Henryk M. Broder / 14.04.2017 / 16:00 / Foto: Roger Price / 12 / Seite ausdrucken

Der Mut der spätgeborenen Antifaschisten

Am 10. Mai dieses Jahres jährt sich zum 84. Mal der Tag der „Bücherverbrennung“ vom Mai 1933;  im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ wurden auf öffentlichen Plätzen in Berlin und 21 weiteren deutschen Universitätsstädten die Bücher von Autoren verbrannt, die nach Ansicht der Nazis ihr Vaterland verraten hatten: Henrich Heine, Bertold Brecht, Erich Maria Remarque, Arnold Zweig, Heinrich Mann, Joseph Roth und viele andere.

An diesem Tag finden jedes Jahr in Schulen, Theatern und Literaturhäusern Lesungen aus den Werken der „verbrannten Dichter“ statt. Dagegen gäbe es im Prinzip wenig zu sagen, wenn das Ritual mittlerweile nicht im Sumpf der „Erinnerungskultur“ angekommen wäre.

Vor kurzem bekam ich eine Einladung, mich an einer Aktion zu beteiligen, die ein Berliner Galerist initiiert hatte. „Nachbarn lesen für Nachbarn, Freunde lesen für Freunde. Zeigen wir Mut!“

Die Aufforderung, Mut zu zeigen und Freunden und Nachbarn aus den Werken von „Autorinnen und Autoren“ vorzulesen, die „ins Exil verjagt, verfolgt und ermordet“ wurden, wurde mit der politischen Großwetterlage „in unserer Umgebung“ begründet. „Rechte ‚Christen’ wie (der) Trump-Berater Stephen Bannon, israelische Fundamentalisten, islamische Hassprediger, Vertreter des ‚Völkischen‘ wie Björn Höcke vom rechtsradikalen Flügel der AfD“ hätten „eines gemein: sie missachten die Freiheit der Kunst“.  

Es ist in der Tat sehr mutig, „israelische Fundamentalisten“ mit „islamischen Hasspredigern“ in einem Atemzug zu nennen, denn kaum etwas macht den Bundesbürgern mehr zu schaffen als die Umtriebe der israelischen Fundamentalisten, vor allem im Bereich von Kunst und Kultur. Meine deutschen Mitbürger leiden darunter mehr als die Palästinenser unter der israelischen Besatzung.

Es gibt für diese Art von Phantomschmerz eine einfache Erklärung. Je länger das Dritte Reich zurückliegt, desto verzweifelter versuchen die Nachkriegsdeutschen, den Widerstand nachzuholen, den ihre Eltern und Großeltern zu leisten vergessen haben. Die „Antifa“ hat mehr Zulauf als je zuvor. Es ist so einfach, sich als „Antifaschist“ und Widerständler zu qualifizieren: Man muss seinen Freunden und Nachbarn nur ein Gedicht von Bert Brecht vorlesen. Das ist Mut in seiner edelsten Form.

Zuerst erschienen in der Züricher Weltwoche

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Leserpost

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Werner Arning / 15.04.2017

Der Antifa würde etwas Selbstreflektion nicht schaden. Sie sollte sich fragen, ob sie nicht die “Falschen” bekämpft und sich nicht von den “Falschen” instrumentalisieren lässt. Ihre Aktivisten sehen sich in der Tradition antifaschistischer Widerstandskämpfer, doch gebärden sie sich derzeit eher als nützliche Idioten, die ihre Zerstörungswut ausleben und ihren Agressionsstau abzubauen versuchen. Nicht mutiger Widerstand, sondern angepasste Ausführung stillschweigend seitens der Macht tolerierter Methoden, scheint ihren Handlungen zugrunde zu liegen.

Wolfgang Richter / 14.04.2017

Geht heute Co2 und Umwelt konform. Es wird entsprechend maas - scher Vorgaben einfach gelöscht, was möglicherweise Kritik oder unerwünschtes Denken sein könnte. So wiederholt sich alles. Nur Mittel und Methoden wandeln sich der Zeit entsprechend. Und der Souverän weigert sich in weiten Teilen, dies zu erkennen, denn Proteste - Fehlanzeige. Und die kommenden Wahlen werden die aktuell politisch regelnden selbst ernannten Eliten im Land des betreuten Denkens vermutlich bestätigen.

Jürgen Dannenberg / 14.04.2017

Zitat:; Das ist Mut in seiner edelsten Form. In der Tat, ansonsten nimmt es die SPD nicht so genau mit der Freiheit des Individuums.,siehe nur die Gesinnungsüberwachung Es gibt dafür die kollektive SPD Freiheit. Wir sollten uns ganz warm anziehen wenn R2G kommt. Die werden die Demokratie schon aufräumen.

Gerd Kistner / 14.04.2017

Nachdem Christoph Schlingensief angekündigt hatte, Bücher von Martin Walser verbrennen zu wollen, habe ich mich darum bemüht, diese antifaschistische Heldentat zu verhindern. Keiner war zuständig, niemand wollte helfen. Nur Ralph Giordano war ebenso empört wie ich und hat sofort Unterstützung zugesagt. Vermutlich haben wir es ihm zu verdanken, daß Deutschland eine weitere Schande erspart blieb. Wann sie schreiten Seit an Seit und die 68-er Lieder singen….Wer aber Politiker duldet, die die Antifa hätscheln und zeichensetzende Flaggengesichter , die mit von der Staatsmacht gesponserten Bussen zu Tausenden zu ihren mutigen Aktionen gekarrt werden, zu Helden hochstilisieren, hat es nicht besser verdient.Wer sich der Mehrheit , die uns noch lange erhalten bleiben wird, nicht beugen will, dem bleibt nur noch die Emigration- vorerst reicht noch die nach innen.

p weinheimer / 14.04.2017

lieber herr broder, wenn es sie nicht gaebe… deutschland prostituiert sich, und versucht durch den import von antidemokraten und antisemiten das verbrechen des dritten reiches zu kompensieren wohin die reise geht, sehe ich jeden tag in bruessel..soldaten mit mps vor synagogen und oeffentlichen gebaeuden… israel wurde immer wieder kritisiert wegen der terrorbekaempfung..heute haben wir das gleiche problem ps ich habe nie verstanden, dass die im durch die arabischen staaten provozierten krieg eroberte westbank nicht israelich sein soll -  dann gilt das gleiche fuer koenigsberg..

Dieter Scheidt / 14.04.2017

Unsere heutigen Antifaschisten sind wahrhaft großartige Helden, und so unerschrocken: Mitten im demokratischen Rechtsstaat verwüsten sie Büros, schlagen Fenster ein, stechen entschlossen in Autoreifen oder machen aus ihnen ein Leuchtfeuer ihrer Botschaft.  Freiheitskämpfer eben. Auch für Toleranz natürlich. Anknüpfend an die Kohl’sche Formulierung von der “Gnade der späten Geburt” hat der frühere OB von Stuttgart, Manfred Rommel, von der “Tragödie der späten Geburt” gesprochen: “... , denn wie dringend hätten wir Deutsche die klugen Leute, die wir heute haben, früher gebraucht”, also so zwischen 1933 und 1945. Schade.

Dr. Roland Mock / 14.04.2017

Verehrter Herr Broder, Sie haben ja mit so ziemlich allem recht, was Sie schreiben. Auch mit diesem Beitrag. Ist jedenfalls meine persönliche Meinung. Und das ist auch der Grund, weshalb ich zum Leser (und Paten)  dieses Forums geworden bin. Aber was soll es,  von   “d e n” Nachkriegsdeutschen, die versuchen, “Widerstand gegen (das dritte Reich) nachzuholen” zu sprechen? Weder muß ich Widerstand gegen ein System, welches zum Zeitpunkt meiner Geburt längst zusammengebrochen war, “nachholen”. Noch habe ich mit dieser saudämlichen, krawalligen “Antifa” jemals etwas zu tun gehabt. Nein, stimmt nicht ganz. Ich bin in Hamburg vor drei Jahren formidabel und vor der versammelten Medienmeute mit deren ebenso dämlichen - und nebenbei auch ebenfalls latent antisemitischen-geistigen Schwester “occupy Wallstreet” aneinandergeraten. Mit Verleumdung im Netz, Vermummten vor meinem Büro und allerlei mehr. Also: Seien Sie doch bitte so nett und nehmen Sie mich bitte nie wieder in Sippenhaft für die Dumm- und Feigheiten anderer, nur weil ich zufällig im Nachkriegsdeutschland geboren wurde.

Elmar Schlürscheid / 14.04.2017

Die sich heute ganz mutig als Antifaschisten bezeichnen hätten damals, genau so wie heute, einfach nur den Mund gehalten und am Ende gesagt:” Das haben wir nicht gewusst.” Geschichte wiederholt sich.

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