Der Sonntagsfahrer: Eine rettende Idee für Golfsburg

Wegen großen Zuspruchs gibts an diesem Sonntag nochmal einen abgeschlossenen Roman:

CEO Werner Golfsburg lehnte sich für einen Augenblick in seinem ledernen Eames-Chefsessel zurück und blickte versonnen auf das Erinnerungsfoto vom letzten New York-Marathon, den er mitgelaufen war. Als Manager muss man heutzutage Langstrecken-Qualitäten aufweisen. Daneben ein heller Fleck auf der Wand, hier war sichtbar ein Bild entfernt worden. Genauer gesagt: Eine Urkunde. Die Stiftung Umweltwatch, hatte ihn für sein Engagement für Nachhaltigkeit und Klimaschutz geehrt. Jetzt forderten die Opportunisten den Preis zurück, nur weil es beim Greendream-Diesel einen kleinen Programmierfehler gegeben hatte. Das Beschaffungswesen wird den leeren Platz der Urkunde demnächst mit einem Gerhard-Richter vergessen machen. Nachhaltiges Investment.

Aus dem 14. Stockwerk des Büroturms blickte er auf die darunter liegenden Fabrikhallen. Er tat dies nicht ohne Sorge: Die Geschäfte liefen erheblich schlechter als gewünscht. Sein einst erfolgreiches Sportmodell, der Amok-V8, wurde immer mehr vom koreanischen Harakiri-Turbo zurückgedrängt. Auch sein jüngstes Modell, die Oberklasse-Limousine „Flip Flop 2000", verkaufte sich schlecht. Sogar im China- und Russland-Geschäft, auf das er so große Hoffnungen gesetzt hatte, gab es Fricktionen. Die serienmäßigen Abhörgeräte waren viel zu schnell gerostet. Und dann die Amis mit ihrer Diesel-Phobie.

Es musste wirklich bald was passieren. Er brauchte einen neuen Typ. Etwas absolut revolutionäres. So teslamässig. In diesem Moment riss ihn das schrille Klingeln seines roten Mobiltelefons aus den Gedanken. „Wir haben ihn Boss, wir haben ihn tatsächlich gefunden", krächzte eine aufgeregte Stimme vom anderen Ende der Leitung. Der CEO sprang auf wie beim ersten Situp im Fitness-Studio und antwortete kurz: „Komme sofort."

Dann drückte er auf den Knopf der Gegensprechanlage zum Sekretariat: „Frau Mayer-Kronschmalz, meinen Wagen bitte sofort zum Portal, ich bin heute nicht mehr zu sprechen, sagen Sie alle Termine ab!" In rasender Fahrt schoss die schwarze Limousine über die A 2 Richtung Berlin. Dann bogen sie irgendwo hinter Helmstedt ins platte Land ab und wählten den Abzweig zu einem abgelegenen Industrie-Gelände.

Es war von einem hohen Zaun mit zusätzlichen Stacheldraht-Rollen umgeben, gute Ware aus  den Beständen der ehemaligen Volksarmee. Zwei scharfe Dobermänner begleiteten die Ankunft der Limousine mit lautem Gebell. Wächter mit Knöpfen im Ohr und ausgebeulter Brusttasche öffneten das eiserne Portal. „Privat-Laboratorien Professor Dr. Bayer-Neumann" stand am Tor. Früher diente das Gelände der staatlichen Veterinär-Forschung. Im Dorf wurde viel über die geheimnisvollen Vorgänge gemunkelt. Einige sprachen von Tierversuchen, andere wollten nachts sogar Schreie gehört haben.

Golfsburg wartete nicht bis Dieter, sein Fahrer, ihm die Fondtür öffnete. Der Wagen war kaum richtig zum Stehen gekommen, da stürzte er auch schon heraus und nahm jeweils zwei Stufen des Aufgangs auf einmal. Oben erwartete ihn schon der Professor: „Willkommen Boss, schön, dass Sie so schnell gekommen sind."

Dann liefen sie, ohne weiter miteinander zu sprechen, die langen Gänge entlang. Immer wieder tippte der Professor an massiven Stahltüren geheime Zahlencodes ein. Die Portale öffneten sich dann wie von Geisterhand. Schließlich gelangten sie in einen kleinen Vorraum. Der Professor übergab dem CEO sterile Gummischuhe, einen weißen Kittel, eine Kopfhaube und einen Mundschutz: „Das bitte überstreifen, sonst infizieren sie sich womöglich." Dann deute er auf das Mobiltelefon: Das bitte jetzt hier in diesen sterilen Behälter legen.

Sie traten in einen großen weißen Raum. Er war absolut leer, lediglich einige Bahren standen darin. Sie hatten Räder und waren mit weißen Tüchern abgedeckt. Professor Bayer-Neumann schob eine der Bahren in die Mitte des Raumes und richtete einen starken Scheinwerfer darauf. Dann nahm er das weiße Tuch ein wenig zurück, so dass Golfsburg darunter sehen konnte.

„Das ist er also?", entfuhr es dem spannungsgeladenen Golfsburg . „Ja, das ist er", flüsterte der Professor mit sichtlichem Stolz, „wir werden die Geschichte der Automobilindustrie neu schreiben müssen."

Golfsburg : „Schön ist er ja nicht gerade."

Professor: „Ums Äußere konnten wir uns noch nicht so richtig kümmern. Wir lassen ihn aber noch von Italdesign durchstylen."

 „Wie haben sie ihn positioniert?"

 „Er ist unser Standard-Typ für die Mittelklasse."

 „Hört sich gut an, wie steht's mit der Spitze?"

 „Etwa 180 Dauerpuls auf der Autobahn."

 „Luftwiderstands-Wert?"

 „Strebt gegen Null. Bei Gegenwind nimmt er automatisch eine extrem gebückte Haltung ein."

 „Schaltung?"

 „Aber Herr Golfsburg, der schaltet doch nicht... das übernimmt stufenlos, geräuschlos und automatisch der Zentral-Computer."

Lenkung? "Zieht nach links, haben Sie im Lastenheft so gewünscht. Deshalb ferngesteuert. Zusätzlich eine implantierte App für autonomes Gottvertrauen.“

„Anpassungsfähigkeit an verschiedene Märkte?"

 „Extrem biegsam durch den Wegfall lästiger tragender Teile, beispielsweise des Rückgrats."

„Konzeption der Kraftübertragung?"

"Erfolgt durch verstärkten Druck von oben. Da halten wir uns an die altbewährte Technik."

Golfsburg  (sich die Hände reibend): „Gratuliere Professor, ich nehme an, das ist alles, was sie mir für heute zeigen können ..."

Professor (auf die anderen Bahren deutend): „Da schlummern noch ein paar andere irre Typen, am weitesten sind wir mit den Exemplaren Aufsteiger und Hindu."

Golfsburg  wird neugierig: „Was hat es denn mit denen auf sich?"

Professor: „Das Aufsteiger-Exemplar kauft sich grundsätzlich ein Modell, das für ihn eine Nummer zu groß ist. Und zwar auch ohne diese bilanzschädigenden Niedrig-Zinsen. Der Typ Hindu hat hingegen den Vorteil, dass er alles als gottgewollt hinnimmt. Ein Motorschaden bei 25 000 Kilometern ist für ihn kein Garantiefall, sondern ein Schicksalsschlag."

Golfsburg  (feierlich, förmlich): „Herr Professor, auch im Namen der übrigen Vorstandsmitglieder möchte ich mich für ihre Arbeit bedanken. Sie sind dem Typ des idealen Autokäufers wirklich hautnah auf der Spur. Ich hoffe, wir können ihn bald in Serie anlaufen lassen."

„Herr Vorstandsvorsitzender Golfsburg , es ist wirklich eine Freude, mit Ihnen zusammenzuarbeiten."

Golfsburg  (nachdenklich): „Aber bitte keine Pannen, ich bin Dieselgate geschädigt“.

Auf der Rückfahrt kam der CEO  ein wenig ins Grübeln. „Dieser Professor ist ein Genie", dachte er bei sich, „aber man muss ihm trotzdem auf die Finger schauen."

Er hatte Bayer-Neumann kennengelernt, als der Professor noch für die Poltik arbeitete: Damals hatte dieser Trottel beim Entwurf eines Staatsbürgers doch tatsächlich Stimmbänder eingebaut.

Foto: Kevin S. O'Brien USNavy via Wikimedia

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Heinz Thomas / 25.09.2016

Die lebensnahe Metapher - einfach köstlich, lieber Herr Herr Maxeiner!

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