Die Bundestagswahl naht, und hinter den Kulissen von Berlin werden neue Messer gewetzt, die keiner sehen soll. In der SPD bereitet sich ein Triumvirat für das große Morgengrauen nach der Wahl am 27. September vor. Da die Partei einfach nicht aus dem Umfragetief kommt und keiner sich ernsthaft eine SPD-Kanzlerschaft vorstellen kann, plant man insgeheim bereits die Zeit nach Steinmeier, Müntefering und Struck. Ein Nachfolge-Triumvirat formiert sich: Andrea Nahles, Sigmar Gabriel und Klaus Wowereit bringen sich in Stellung…
„Die Schröderianer haben ihren letzten Auftritt“, raunt es aus dem Umfeld der drei. Richtig traurig ist man darüber nicht. Denn immer mehr in der SPD halten selbst den bestmöglichen Ausgang der Wahl – man rettet sich noch einmal in eine Große Koalition – nicht mehr für wünschenswert. Vor allem der linke Parteiflügel hat den Beck-muss-weg-Putsch der Schröderianer vom Sommer nicht vergessen und wartet auf den Tag der Abrechnung. Das jahrelange Leiden an der Schröder-Agenda-Politik hat dort so viel Frustration angestaut, dass man sich nach einem Generationenwechsel sehnt. „Nur mit neuem Führungspersonal und einem Richtungswechsel können wir die Linkspartei wieder zurückdrängen“, sagen sie und melden Erfolge bei der Aufstellung der Mandatslisten für die Wahl. Überall werden Schröderianer auf hintere Listenplätze abgedrängt. Steinmeier kann das nicht mehr verhindern. Sein Einfluss in der Partei ist so groß wie der einer Schmusekatze im Raubtiergehege.
Sowohl Wowereit als auch Nahles gelten im sozialdemokratischen Erbfolgekrieg als größte Hoffnungsträger des linken Parteiflügels. Beide aber müssen nach einer breiteren Akzeptanz in Fraktion und Partei suchen und üben daher seit Wochen warmherzige und staatsmännische Posen – vom Dirndl der einen bis zur Israelreise des anderen.
Klaus Wowereit ist vor allem darauf bedacht, seinen Malus als launiger Partylöwe loszuwerden, und sucht jede Profilierungschance in Sachen Seriosität. Er holt sich deswegen sogar einen parteilosen Unternehmer als Finanzsenator in die Stadt und brüskiert die linke Hälfte seines örtlichen Parteiapparates.
Andrea Nahles wiederum muss das Image der parteilichen Spalterin überwinden und simuliert daher die Versteherin als habe sie ein Call-Center-Seminar „Was kann ich für sie tun?“ besucht. Vor allem demonstriert sie eine lächelnde Loyalität gegenüber Steinmeier und Müntefering, die die Grenzen der Selbstverleugnung immer wieder streift.
Sigmar Gabriel hat zwar den Vorteil des Exekutiven. Der Ministerbonus soll ihm die Machtaura stärken, die ihn zum Fraktionschef nach der Wahl machen könnte. Sein Nachteil ist freilich, dass er unbeliebter Solitär geblieben ist und wie eine Mischung aus Rambo und Lothar Matthäus der deutschen Politik daherkommt. Er ist längst nicht so sympathisch wie Klaus Wowereit und in der Fraktion nicht so vernetzt wie Andrea Nahles.
Alle drei wissen aber, dass sie ab sofort miteinander im Wettstreit um das Erbe der SPD-Macht stehen. Daher findet hinter dem offiziellen Bundestagswahlkampf ein zweiter, inoffizieller, sozialdemokratischer Wahlkampf statt. Das ist auch der Grund, warum Münteferings und Steinmeiers Versuche, die angeschlagene Partei endlich zu mobilisieren, ständig im Treibsand der Selbstzweifel stecken bleiben. In Wahrheit schieben die mächtigen, morgigen Figuren der SPD das Wahlkampfgefährt gar nicht mit an. Der Kanzlerkandidat wirkt einsam und fremd im eigenen Haus. Sie lassen ihn, den einst getreuen Eckart Gerhard Schröders, gezielt und gerne verlieren. Sein Termin ist der 27. September. Ihrer liegt einen Tag danach.