Michael Miersch / 27.03.2014 / 08:14 / 1 / Seite ausdrucken

Der Mann, der Millionen Menschenleben rettete

Der Agrarwissenschaftler Norman Borlaug währe am 25 März 100 Jahre alt geworden. Seine Grüne Revolution brachte den Durchbruch im Kampf gegen den Hunger

Wer Millionen Menschen umbringen lässt, geht in die Geschichte ein. Hitler und Stalin kennt jedes Schulkind. Doch über einen Mann, der Millionen Leben rettete, steht in den meisten Schulbüchern kein Wort. Norman Borlaug, der im Jahr 2009 starb, ist bis heute nur Agrarfachleuten ein Begriff. Sehr zu Unrecht. “Er war der größte Mensch, der je gelebt hat”, sagte der amerikanische Komiker Penn Jillette - und das ist kein Witz.

Borlaug galt als der Vater der Grünen Revolution, die heute ebenfalls fast vergessen ist. Der Begriff stammt aus einer Zeit, als Grün noch für Landwirtschaft stand und nicht für eine politische Richtung. Als Grüne Revolution wurden in den 60er- und 70er-Jahren die bahnbrechenden Erfolge der Agrarwissenschaft bezeichnet, die dazu führten, dass es immer weniger Hungersnöte auf der Welt gab und bald darauf genug Getreide für die gesamte Menschheit geerntet wurde. Ein Erfolg, der bis heute trotz des rasanten Bevölkerungswachstums anhält. Denn, darin sind sich alle Experten einig, die Ursache der Hungerkatastrophen neuerer Zeit liegt nicht in mangelnder Nahrung. Sie sind - wie in der sudanesischen Provinz Darfur - politische Desaster, ausgelöst durch Kriege oder diktatorische Regimes, die unliebsame Bevölkerungsgruppen gezielt aushungern wollen.

Das war vor Borlaugs Grüner Revolution ganz anders. Viele glaubten damals, dass der britische Pfarrer Thomas Malthus mit seinem “Essay on the Principle of Population” recht behalten hatte. Darin vertrat er die These, dass die Bevölkerung auf ewig schneller anwachse, als die Nahrungsmittelproduktion gesteigert werden kann. Hunger ist Schicksal. Große Hungersnöte mit Zehntausenden von Toten, die alle paar Jahre Indien und China heimsuchten, schienen Malthus zu bestätigen.

Dann kamen Borlaug und seine Pflanzenzuchtexperten, die für das “Kooperative Programm für Weizenforschung und Produktion” in Mexiko bessere Weizen-, Mais- und Bohnensorten entwickelten. Der größte Durchbruch gelang ihnen mit dem sogenannten Mexiko-Weizen, dem sie ein Gen für Zwergwuchs anzüchteten. Seine Halme blieben kurz, dafür waren die Ähren stärker. In Indien konnten damit die Erträge in zehn Jahren auf fast das Dreifache gesteigert werden. Innerhalb von vier Jahren erzeugte Mexiko genügend Weizen für seine Bevölkerung und war nicht mehr auf Importe angewiesen. China entwickelte mit Borlaugs Zuchtmethoden bessere Reissorten, die schon bald nahezu die Hälfte der Menschheit ernährten. Auch in anderen Ländern Asiens und Lateinamerikas griffen die Bauern zu den neuen, ertragreicheren Sorten. Malthus’ Anhänger hielten das für unmöglich. Paul Ehrlich, der den Weltbestseller “Die Bevölkerungsbombe” geschrieben hatte, sagte zu Borlaug: “Sie werden keinen bedeutenden Einfluss auf die Produktion der Nahrungsmittel haben.” Doch es kam anders. Das malthussche Gesetz wurde widerlegt.

Borlaug war auf einer kleinen Farm in Iowa aufgewachsen. Nur weil er ein guter Ringer war und dadurch als Sportler gefragt, erhielt er ein Stipendium und konnte Pflanzenpathologie studieren. Nach einer Zwischenstation im staatlichen Forstdienst lehrte er als Dozent an der Universität von Iowa. Sein großes Lebenswerk begann, als er zu der Forschungsgruppe in Mexiko stieß, die von der Rockefeller-Stiftung gefördert wurde. Dort entwickelte er im Team die neuen Sorten, die in den 60er- und 70er-Jahren die Landwirtschaft weltweit revolutionierten.

Nur in manchen Ländern des afrikanischen Kontinents blieben viele Bauern von den Fortschritten der Pflanzenzucht ausgeschlossen. Kleine Selbstversorger in abgelegenen Gebieten konnten sich das bessere Saatgut nicht leisten oder wussten nicht einmal, dass es so etwas gibt. Deshalb konzentrierte sich Borlaug seit den 80er-Jahren auf Afrika. Mit dem Geld des japanischen Philanthropen Ryoichi Sasakawa reiste er immer wieder in die Länder südlich der Sahara, um die Grüne Revolution auch dorthin zu tragen. “Wir müssen in randständige ländliche Gegenden investieren”, sagte er in einem Interview der WELT. “Besonders dringend werden Straßen, Wassermanagement und Agrarforschung benötigt. Wir brauchen Regierungen, insbesondere in Afrika, die bereit sind, wenigstens zehn Prozent ihres Haushaltes in die Entwicklung ländlicher Räume zu investieren. Wir brauchen OECD-Länder, die wenigstens 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe ausgeben. Und wir brauchen in den Entwicklungsländern Politiker und Staatsbeamte, die ihrer Bevölkerung rechenschaftspflichtig sind für das Geld, das ihnen anvertraut wurde.”

Sein zweites großes Anliegen war in den späteren Jahren die Grüne Gentechnik, von der er sich eine zweite Grüne Revolution versprach. Damit auch die etwa neun Milliarden Menschen, die im Jahr 2050 auf der Erde leben werden, genügend zu essen haben.

In der Fachwelt war er ein Star und wurde mit Preisen wissenschaftlicher Institute und Ehrendoktortiteln überhäuft. 2007 erhielt er die höchste Auszeichnung der Vereinigten Staaten, die goldene Ehrenmedaille des Kongresses. Als 1970 die Früchte der Grünen Revolution sichtbar wurden, wurde ihm der Friedensnobelpreis verliehen. “Mehr als jede andere Person unserer Zeit”, schrieb damals die Jury in ihrer Begründung, habe Borlaug dazu beigetragen, “eine hungrige Welt mit Brot zu versorgen.”

 

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Frank Holbers / 27.03.2014

Dann sollten Sie aber auch Justus Liebig erwähnen. Durch seine Erfindung und Einführung des Kunstdüngers ist sein Verdienst bezüglich der Ernährungssicherung sogar noch weitaus größer! Auch die Erfindung des Fleischextrakts geht auf ihn zurück.

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