Was Bayreuth den Wagner-Fans, das ist die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt für die Brumm-Brumm-Branche. Die Presse-Konferenzen der Unternehmen wechseln sich im 30-Minutentakt ab. Die deutschen Hersteller bitten gerne besonders früh an ihren Stand – um eiserne Arbeitsmoral zu demonstrieren, aber auch um den gemeinen Schreiber ein bisschen zu quälen. Der muss dann morgens um vier seine Klappliege in der Nähe von Aschaffenburg oder Mainz verlassen, um rechtzeitig den Worten der großen Vorsitzenden zu lauschen.
Deren Ansehen hat etwas gelitten, seit dem Diesel-Skandal liefern die Autobosse sich mit Atomkraftwerk-Betreibern, Monsanto-Managern und Graf Dracula ein totes Rennen. Ihre Reaktion darauf erinnert mich an unseren Dackel, wenn er mal wieder beim Nachbarn ein Huhn gemeuchelt hatte: Keine Widerrede, Fehler einräumen, Schuld eingestehen (egal ob man irgendeine Schuld hat oder nicht) auf den Rücken legen, alle Viere von sich strecken und Ergebenheitshaltung einnehmen.
Und deshalb gehört die geschickte Kombination von Satzbausteinen wie „Corporate Social Responsibility“, „Stakeholder“, „Sorge um künftige Generationen“ und „Nachhaltigkeit“ zum Standard-Repertoire dieser Führungskräfte, seit neustem ergänzt durch „Elektro-Mobilität“ und „Connectivity“. Ansonsten ist die Welt noch in Ordnung, in einem Modell unter 500 PS kommt sich der Besucher regelrecht nackt vor. Auch die Verköstigung ist vom Feinsten. Wer bei jedem Presse-Empfang ein Glas Champagner annimmt, ist spätestens um 12 Uhr Mittags so blau wie ein Bugatti und so breit wie eine S-Klasse.
Zeit also für einen Besuch bei Tesla, da fällt man kaum auf, weil alles unter Strom steht. Im Grunde genommen ist ein Glas Champagner ja auch gespeicherte Sonnenenergie. Kommt gleich nach Biomethanol und E 10, ist aber deutlich umweltfreundlicher. In Italien habe ich gerade beobachtet, wie Winzer ihre Weinstöcke entsorgen und statt dessen Felder mit Solarkollektoren aufstellen. Das ist der GAR, der größte anzunehmende Rückschritt, weil Solarzellen als Begleitung zu einem Ossobuco völlig ungeeignet sind. Allerdings produzieren sie auch kein Kohlendioxid wie der Homo sapiens, wenn er sich in der Trattoria einen hinter die Binde kippt.
Bauchtanz für Kleber
Schließlich sind wir alle eine antiquierte Verbrennungsmaschine. Der Mensch gehört nach grüner Diktion als Verbrenner von Kohlenstoffen sofort entsorgt – ähm, pardon: aus dem Verkehr gezogen. Wenn sich 100 Menschen in einem vier Meter hohen Raum von 200 Quadratmetern versammeln, dann ist die CO2-Konzentration in diesem Raum nach einer Stunde etwa zehnmal höher als in der Erdatmosphäre. Ahnen sie allmählich wie gefährlich so eine Autoausstellung für das Weltklima ist? Die diversen Buffets schätze ich auf zwei Kilometer Länge und 100 Millionen Kalorien. Hintereinander gereiht würden sie locker vom Messeturm bis zum Frankfurter Hauptbahnhof reichen. Außerdem hat jedes Unternehmen noch ein oder mehrere Restaurants an seinem Ausstellungsstand.
Die Zugangs-Berechtigungen sind gestaffelt: In der Holzklasse werden jene Kollegen untergebracht, die für die Regionalpresse oder kleinere Auflagen berichten, für die gibt es Schnittchen und Tapas. Dann kommt die Mittelklasse, die immerhin schon eine warme Mahlzeit im Sitzen einnehmen darf. Und ganz oben residieren die Fat-Cats, die für die sogenannten meinungsbildenden Medien berichten, die kriegen schon mal ein Sterne-Menue und ein Mensch aus dem Vorstand des jeweiligen Herstellers wird als Beilage serviert. Für große Fernsehnasen à la Claus Kleber würden die Herrschaften sogar einen Bauchtanz auf dem Tisch absolvieren.
Wenn Promis wie der autoverrückte Arnold Schwarzenegger auftauchen, werden darüber hinaus die im jeweiligen Land geltenden gesetzlichen Vorschriften gedehnt. So paffte Schwarzenegger, so hab ich es vor zwei Jahren beobachtet, während einer Verköstigung in Ruhe seine Zigarre, was ich wie beim qualmenden Helmut Schmidt grundsätzlich bewundere. Zumal der Schwarzenegger ja als grünes Gewissen Kaliforniens gilt. Grüne, die Zigarre rauchen, sind bei mir entschuldigt. Und wenn sie dazu ein Gläschen Biosprit nehmen, hab ich sie fast gern. Schwarzeneggers Laissez fair muss bei Volkswagen irgendwie zu der irrtümlichen Annahme geführt haben: Wenn der bei uns das Rauchverbot ignoriert, dann dürfen wir auch ein bisschen beim Diesel bescheißen, da wäscht eine Hand die andere.
VW-Manager mit eingeschränkter Reichweite
Seitdem verfügen Volkswagen-Manager über eine extrem eingeschränkte Reichweite, sie liegt noch deutlich unter der eines Elektro-Golf. Die Vereinigten Staaten meiden die Herrschaften wie der Teufel das Weihbenzin. Auch Länder, die über ein Auslieferungsabkommen mit den USA verfügen, müssen weiträumig gemieden werden. Gibt es noch eine Institution, die das Image des Volkswagen-Konzerns noch einigermaßen aufrecht erhält? Ja, zum Glück. Es ist die als Warenzeichen eingetragene „Volkswagen-Currywurst“. Laut Wikipedia handelt es sich dabei um ein „Lebensmittelprodukt des Automobilkonzerns Volkswagen AG.“ Sie wird in einer eigenen Schlachterei in Wolfsburg hergestellt inzwischen sogar im Supermarkt verkauft, garantiert ohne Stickoxide. Die übrigen technischen Daten (laut Wikipedia): Ursprünglich wurde die Wurst bei einer Länge von 25 cm zu 170 Gramm portioniert. Auf Kundenwünsche hin werden auch kleinere Würste zu 85 Gramm und 12,5 cm angeboten. Die Wurst wird nicht wie andere Currywürste mit Currysauce oder einer Tomatensauce mit Currypulver angerichtet, sondern typischerweise mit einem Gewürzketchup nach VW-eigenem Rezept von Kraft.
Eine Testfahrt durch meinen Magen ergab gute Verträglichkeit, sicherheitshalber wurden drei Portionen verköstigt. Auf Dauer beeinträchtig dies jedoch Körperumfang und Leistungsgewicht des Volkswagen-Kunden und gefährdet das sportliche Image. Drei Currywürste enthalten ganz grob gerechnet die Energie von einer Kilowattstunde. Eine 100 Watt-Birne kann damit 10 Stunden lang brennen oder ein Farbfernseher drei Stunden lang laufen. Ich kann damit 20 Kilometer weit laufen, rein theoretisch natürlich, praktisch lehne ich solche Fußmärsche ab.
Die Gleiche Performance wie die Volkswagen-Currywurst bietet die Audi-Weißwurst, die dort ebenfalls nach eigenen bayrischen Rezepturen dargereicht wird. Die eigene Audi-Metzgerei fertigt etwa 1.000 Kilogramm Weißwürste pro Woche, selbstverständlich auch für die Kantine des Unternehmens. Statt eines Turboladers wird sie mit einem Geschmacksverstärker ausgerüstet. Der muslimischen Kundschaft darf die Wurst selbstverständlich nicht angeboten werden, sie besteht garantiert zu 100 Prozent aus Schweinefleisch. Womit bewiesen wäre: Hier arbeiten heimatverbundene Menschen, denen Ess- und Abgasvorschriften in der weiten Welt vollkommen wurscht sind.
Wer etwas genauer beobachtet, wird ohnehin feststellen, dass sich die wirklich wichtigen Dinge auch auf der IAA kaum ändern. Blondinen sind beispielsweise weiterhin total in. Besonders beim italienischen Fernsehen. Wann immer man einen Blick auf ein neues Auto werfen will, ist schon eine italienische Moderatorin da. Selbst im Angesicht eines rachitischen Kleinwagens vermögen diese Wesen zauberhaft zu lächeln und herrliche klangvolle Wortgirlanden zu flechten. Sie würden sogar ein russisches Atom-U-Boot als heitere Familien-Limousine vorstellen, genau richtg für das kohlenstoffbefreite Deutschland.