Joachim Nikolaus Steinhöfel / 04.08.2015 / 21:25 / 6 / Seite ausdrucken

Der Prügelknabe der Politik

Generalbundesanwalt Harald Range hat nicht das Erscheinungsbild eines obersten Strafverfolgers, vor dem die organisierte Kriminalität in Panik geraten könnte. Er wirkt wie ein mausgrauer Bürokrat, der seine Bestimmung im Abfertigen von Bussgeldbescheiden gefunden hat. Dass man ihn überhaupt öffentlich zur Kenntnis nimmt, hat er der NSA zu verdanken. Genauer: Dem Umstand, dass das Handy der Kanzlerin abgehört worden sein soll und er nicht SWAT-Teams aussendet, die US-Geheimagenten verhaften, in orange Overalls stecken und an Christian Ströbele ausliefern.

Eine unappetitliche Populismuswelle erbrach sich in Sachen NSA über Deutschland. Politiker der zweiten und dritten Reihe warfen sich im Kampf gegen den Ami todesverachtend in Positur. Und auch die Kanzlerin („Abhören unter Freunden, das geht gar nicht“) und ihr Regierungssprecher („”Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg”) traten mit Äusserungen hervor, die besser unterblieben wären. Jedenfalls dann, wenn man weiss, das Geheimdienste gelegentlich auch abhören. Und man kann die Amerikaner, nachdem eine Zelle der 9/11-Attentäter in Hamburg unbehelligt planen konnte, vielleicht auch noch verstehen.

Wer sich hier über Range empörte, tat dies entweder aus Kenntnislosigkeit hinsichtlich der Möglichkeiten, die ein Generalbundesanwalt überhaupt hat. Oder, und das darf man bei gewählten Abgeordneten in jedem Falle unterstellen, wissend, dass Range gar nicht so kann, wie er vielleicht gerne möchte. Denn er ist in seinem Tun nicht unabhängig. Auch der oberste Strafverfolger der Republik ist, wie jeder Staatsanwalt in Deutschland, der verlängerte Arm der Politik. Es ergeht ihm nicht besser als einem Ankläger in der Provinz, der von seinem jeweiligen Landes-Justizminister gegängelt werden kann. Für den Bundesjustizminister ist der Generalbundesanwalt nur ein nachgeordneter Beamter, der parieren muss.

Hat irgendjemand Zweifel daran, dass Range in Sachen NSA und dem Abhören von Merkels Handy bis ins Kleinste angewiesen wurde, wie er zu verfahren habe? Intern am ganz kurzen Gängelband, extern der Prügelknabe verlogener Politiker.

In Zusammenhang mit dem „Skandal“ um den Blog netzpolitik.org, der geheime Unterlagen des Verfassungsschutzes veröffentlich hat, ist Range jetzt der Kragen geplatzt. Und zwar völlig zurecht. Es ist völlig legitim und möglicherweise sogar berechtigt, wenn Verfassungsschutzpräsident Maaßen Anzeige erstattet, wenn geheime Dokumente seiner Behörde öffentlich werden. Vielleicht muss er dies sogar tun. Die Staatsanwaltschaft prüft den Vorwurf und leitet u.U. Ermittlungen ein. Wenn die Ermittlungen nicht eingestellt werden, entscheidet am Ende ein Gericht, ob eine Strafbarkeit vorliegt. Gegen diese Entscheidung gibt es in aller Regel noch Rechtsmittel.

Den vorliegenden Fall mit der „Spiegel“-Affäre zu vergleichen, ist wohl dem Sommerloch geschuldet.

Schwerwiegender allerdings ist der brutale Eingriff der Politik in die Gewaltenteilung. Die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte mag in Ausnahmefällen von höherem nationalen Interesse ihre Berechtigung haben. Sie hat es in Petitessen wie der vorliegenden keinesfalls.

Und daher verdient Range hier Respekt, wenn er sich seinen Dienstherren, Justizminister Heiko Maas, vorknöpft und einen “unerträglichen Eingriff” der Politik in die Unabhängigkeit der Justiz beklagt.

“Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint”, sei nicht hinzunehmen. “Die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Dieses Freiheitsrecht gilt aber auch im Internet nicht schrankenlos. Es entbindet Journalisten nicht von der Einhaltung der Gesetze. Über die Einhaltung der Gesetze zu wachen, ist Aufgabe der Justiz. Diese Aufgabe kann sie nur erfüllen, wenn sie frei von politischer Einflussnahme ist. Daher ist die Unabhängigkeit der Justiz von der Verfassung ebenso geschützt wie die Presse- und Meinungsfreiheit.“

So ist es.

Maas, der jetzt dasteht, wie ein gemaßregelter Schuljunge, kann Range ohne Angabe von Gründen in den vorzeitigen Ruhestand schicken. In einer Bananenrepublik würde das geschehen. In unserem Rechtsstaat auch?

PS. Nach Fertigstellung, aber vor Veröffentlichung dieses Textes hat Bundesjustizminister Maas Generalbundesanwalt Range in den vorzeitigen Ruhestand geschickt, da das „Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört“ sei. Das gilt sicher auch umgekehrt. Mit der Entlassung ist auch die am Ende des Textes gestellte Frage beantwortet.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Rene Havekost / 05.08.2015

Es ist schon eine Dreistigkeit, was sich Politiker aller Couleur mittlerweile in diesem Lande erlauben. Wir deutschen Trottel haben es aber nicht anders verdient, denn wir wählen diese Figuren sändig. AM kann sich keinen lang anhaltenden Skandal erlauben, deswegen, kurzen Prozess mit dem Mann. Wenn das so weiter geht, werde auch ich mich Parteien zuwenden, die zu wählen für mich in den 80ziger Jahren noch unmöglich erschien.

Sebastiaan Biehl / 05.08.2015

Sehr guter Artikel, Herr Steinhoeffel. Nun verstehe ich auch worum es hier geht. Aus dem Geschwurbel im Spiegel wird man nicht schlau. Die Piratenpartie mag als politische Kraft erledigt sine, aber sie sitzt bereits in den Koepfen der Jungspund-Generation wozu Herr Maas gehoert.

Matthias Strickling / 05.08.2015

Naiv wie ich war, habe ich einige Jahrzehnte geglaubt, hier in einem Rechtsstaat zu leben. Keine Korruption, Rechtsstaatlichkeit, Ordnung und Gesetz. Ich habe Unterschiede gemacht , zwischen einer Bananenrepublik und Deutschland. Alle halten sich an die Verfassung und an das Gesetz. Nachdem mit der ” Griechenlandrettung ” geltendes Recht auf Kosten der Steuerzahler seit Jahren immer stärker gebrochen wird , geschieht dies jetzt mit Herrn Range. Dieser hat nichts als seine Arbeit gemacht. Die betr. Blog-Journalisten sind sich noch nicht einmal der Schuld bewusst, ein Staatsgeheimnis öffentlich gemacht zu haben und bekommen seitens der “gesinnungsrichtigen ” Presse jede gewünschte Bühne

Klaus Ludeloff / 05.08.2015

Leider werden Sie mit Ihrem Beitrag nicht viel bewirken, denn Ihre Kolleginnen und Kollegen in den ideologisch korrekten Medien links-grüner Medien werden nicht müde werden, ihrer Empörung über die Ermittlungen gegen den Netzpolitik-Blog und gegen den nun entlassenen GBA vehement Ausdruck zu verleihen. Die wahren Täter in diesem Fall aber werden geschont, weil sie schlicht nicht ins ideologische Argumentationsmuster passen. Dabei stört es diese Herolde der links-grünen Gehirnwäsche nicht die Bohne, dass die Ermittlungen ohne vorherigen Konsens zwischen Innenministerium, Justizministerium und Kanzleramt überhaupt nicht in Gang gesetzt worden wären. Da nachzuhaken fehlt es aber an Mut und journalistischer Unabhängigkeit. Die Annahme, dass die landsmannschaftlichen Verbindungen zwischen Maass und dem (über)gewichtigen Kanzleramtsminister bei der Vertuschung der Affäre hilfreich gewesen sind, mag spekulativ sein; ganz abwegig ist sie gewiss nicht,  denn die Entfernung des nicht GroKo-parteikompatiblen GBA mit liberalem Parteibuch dürfte in beider Interesse gewesen sein.

Horst Jungsbluth / 05.08.2015

Die ganze Angelegenheit offenbart in all seinen Facetten einmal mehr, dass unser Rechtsstaat nicht funktionieren kann, wenn Ideologen und Interessenvertreter Gesetze nach ihren Gutdünken verdrehen oder umgehen und Abläufe in gewünschte Bahnen lenken wollen. Zur Sache selbst kann ich mangels derzeitiger Kenntnis nichts beitragen, aber es fällt immer wieder auf, dass die “Medien” sofort hysterisch das Ende der Pressedreiheit beklagen, wenn einer der ihren von der Justiz belangt wird, was viel zu selten passiert, wenn man nicht nur an die ellenlange Liste der Stasi-Einflussagenten, die Hitler-Tagebücher oder andere Ungeheuerlichkeiten denkt. Im konkreten Fall ist bisher lediglich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden und den Beschuldigten stehen im Gegensatz zu einem Normalbürger sehr viel mehr Möglichkeiten zur Verfügung, um sich zur Wehr zu setzen, wobei ich persönlich die manipulativen Schlagzeilen als eher peinlich empfinde. Warum der Generalbundesanwalt aus dem Verkehr gezogen wurde, bevor überhaupt die ganze Sache geklärt ist, beweist, dass der Justizminister ähnlich wie nach dem Drama in Bad Kleinen seine Kollegin von der FDP den Sinn seines Amtes nicht versteht.  In Berlin jedenfalls, wo ab 1989 eine (gleichgeschaltete) Justiz mit dem Antritt des SPD/AL-Senats mit gefälschten Vorschriften und unzutreffenden Gründen unter schlimmstem Missbrauch der Verwaltungsgesetze unbescholtene Bürger wie Verbrecher verfolgte, während sie letztere zum Entsetzen der Einwohner und zum Schaden der Stadt unbehelligt lässt, hat das bis zum heutigen Tag zu keinerlei Konsequenzen geführt. Es ist wohl das Gegenteil der Fall.

Manfred Haferburg / 05.08.2015

Respekt, Herr Steinhöfel. Ein ernstes Thema sachkundig UND unterhaltsam dargestellt, das kann nicht jeder. Ich habe über die Auslieferung an Ströbele wirklich laut lachen müssen. Und ja, unser armes Land ist wirklich zu einer Bananenrepublik verkommen. Das ist das Verdienst von einer Bundeskanzlerin, die per Telefonanruf eine ganze Branche enteignet, einer realitätsfernen kleptomanen Politikerkaste, die wieder besseres Wissen für die eigene Karriere im Bundestag einer gigantischen Insolvenzverschleppung zustimmt und auch so einem kleinen linken Licht wie Heiko Maas, dem außer des Aushebeln des Rechtstaates nur Volksbeschimpfungen einfallen. Die DDR 2.0 lässt grüßen. Und das linke Experiment in Deutschland wird genauso enden, wie es allen linken Gesellschafts-Experimenten ergeht: den Sozialisten wird das Geld der Anderen ausgehen.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Joachim Nikolaus Steinhöfel / 12.03.2024 / 16:00 / 16

Eberhard Wein fragt – Broder und Steinhöfel antworten

Eberhard Wein ist als Journalist bei der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten tätig. Hier ein kleiner Schriftwechsel mit ihm, der es wert ist, festgehalten…/ mehr

Joachim Nikolaus Steinhöfel / 07.03.2024 / 13:00 / 28

Broder zwingt Baden-Württemberg zur Antisemitismus-Bekämpfung

Henryk M. Broder verklagt Baden-Württemberg und zwingt das Bundesland zur Antisemitismusbekämpfung. Das Land hat sich verpflichtet, eine Spende von 5.000 Euro an den Verein Keren Hayesod…/ mehr

Joachim Nikolaus Steinhöfel / 05.02.2024 / 06:00 / 82

Broder siegt über Faeser

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg attestiert Verfassungsministerin Faeser einen Grundrechtseingriff zu Lasten von Henryk M. Broder. Das Innenministerium wurde mit gerichtlicher Hilfe gezwungen, diesen Rechtsbruch und die…/ mehr

Joachim Nikolaus Steinhöfel / 14.11.2023 / 12:07 / 55

Abmahnungen – Die dubiose Geschäftemacherei der Abgeordneten Strack-Zimmermann 

Es ist ohne Weiteres vorstellbar, dass Frau Strack-Zimmermann auf ihrem Abmahn-Feldzug, den sie auch über die deutschen Grenzen hinaus betreibt, mehr Geld einkassiert, als sie…/ mehr

Joachim Nikolaus Steinhöfel / 08.11.2023 / 13:00 / 15

Urteil rechtskräftig: Die Achse des Guten obsiegt gegen X (Twitter)

Das siegreiche Urteil, dass Achgut vor dem LG Karlsruhe gegen X (Twitter) erstritt, ist rechtskräftig. Eine Berufung wurde nicht eingelegt. Damit wurde gleichzeitig eine niederträchtige…/ mehr

Joachim Nikolaus Steinhöfel / 08.09.2023 / 16:33 / 43

Böhmermann, Schönbohm: Programm-Beschwerde an den ZDF-Fernsehrat 

Eine den ehemaligen Leiter des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik Arne Schönbohm desavouierende Böhmermann-Sendung ist immer noch beim ZDF aufrufbar, Persönlichkeitsrechtsverletzungen inklusive. Heute habe…/ mehr

Joachim Nikolaus Steinhöfel / 15.08.2023 / 13:00 / 14

Twitter, YouTube und „Die Achse des Guten“ vor Gericht

Der juristische Kampf gegen Löschungen auf Plattformen wie YouTube und Twitter ist oft langwierig, aber im Ergebnis auch immer erhellend. Hier ein Update zu den…/ mehr

Joachim Nikolaus Steinhöfel / 08.05.2023 / 12:00 / 44

Deutschlandfunk jetzt recherchebefreite Zone

Beim Deutschlandfunk wird ungeprüft als bare Münze dargestellt und berichtet und nachgeplappert, was irgendjemand irgendwo behauptet hat. Journalistische Standards: Null, nada, zero. Das gibt’s von dort…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com