Dirk Maxeiner / 24.01.2016 / 12:00 / 4 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer (6): Ein kleiner Erziehungsberater

Der Besitz eines Oldtimers stößt naturgemäß auf die Neugier von Kindern. Einmal mitfahren dürfen ist für sie das Größte. Als freundlicher Zeitgenosse gewähre ich diese Gunst großzügig. Das ganze kann allerdings unerwartete Nebenwirkungen haben. So gehört ein Siebenjähriger aus dem Bekanntenkreis schon fast zur Stammbesatzung bei sonntäglichen Ausfahrten. Was mir jetzt eine freundliche Rüge seitens der Eltern eingebracht hat.

Die haben im Kinderzimmer nämlich folgenden Dialog beobachtet: "Heiliger Makrelenarsch, grüner wird die Ampel nicht", entfährt es dem Fahrer des Mercedes. Worauf er beschließt, den schläfrigen Opel mit einem gewaltigen Schubser in den Graben zu befördern. Lässiger Kommentar: "Das hast Du davon, du Penner". Die Amokfahrt geht munter weiter und für jedes Opfer hat der Nachwuchs einen aufmunternden Spruch parat: "Hast den Führerschein wohl im Lotto gewonnen? Du Gurke..."

„Von uns kann er das nicht haben“, erläuterte die Mutter, „und der einzige mit dem er sonst Auto fährt bis Du“. Leugnen half leider nichts, weil auch meine Frau sich in die Tätersuche einschaltete und behauptete, den ausgewählten Wortschatz einwandfrei zuordnen zu können: „Der spielt Autofahren mit Dir."

Man  unterschätze daher nie das Merkvermögen eines Siebenjährigen. Und man unterschätze nie, was einem im automobilen Selbstgespräch so über die Lippen geht. Da hat man nun zwanzig Jahre unbemerkt und herzlich hinterm Steuer geflucht, und plötzlich sitzt ein siebenjähriger Piefke mit dem Gedächtnis eines Elefanten im Auto. Die Tatsache, dass man nie wissen kann, wann er das Aufgeschnappte wieder an die Umwelt abgibt, macht ihn zu einer Gefahr für den Weltfrieden.

So unternahm der erwähnte Siebenjährige vor nicht allzu langer Zeit einen Sonntags-Ausflug mit seiner Omi. Die Dame ist für ihren etwas autistischen Fahrstil stadtbekannt und gefürchtet. Dennoch ließ der Enkel es entschieden an Respekt mangeln, als er bemerkte: "Oma, wenn ich mir so anschaue, wie Du fährst, könnte ich kerzengerade in die Luft sch..." Ähm, ja. Legen wir diese Episode unter dem Stichwort "unvergessene Momente" in der Chronik des Daseins ab. Ich jedenfalls habe beschlossen, nur noch zu schweigen, schweigen, schweigen. Stumm wie ein Fisch im Aquarium werde ich durch die Windschutzscheibe glotzen und den Mund erst wieder aufmachen, wenn der Knabe achtzehn ist.

 

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Leserpost

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Paul Siemons / 25.01.2016

Die Geschichte wirft auf meine Kindheitserinnerungen einen unschönen Schatten. Ich muss vier oder fünf Jahre alt gewesen sein, da tauchten eines Sonntags unerwartet vor dem Haus Freunde meiner Eltern aus Holland auf. Meine Mutter erblickte sie durch das Wohnzimmerfenster und sagte zu meinem Vater: “Da kommen H. und H.!” Mein Vater, eben zum Mittagsnickerchen aufs Sofa ausgestreckt, antwortete “Die haben uns gerade noch gefehlt!” Was ich dann in völliger Missinterpretation des väterlichen Wortes - ich hielt es für freudig gemeint - dem Besuch sogleich zur Begrüßung erzählte. Es folgte ein jahrelanges Zerwürfnis zwischen den früheren Freunden, während es für mich - wir waren pädagogisch und auch sonst in den 1950er Jahren - Senge bis zum Abwinken gab sowie weitere Sanktionen, an die ich mich zum Glück nicht mehr genau erinnere.

Marcus Mayer / 24.01.2016

Kommt mir bekannt vor. Habe meinen damals zweijährigen Sohn Samstags immer zum Brötchen holen mitgenommen. Irgendwann saß er dann bei meiner Frau, seiner Mutter im Kindersitz und als die an der Ampel träumte, brüllte er: “Fahr zu Du blöde Kuh!” Das war ein wenig erquickliches Wochenende für uns zwei Jungs.

Stefan O. W. Weiß / 24.01.2016

Sie müssen dem Kleinen die wichtigste Grundregel einprägen: Was zwischen Fahrer und Beifahrer gesprochen wird, darf das Auto nicht verlassen.

Bernd Naumann / 24.01.2016

Endlich mal gelacht auf der Seite. Danke! Und tun Sie das dem Knabben nicht an, bitte bereichern Sie seinen Wortschatz weiter… Schönen Gruß zum Sonntag

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