Der Sonntagsfahrer: Lieber Baghwan oder 911?

Neulich verschlug es mich für eine Reportage ins indische Pune. Dort fragte ich den Chefredakteur einer Autozeitung, den ich eher zufällig kennen gelernt hatte: „Gibt’s hier auch Oldtimer-Sammler?“. Er antwortet wie aus der Pistole geschossen: „Ich rufe einen Bekannten an, den kannst Du morgen in Koregean-Park besuchen“. Das ist jener parkähnliche Stadtteil, in dem die westlichen Jünger des Bhagwan Shree Rajneesh, auch Osho genannt, nach einem Sinn für ihr Leben suchen – umgeben von einer Wachmannschaft, die jeder KGB-Zentrale zur Ehre gereichen würde.

Für sich selbst hatte der Guru entdeckt, dass beispielsweise der Besitz einer ganzen Rolls-Royce-Flotte glücklich macht, vorausgesetzt irgendwelche verwöhnten Spinner aus Frankfurt oder New York bezahlen dafür. Das Marketing-Tool des Großmeisters war die Aussicht auf grenzenloses Vögeln, nicht mit 72 Jungfrauen im Jenseits, sondern mit einer deutlich größeren Anzahl Sannyassins im Diesseits. Also alles in allem, religionstechnisch ein deutlich besseres Angebot, zumindest in den 70er und 80er Jahren.

Da man als Buddhist ja mehrere Runden durch das irdische Dasein drehen darf, werde ich mich wohl ein wenig umorientieren und  im Zuge der Reinkarnation mein nächstes Leben als Guru in Angriff nehmen (das Verhältnis von nicht-vorhandener Ausbildung und Einkommen ist beim Guru einfach viel besser als beim Journalisten). Falls die Guru-Nummer nicht klappt, werde ich das Dasein wahlweise als Porsche 911 oder Ferrari 365 GTB fristen. Immer eine warme Garage und ein voller Tank, was will man mehr. Aber zurück zum Koregean-Park.

Den Ashram lassen wir links liegen und fahren einen halben Kilometer weiter. Dort stoppt der Fahrer meiner Motor-Rikscha.  Oder besser gesagt: Der Fahrer will umdrehen, weil er glaubt, er hätte sich in der Adresse geirrt. Das Portal zum Anwesen erinnert an das Brandenburger-Tor. Die uniformierte Privatarmee, die zur Sicherung der Latifundie abgestellt ist, hat mich aber offenbar erwartet und geleitet mich hinein.

In einem tropischen Park von der Ausdehnung des Münchner Olympia-Stadions leuchtet eine riesige Villa. Vom Stil und der Ausdehnung her eine Mischung aus weißem Haus und Petersdom. In der Anfahrt steht eine große Uhr, die einstmals am Times-Square Dienst tat und die London-Time anzeigt. In den „Stallungen“, einem offenen Garagen-Komplex im Stile königlicher Pferdeboxen, glänzt eine Phalanx erlesener Klassikmobile. Rolls-Royce, Bentley, Mercedes. 

Dann begrüßt mich ein freundlicher Herr, der sich mit „Yohan Poonawalla“ vorstellt. „Aha“, durchzuckt es mich, „hätte man mir ja vielleicht auch vorher sagen können“. Herr Poonawalla gilt als einer der reichsten Männer Indiens. So ein Maharadscha ist dagegen ein kleiner Angestellter. In der Forbes-Liste der Milliardäre ist sein Clan zuverlässig vertreten.

Normalerweise kommt man an solche Leute nicht heran. Das hat zunächst mal folgenden Grund: Europäer sind in den Augen der indischen Upper-Class grundsätzlich sozialdemokratische Weicheier. Der deutsche Umgang mit Zuwanderung wird als so eine Art kollektiver Rinderwahn betrachtet. Man sollte das Thema meiden, weil erklären kann man es nämlich nicht. No way, selbst wenn man es wollte. Und schlecht über sein Land reden sollte man auch nicht, also besser garnix sagen und über Autos reden.

Reiche Inder verstehen beispielsweise überhaupt nicht, warum man zwischen Frankfurt und Helsinki seinen Reichtum eher versteckt. Je ärmer das Land, soweit meine Erfahrung, desto ungenierter zeigt der Mensch, zu was er es gebracht hat. Und Herr Poonawalla kann sogar mit einigem recht behaupten, dass er in seinem Konzern vielen tausend Menschen ein Einkommen sichert, die umherwieselnden Gärtner und Hausangestellten eingeschlossen. Einer ist sogar eigens eingestellt, um die riesige Dogge zu betreuen. Die besucht  wahrscheinlich heimlich den Ashram,  an Friedfertigkeit kann sie es mit einer Taube aufnehmen.

Die Oldtimer-Leidenschaft öffnet jedenfalls auch in Indien Türen, die sonst verschlossen bleiben würden. Wir schreiten durch die marmorne Eingangshalle. Im Salon versinke ich in einem riesigen Sofa. Livrierte Kellner bringen Tee. Mein Gastgeber nimmt gegenüber Platz. Aufgrund der Größe der Sitzgarnitur sitzt er so etwa sieben Meter entfernt.

Wir sprechen über seine automobilen Schätze. Der Bentley MK6 beförderte dereinst den Maharadscha von Mysore. Der Rolls-Royce 20/25 wurde 1931 von einem britischen Teepflanzer nach Indien importiert. Der Phantom III kam 1937 ins Land und diente ihrer Durchlaucht dem Maharadscha von Phanchot als Dienstfahrzeug. Der obere Teil des Lenkradkranzes wurde seinerzeit abgeschnitten, damit der klein gewachsene indische Fahrer darüber hinweg sehen konnte.

Der Hausherr weckt den Phantom III aus seinen Dornröschenschlaf und fährt  den flüsternden Giganten aus der Garage. In den explodierenden indischen Straßenverkehr traut er sich damit kaum noch: „Zu gefährlich, es würde mir das Herz brechen, wenn jemand ihn beschädigt.“ Auch seine aktuellen Lamborghinis und Porsches führt er kaum noch ins richtige Leben aus. Als er seinen nagelneuen Rolls-Royce Phantom von Bombay nach Pune überführte, seien dies „die längsten drei Stunden seines Lebens“ gewesen. Und wenn  er doch einmal in einen seiner Klassiker steigt , dann muss der hauseigene Siebener-BMW immer direkt dahinter fahren: „Sicherheitshalber, als Knautschzone“.

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