Henryk M. Broder / 15.08.2013 / 00:23 / 4 / Seite ausdrucken

Der lange Weg “vom Juden zum Menschen”

Im März und im September des Jahres 2011 gastierte Gilad Atzmon mit seiner “I am the good Jew!”-Road Show in Freiburg. Beide Auftritte wurden aufgezeichnet und sind im Netz zu sehen, hier und hier. Atzmons claim to fame ist sein Juden- und Israelhass. er spricht das aus, was Antisemiten ins Unreine denken. Er ist nicht der einzige jüdische Selbsthasser, der einen solchen Service anbietet. Aber die Nachfrage nach Alibi-Juden ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. In den 80er Jahren hatte Erich Fried die Bühne praktisch für sich allein, als er Michael Kühnen im Knast besuchte, um dem Neonazi hinterher zu bestätigen, er sei eigentlich ein guter Kerl. “Kühnen (ist) ein armer Hund, der jetzt wieder eingesperrt wird, und der überhaupt keine Chance hat, an die Macht zu kommen.”

Das trifft auch für Horst Mahler zu, der einen längeren Aufenthalt in einer JVA des Landes Brandenburg dazu genutzt hat, ein Buch zu schreiben. Es heisst Das Ende der Wanderschaft und ist eine mehr als 200 Seiten lange Hommage an - Gilad Atzmon, der, so Mahler, den Weg vom Juden zum Menschen gegangen ist. Während Fried den Neonazi Kühnen rehabilitiert hat, rehabilitiert Mahler den jüdischen Antisemiten Atzmon. Der, schreibt Mahler im Vorwort, geht der Frage nach, was denn das Wesen des Judentums und ob dieses der Grund der Feindschaft gegen Juden sei. Atzmon erkennt als Jude den Juden von „innen heraus“ und spricht es aus: Die Judenheit ist die Verleiblichung einer „bösenGottheit“ („evil deity“).

Ja, das könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden, wenn Mahler nicht noch eine Weile brummen müsste. Aber irgendwann werden wir dieses Paar, das den absoluten Höhepunkt der deutsch-jüdischen Symbiose repräsentiert, bestimmt gemeinsam erleben. Wenn nicht im Dschungelcamp, dann vielleicht bei einer Palästina-Konferenz im Cafe Palestine der in Freiburg weltberühmten Gabi Weber. Unterstützt von der Kulturabteilung der iranischen Botschaft im Interesse historischer Gerechtigkeit.

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Leserpost

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Judith Hirsch / 15.08.2013

Und als absolut unparteiischer Moderator dieser bezaubernden Zusammenkunft sollte Jakob Augstein gewonnen werden. Antisemitismus bzw. in diesen Fällen brennender Judenhass ist leider nicht strafbar. Man sollte Mahler, Atzmon, Aukopp Jagdschein und Co. als Wortführer einer neuen- judenfreien- Zeit ansehen, nach der sie sich ganz offensichtlich sehnen.

Karl Krähling / 15.08.2013

Nach der „Judenemancipation“ verließen Juden ihre Ghettos und assimilierten sich zunehmend - zum Leidwesen anderer Juden wie auch einiger stammesbewusster Gojim in ihren „Gast-, bzw. Heimatländern“. Ein Teil der Juden, die eine Assimilation streng ablehnten, wurde zu eifrigen Unterstützern eines eigenen „Judenstaates“, der bekanntlich nicht nur ein sicherer „Zufluchtsort“ für verfolgte Juden darstellen sollte. Dass die weit überwiegende Mehrheit der europäischen Juden trotz der Pogrome in Osteuropa, den Anfeindungen in Deutschland („Berliner Antisemitismusstreit“) oder Frankreich („Dreyfus-Affäre“) einen eigenen Judenstaat ablehnte zeigt u.a. die Verlegung des 1. Zionistenkongresses von München nach Basel. Nachdem Hitler 1933 Juden wieder zu Juden machte (vergl. Alfred Grosser, 1969), änderte sich die Einstellung der Mehrheit der Juden nach 1945 grundlegend. Wenn auch ein staatlich organisierter Antisemitismus seit 1945 in Europa nicht mehr besteht, scheint die Angst vor Assimilation aber weiterzubestehen, wie wohl nicht nur Nathan Sharansky („Die Assimilation isst das jüdische Volk auf“, 2009) befürchtet. Wenn ich Gilad Atzmon und andere „selbsthassende Juden“ richtig verstehe, so möchten diese ihre Identität nicht durch Narrative hergeleitet wissen, bei denen zentralen Themen einem kritischen Diskurs im Sinne des „sapere aude“ öffentlich aus unterschiedlichen Gründen nicht zugänglich sind. Auch verstehe ich deren Anmerkungen zu Israel in der Weise, dass sie sehr kritisch mit dem Begriff „Antisemitismus“ wie auch mit verbreiteten Rechtfertigungen israelischer Politiker oder Siedler umgehen. Ob Karl Marx nun auch zur Gruppe „selbsthassender Juden“ gerechnet wird, würde mich interessieren. Dass er kein Antisemit war, hat der in Mecklenburg-Vorpommern bekannte Philosoph Mathias Brodkorb in 2010 ja dankenswerterweise nachgewiesen, obwohl Marx in dem zu Grunde liegenden Text „Zur Judenfrage, 1843“ nicht sehr respektvoll über das Judentum sprach.

Michael Geier / 15.08.2013

Allerdings müsste diese Aktion auch noch durch einen “glaubhaften Ölzweig” besiegelt werden. Wie wär’s mit unserer “High-Five-Claudia”?

Sebastian Klee / 15.08.2013

Ich kann mich ja auch irren - man kommt bei diesen Ideologien auch einfach kaum hinterher - aber ist das nicht ein eklatanter Verstoß gegen die eigene Ideologie, wenn Mahler einem Juden überhaupt das Menschsein zubilligt? Schließlich ist Atzmon ja ein Jude. Ein judenhassender Jude zwar, aber doch ein Jude. Ich bin schon gespannt wie ein Flitzebogen, ob Mahler nach seiner Entlassung in öffentlich-rechtlichen Talkshows als “gemäßigter Antisemit” gastieren darf. Schließlich ist in Deutschland alles erlaubt, wenn es denn bloß “gemäßigt” ist.

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