Ulli Kulke / 22.11.2015 / 11:00 / 19 / Seite ausdrucken

Der neue Volkssport: AfD provozieren

Das ZDF findet es richtig, wenn die Parteianhänger “ein paar auf die Fresse” kriegen. Ist doch nur Satire.

Auch in Zeiten, in denen es um religiös begründete Gewalt geht, sollten wir aufpassen, dass wir die Kirche im Dorf lassen. Langsam schleicht sich eine Intoleranz in die Debatten im Land, die nicht mehr erträglich ist. Beim jüngsten Beispiel dafür steht leider eine Sendung im Zentrum, die ich einmal sehr schätzte: Die Heute-Show mit Oliver Welke im ZDF. Sie schürt ein gefährliches Feuer, fürchte ich. Und sie ist dabei auch nicht allein. Die Spaltung in der Bevölkerung sitzt tief. Und viele Medien arbeiten daran, den Spalt zu vertiefen.

Ich kann nur jedem empfehlen, die Sendung Heute-Show vom Freitag, 20. November in der Mediathek des Fernsehsenders anzuschauen und darin den letzten Beitrag, in dem Ralf Kabelka von der Heute-Show eine AfD-Demonstration in Berlin besucht und einige Teilnehmer interviewt. Anschließend sollte man dies mit dem vergleichen, was darüber in mehreren Zeitungen stand, zum Beispiel in der Welt, aber auch im Stern oder etwa in der Huffington Post. Die Kollegen haben offenbar eine andere Heute-Show gesehen als ich. Angeblich stand Kabelka kurz davor, verprügelt zu werden. Man urteile selbst. In den Links kann man auch andere Szenen verfolgen, die das ZDF schon vor Freitag ins Netz stellte, die sich – nach meiem Dafürhalten – davon allerdings wenig unterscheiden.

Was ist geschehen? 5000 AfD-Anhänger demonstrieren durch Berlin. Kabelka, im Clown-Kostüm verkleidet, begleitet den Aufzug, pflückt sich einzelne AfD-Demonstranten heraus, fragt sie, ob das hier ein Karneval-Umzug sei, man sei ja schließlich in der fünften Jahreszeit. Weiter provoziert er diesen und jenen unter dem Deckmäntelchen des Humors, mit zurechtgelegten Sprüchlein. Haha, war die Devise. Natürlich bekam er kaum schlagfertige Antworten, humorvolle auch nicht. Ernsthafte um so mehr, wütende, man wollte sich nicht auf seine Ebene einlassen. Es war schließlich auch niemand vorbereitet auf den Clown, woher auch? Grund für ihn – und die Kollegen –, den Demonstranten nicht nur mangelnden Humor vorzuwerfen, sondern auch die Unfähigkeit, zwischen Satire und politischer Anmache zu unterscheiden. Zwischen den Zeilen: Keine Intellektualität eben, Dumpfbackigkeit, war ja sowieso klar. „Lügenpresse“ schallen die Rufe im Hintergrund, was will man mehr.

Jemand pflückt Kabelka seine Clown-Perücke vom Kopf und will veschwinden, er hält diesen Mann am Hemdsärmel fest, zerrt daran, der wehrt sich, indem er Kabelka schubst. Nicht an einen Mast, wie es geschrieben steht, sondern an einem Mast vorbei. Sofort ist ein Ordner da, es eskaliert sowieso nicht weiter. Dann war da noch die Sache mit dem Mikrofon, das Kabelka – wie es bei der Heute Show üblich ist – reichlich distanzlos einem Demonstranten eher gegen als unter die Nase hält. Was der damit beantwortet, dass er das Mikro in Richtung Kabelkas Nase schickt. Und dann noch ein kleiner Rempler, der Kabelka von einem Vorübergehenden gespielt versehentlich verpasst wird, was der ZDF-Mann immerhin halb spaßig aufnimmt.

Fast verprügelt worden?

In dem Zusammenhang sind zwei Sätze schon bemerkenswert, die Kabelka laut und deutlich ins Mikrofon sagte, die aber in der Berichterstattung völlig untergingen (warum eigentlich?). Die Demonstration war – wie üblich – von mehreren Gegendemonstrationen begleitet worden. Darauf wies ihn ein AfDler hin, und rang dem Heute-Show-Mann auf Antrag doch tatsächlich diesen Satz, quasi als erbetenes Bekenntnis, ab: „Da hinten sind welche, die sind gewalttätig und intolerant, weil sie euch ein paar auf die Fresse hauen wollen“. Ohne Unterbrechung und ungebeten fügte Kabelka nun aber hinzu: „Und ich finde, die Jungs haben Recht“. Nachzuhören etwa bei Minute 34:40 im Heute-Show-Beitrag.

Diese Sätze fanden übrigens tosenden Beifall beim Publikum der Heute-Show. Das ist nicht nur bemerkenswert, das ist beängstigend. „Ein paar auf die Fresse“, jawoll. Selten so gelacht. Das ist Satire.

Auch darüber fielen den AfDlern keine schlagfertigen, lustigen Antworten ein und sie konnten darüber noch nicht mal lachen. Auch darüber nicht, dass Kabelka dann noch den Demonstranten mehrfach hintereinander laut und deutlich zurief: „Ich bedanke mich für Ihre Rundfunkbeiträge, vielen Dank für Ihre Rundfunkbeiträge, danke schön“. Immer wieder. Ist das Satire oder Provokation? Wie unintellektuell die doch sind, dass sie darüber nicht lachen konnten.

All das hat natürlich eine Vorgeschichte. „Die Heute-Show und die AfD verbindet eine Hassliebe – aber ohne Liebe“, bemerkte Olli Welke vor Kabelkas Beitrag zutreffend. Das kann man sich sehr gut vorstellen. Es wäre ja auch kein Wunder. Denn jedes Mal, wenn es um diese Partei geht, hört bei Welke die Satire auf und fängt die Propaganda an. Schade eigentlich, denn ich halte die Heute-Show über weite Strecken nach wie vor für sehr intelligent gemacht, intelligenter Humor. Aber in diesem Punkt versteht Welke einfach keinen Spaß, hat er noch nie verstanden, da wird es für ihn und sein Team bitterer Ernst, deshalb kann von den Betroffenen auch keiner darüber lachen. Und genau das scheint mir auch gewünscht. Denn wer nicht lacht, der ist dumpfbackig.

Warum merkt Welke nicht, dass Satire darin bestünde, wenn er die AfD oder auch Pegida einmal unter einem völlig anderen Blickwinkel betrachten würde. Seit wann besteht Satire oder Kabarett aus dumpfem Draufhauen? Wo bleibt da die Subtilität, von der solche Formate doch eigentlich leben? Es sind schiere, plumpe und wenig einfallsreiche Schimpfworte, mit denen Welke seine Moderation über AfD und Konsorten würzt. Von Idioten ist da die Rede, von Menschen, die eine kleine Männlichkeit haben, von humorlosem Pack und tausend anderen Suadas. Der Hass, zu dem Welke sich ja selbst ausdrücklich bekennt, ist selten ein guter Ratgeber in der Comedy. Das sollte er eigentlich wissen.

Man kann, soll und muss über die AfD denken, was man will. Es macht mir aber gehörige Angst, wie hier – nicht nur in der Heute-Show – mit einem Teil der Bevölkerung umgesprungen wird. Es geht dabei um mehr als die paar Prozentzahlen, die die Wahlumfragen ergeben, ich fürchte um erheblich mehr. Und so macht man noch mehr aus ihnen, das muss jedem klar sein. Wir leben nicht in einer eindimensionalen Gesellschaft, noch nicht, und gottlob nicht.

Die AfD ist noch weit weniger verboten als die NPD, und trotzdem gilt für große Teile der tonangebenden Schicht hierzulande: Keinen Fußbreit der AfD, auf jeden AfD-Demonstranten mindestens zwei Gegendemonstranten, AfD-Demos verhindern, Wahlkampf-Stände niederreißen. Draufhauen, oder gleich den AfD-Demonstranten „ein paar auf die Fresse hauen“, wie man im öffentlich-rechtlichen ZDF fordern darf – finanziert mit den Gebühren auch der AfD-Mitglieder. Komisch eigentlich, dass die darüber nicht lachen können. Die „Welt“ vermutet, der “durchschnittliche AfD-Demonstrant sei nicht in der Lage, Information und Satire auseinanderzuhalten”. Ob es daran liegt?

Was verspricht man sich eigentlich davon, bei diesen Menschen nichts als Wut, ja Hass zu erzeugen und zu schüren? Was soll das bringen, außer die Stimmung im Land gehörig eskalieren zu lassen? Sieht man nur noch die Freunde diesseits der Barrikaden, unter denen man sich profilieren kann in seinem Hass auf die Anderen? Wer ist hier eigentlich tolerant und wer intolerant?

Ich habe das dumpfe(sic!) Gefühl, dass wir alle gehörig aufpassen müssen. Gewalt droht von allen Seiten. Übrigens können Medien auch Gewalt ausüben, es ist nicht nur im übertragenen Sinn zu verstehen, wenn sie als vierte Gewalt bezeichnet werden. Sie sollten sich dessen bewusst sein. Auch das gewaltmächtige ZDF und auch Satiresendungen und solche, die es einmal waren.

Siehe auch Ulli Kulkes Blog Donner + Doria

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Jürgen Hünefeld / 24.11.2015

Ich habe meinen Fernseher seit 10 Jahren verschrottet. In der so entstandenen wunderbaren Freizeit die mir jetzt zur Verfügung steht lese ich Bücher, beschäftige mich mit Alternativen zum Zwangswachstum der Wirtschaft und zu Kriegen, mit Alternativen zu Flüchtlingsströmen und mit “Ein Prozent für unser Land”. Ohne ZDF und ARD sitze ich in der ersten Reihe!!!!

Karl Mallinger / 24.11.2015

Das Problem ist, dass in Deutschland ALLES(!), was irgendwie “rechts von der CDU/CSU” ist als “Nazi” angesehen werden muss - und dementsprechend “niedergemacht” werden muss. Mit Parteien links von der SPD hat man hingegen kein Problem, noch nicht einmal mit der SED-Nachfolgepartei “Die Linke”.

Tom Pachner / 23.11.2015

Zugegeben, der Auftritt von Kabelka war weder lustig noch tiefschürfend. Wenn dies hier aber wieder zum Rundumschlag gegen Regierung und Medien benutzt wird, immer wieder mit den gleichen Wortlauten: Das Boot ist voll, Regierung muss weg, wir sind die Freidenker, die Kästners, die andern sind alle manipuliert! Ja, wenn gar der Genozid in Ruanda zum Vergleiche aufgeführt wird… ja dann war das Clownskostüm vielleicht doch nicht so abwegig! Meinungsfreiheit bedeutet auch Kritik ertragen zu können und das können nach meinem Eindruck weder Pegida noch AfD.

Olaf Rose / 23.11.2015

Wir werden alle gezwungen, mit der Zwangsgebühr jedes noch so flache Format zu alimentieren. Mein Fernseher steht seit Jahren ungenutzt herum. Und damit geht es mir besser denn je! Es gibt immer noch Bücher, DVDs und eine Fülle wirklich guter Internetseiten. Mir fehlt es an nichts. Nach dem, was ich hier lese, erinnert mich Kabelka an einen ehemaligen Mitschüler: hinterlistig und brutal gegenüber Schwächeren, von geradezu hündischer Unterwürfigkeit gegenüber Stärkeren. Ein “Comedian” und “Satiriker”, der immer mit dem Strom schwimmt. Ich danke.

Dr. Christian Rother / 23.11.2015

Da bringt Kabelka - und das ist das Interessante - ausnahmsweise mal ganz spontan einen Spruch, den er vorher nicht auswendig gelernt hat, und schon geht es richtig in die Hose. Nicht dass sein Auftritt vorher irgendwie geistreich gewesen wäre. Mit Satire hatte das Ganze in der Tat von Anfang an nichts zu tun. Am Ende hat er seinen Anspruch, irgendwie lustig zu sein, nur völlig aufgegeben, und als er dann auch noch sein komisches Gehabe abgelegt hat - da kam es dann, ganz authentisch und unverfälscht heraus: Das Niveau der Antifa.

Siegfried Müller / 23.11.2015

Die gegenwärtige politische Entwicklung (Flüchtlinge, Griechenland, Euro,untragbare Regierung in Berlin ect.), der man als Einzelner ohnmächtig gegenüber steht und die Sorge um die Zukunft meiner Kinder lässt nur eine Alternative offen. Ich werde mich um eine Mitgliedschaft in der AfD bemühen.

Werner Weil / 23.11.2015

Dass die Bürger diese linke Hetze auch noch finanzieren müssen, ist ein Zynismus, der an “Jedem das Seine” erinnert.

Gudrun Eckbrett / 23.11.2015

Es ist wirklich beschämend, welche absurden Formen die Diffamierungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angenommen haben…statt sachlicher Berichterstattung- unabhängig und überparteilich - , worauf die Bürger angesichts der Rundfunkzwangsabgabe wenigstens ein Recht hätten, nur solch ein Schwachsinn. Früher hatte Satire einmal etwas mit Hirn zu tun…ich persönlich bin sehr froh über den Aufschung der AfD als einziger oppositioneller Kraft in diesem Lande…wo Meinungsfreiheit und Toleranz nicht mehr für Linke und Grüne gilt.

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