäßig aus dem eckigen Stahlkasten heraus. Mit einer Kapazität von 1200 Autos gehört die Galicia zu den kleineren Schiffen der Branche, die großen Transatlantik-Transporter nehmen bis zu 6400 Fahrzeuge in ihrem Bauch auf. Die Galicia ist als sogenannter „Verteiler“ unterwegs, als ein Schiff also, dass die Autos von den großen Schiffahrts-Knotenpunkten („Hubs“) wie Emden oder Rotterdam weiterverteilt.
In den Etagen unter der Brücke herrscht Hochbetrieb. Eine Perlenschnur aus spanischen Seat-Kleinwagen rollt über die polternde Stahlrampe des Verladekais und verschwindet in den Eingeweiden der Galicia. Sie sind am Tag zuvor eingetroffen, ein Autozug, fast einen halben Kilometer lang, hat sie direkt vom etwa 70 Kilometer entfernten Werk in Martorell angeliefert. Von einem Unternehmen, das einst sehr stark für den Heimatmarkt produzierte, hat sich Seat inzwischen zu einer internationalen Exportmarke entwickelt, die 80 Prozent ihrer Produktion im Ausland absetzt. Manuell Medina Burull, Leiter der Logistik bei Seat, sagt: „Zeit und Raum sind Geld“.
Der Mann wird dafür bezahlt, besonders effiziente Methoden auszutüfteln, um Seat-Autos zu den Kunden überall auf der Welt zu verfrachten. Am liebsten wäre ihm, wenn die Autos am Ende des Fließbandes direkt in einem Schiffsbauch, auf einem Zug oder einem Lastwagen verschwinden würden. „Dann bräuchten wir keinen Parkplatz“. Große Parkflächen sind teuer und es wird eine Menge Personal benötigt, um die Autos hin und herzufahren. Ich persönlich würde schon nervös, wenn ich Bäcker wäre, und jeden Tag 300 Brötchen verkaufen müsste. So ein Autowerk spuckt pro Tag 2000 bis 3000 Autos aus. Und die müssen möglichst schnell vom Hof, sonst stauen sie sich in kürzester Zeit bis Madrid. Wenn die Käufer asuch nur für eine Woche streiken, dann muss sofort einer auf den roten Knopf drücken, damit das Fließband anhält (zumindest mtaphorisch gesproichen).
Im Sturm gibts schon mal massenhaft Blechschaden
Deshalb versucht jedes Unternehmen, die Verteilungsketteso kurz und straf wie möglich zu organisieren, schließlich hat der Transport einen nicht geringen Anteil an den Gesamtkosten. Die schwierige wirtschaftliche Lage in Spanien und Südeuropa macht den Schiffstransport teurer. Da das Land derzeit weniger importiert landen auch weniger Schiffe in den iberischen Häfen an. „Wenn ein Autotransporter leer zu uns kommen muss, dann kostet das natürlich mehr“, erklärt Burull. In der Fachsprache der Logistiker spricht er von „Transportflüssen, die aus der Balance geraten sind“.
Kapitän Fernàndez auf der Galicia hat einen ziemlich guten Ruf hat. „Wir haben einen Preis bekommen für die wenigsten Beschädigungen“, berichtet der Kapitän. Das ist wohl auch seiner besonnenen Einstellung zu verdanken: Der Weg mitten durch einen Sturm mag der schnellste sein, er kann aber auch sehr teuer werden, wenn sich etwas losreist oder verrutscht. „Prinzipiell ist das Schiff das sicherste Verkehrsmittel überhaupt“, sagt der Kapitän, hat aber dennoch großen Respekt vor den Elementen. „Neulich hatten wir vor Santander 15 Meter hohe Wellen“, erinnert er sich. Autotransporter haben sehr hohe Bordwände, die dem Wind eine große Angriffsfläche bieten. Fernández erzählt von den starken Westwinden in der Biscaja vor Portugal, die heftig an seinem relativ leichten und hohen Schiff zerren. Die kniffeligste Situation ist stets die Hafeneinfahrt, manchmal schlägt das Wetter in kurzer Zeit um, helfende Schlepper müssen aber vier Stunden vor Ankunft bestellt werden.
Um den Schiffsschwerpunkt möglichst weit nach unten zu verlagern, wird die Galicia von zwei Viertaktmotoren angetrieben. Diese Motoren bauen niedriger als die bei Schiffen üblicheren Zweitaktmotoren. Die Maschinen haben 18 Zylinder und leisten 6000 PS. Der Verbrauch liegt bei 30 Tonnen Rohöl pro Tag. Der Tank fasst 600 Tonnen so dass die Galicia 20 Tage lang unterwegs sein kann. Der Kapitän braucht deshalb eine belastbare Kreditkarte: „Einmal voll tanken kostet über 200.000 Dollar“. Um Hafengebühren zu sparen wird die Aufenthaltszeit am Kai auf ein Minimum reduziert.“ Das Schiff sollte auf keinen Fall länger als 12 Stunden am Kai liegen“, sagt der Kapitän, „den Feiertag morgen am 1. Mai fahren wir beispielsweise ganz langsam und spritsparend nach Setubal, weil wir dort ohnehin nicht vor übermorgen ein oder ausladen können“. Navigationssystem und Routenrechner kalkulieren minutiös die günstigste Route und Fahrgeschwindigkeit. Auch die Ausfahrt aus dem Hafen funktioniert vollautomatisch. Kein Käpt’n dreht hier mehr am Steuerrad. Einzige Ausnahme: Die letzten Meter vor dem Anlegen wird von einem Aussichtspunkt an der Bordwand manuell ferngesteuert, damit der Anlegevorgang möglichst sanft erfolgt.
Unten in den Parketagen wird es allmählich voll. Die schwereren Modelle kommen in den Keller, die leichteren weiter nach oben. Alles läuft wie am Schnürchen, die Fahrer sind ausgefuchste Spezialisten für das Parken auf engstem Raum. Im Laderaum ist besonders auffällig, dass ein Großteil der Decks sehr niedrig ist, um eine möglichst große Anzahl Fahrzeuge unterbringen zu können. Nur eine Handbreit trennt die einzelnen Autos, die sorgsam vertäut werden. Sie stehen auf stählernen Gitterrosten, so dass man in die Etage darüber und darunter sehen kann. Für jedes Modell gibt es spezielle Parkpläne, damit kein Fleckchen ungenutzt bleibt. „Wenn ein neues Modell herauskommt, müssen wir das Arrangement oft komplett ändern“, erzählt Fernández, “weil es meist um ein paar Zentimeter vom Vorgänger abweicht.“ Die Schlüssel bleiben in den Fahrzeugen stecken, es könnte sie aber ohnehin niemand bewegen. Sie sind in einer fest vorgegebenen Reihung so eng zugeparkt, dass sich noch nicht einmal die Türen öffnen lassen. Das letzte Fahrzeug, bildet gleichsam den Stopfen auf einem Flaschenhals. Es heißt „Keycar“, zu deutsch Schlüsselauto. Ohne Schlüsselauto geht gar nichts. Es muss als erstes wieder weggefahren werden, weil es gleichsam das ganze Parkdeck verriegelt. Danach folgen die anderen in der vorgegebenen ausgetüftelten Reihenfolge.
Weil Gäste auf dem Schiff sind und in der Seefahrt auf Formen geachtet wird, bittet Kapitän Fernández auf ein Glas und Tappas ins Mannschafts-Casino. In der Küche klappern Töpfe und Messer. Der Koch legt sich begeistert ins Zeug, es riecht verführerisch nach Gulasch. Die Mannschaft der Galicia besteht aus 15 Personen, komplett multikulti, davon zwei Kadetten. Die Maschinisten lassen sich entschuldigen, denn an einem der Zylinder ist ein Problem aufgetreten. Reparaturen am offenen Herzen, sprich während des laufenden Betriebs sind in der Schifffahrt durchaus üblich. Die Galicia ist 2003 von der spanischen Vigo-Werft gebaut worden und hat noch zehn Jahre Dienst vor sich. Im Schnitt ist ein Schiff 20 Jahre im Betrieb, dann wird es ersetzt. „Ein neues Autotransportschiff hat eine Lieferzeit von vier Jahren“, erzählt der Kapitän, „wer im Auto-Boom bestellt, bekommt sein Schiff womöglich während einer Flaute. Und wer wegen einer Flaute nicht bestellt, hat womöglich im Boom kein modernes Schiff.“ Als Puffer für Schwankungen der Autokonjunktur dienen den Reedern norwegische Fjorde. Dort werden die gewaltigen Autopötte schon mal vorübergehend stillgelegt. „Die Fjorde sind die Parkplätze unserer Branche“, sagt der Kapitän, „und auch da geht es manchmal eng zu.“