Karl Pfeifer / 13.06.2007 / 20:52 / 0 / Seite ausdrucken

Der Jud’ ist schuld

Am 12. Juni hielt Tony Judt vor dem sozialdemokratischen Wiener Kreisky-Forum einen Vortrag über „Is Israel (still) good for Jews“ und am 13. Juni erhielt er in der diplomatischen Akademie den Bruno Kreisky Preis. Judt macht Israel verantwortlich für Antisemitismus in Europa, was den Widerspruch von Mag. Raimund Fastenbauer, dem Amtsdirektor der jüdischen Gemeinde Wien ausgelöst hat.

Aus dem Leserbrief des Linzer Psychologen Dr. August Thalhammer im Standard vom 11.6.07 habe ich eine „erschütternde“ Nachricht über die jüdische Gemeinde Wien gelesen, der ich seit langem angehöre: „Kürzlich sagte ein prominenter österreichischer Jude zu mir: „Ich habe eine Menge Kritik an der israelischen Politik. Aber ich würde es nie in der Öffentlichkeit sagen.“

Für Dr. Thalheimer liegt es als „systematisch analysierenden Menschen auf der Hand“, dass das Schweigen der österreichischen Juden „zu den abscheulichsten Grausamkeiten Israels den Antisemitismus fördert“.

Da wir ja in einem Land leben dessen politische Parteien mit Begeisterung einem Geschäft der ÖMV mit dem Iran zugestimmt haben, einem Land in dem man ausgepeitscht, gefoltert und hingerichtet werden kann, wenn man ein Sozialist, ein Kommunist, ein Gewerkschaftsfunktionär, eine Aktivistin für Frauenrechte, ein oppositioneller Student, ein Atheist oder einer ist, der zu einer anderen Religion konvertierte und nicht mehr Muslim sein will. Seit dem die Ayatollahs herrschen, wurden viele Tausende politische Opponenten des Regimes hingerichtet. Im Iran werden Menschen wegen Homosexualität gehängt und Männer und Frauen wegen „verbotenem“ Geschlechtsverkehr gesteinigt.

All das bewegt die österreichische Gesellschaft nicht, denn es geht ja um Gaslieferungen, um Energie und da hört bekanntlich die Moral auf.

In Österreich sind sich nicht nur Linksextremisten, Rechtsextremisten und Islamisten einig, wer wirklich Grausamkeiten im Nahen Osten begeht, sondern auch Leute, die durchaus zur Mitte der Gesellschaft gehören. Denn quod licet mundus non licet Judaeus, Juden dürfen sich nicht verteidigen gegen Terror, Juden müssen sich abschlachten lassen, auch wenn Dr. Thalheimer beteuert „dass sich Israel wie jeder andere Staat verteidigen können soll.“

Dr. Thalheimer beklagt auch eine „Antisemitismuskeule“, mit der hier angeblich ausgerechnet von den paar Tausend Juden, die da leben, jede Kritik am Staat Israel abgewürgt wird. Die Behauptung, dass Juden selbst schuld am Antisemitismus seien und sie eine Sonderstellung in Österreich für sich beanspruchen, ist Teil eines alten antisemitischen Klischees und wenn Dr. Thalheimer einen Juden, noch dazu einen prominenten zitiert, dann ist das der klassische jüdische Freund, auf den sich seit 1945 jeder österreichische Antisemit beruft. Natürlich gilt für Dr. Thalheimer die Unschuldsvermutung und ich unterstelle ihm keineswegs ein Antisemit zu sein. Doch sein Leserbrief beinhaltet einige der klassischen antisemitischen Stereotypen.

Und nun zum „Nahostexperten“ John Bunzl. Wie konnte Mag. Raimund Fastenbauer Kritik üben an „Tony Judt, einem der führenden Intellektuellen der USA?“

Es scheint schon Majestätsbeleidigung zu sein, wenn jemand, der den Kreiskypreis erhalten und ein paar Bücher geschrieben hat, kritisiert wird. Doch Tony Judt, der einer von fast 200.000 Universitätslehrern in den USA ist, erregte erst öffentliches Aufsehen, als er vor ein paar Jahren begann, Israel mit Vorwürfen zu überhäufen. Dr. Bunzl will uns weismachen, dass dies lediglich aus moralischen Motiven erfolgte. Doch es hat auch den angenehmen „Nebeneffekt“, in den prestigereichen amerikanischen Zeitungen und Zeitschriften breiten Raum gewidmet zu bekommen, so dass Dr. Bunzl glaubt ihn schon deswegen bestätigen zu müssen ein „führender Intellektueller“ zu sein.

In Frankreich hat der islamistische Denker Tariq Ramadan bekannten französischen Intellektuellen „jüdischen Kommunitarismus“ also Stammesdenken vorgeworfen. Abgesehen davon, dass wenigstens einer der von ihm Angegriffenen kein Jude war, haben sowohl Le Monde als auch Libération diesen Text abgelehnt. Dr. Bunzl wirft Mag. Fastenbauer tatsächlich „Stammesdenken“ sowie „Unwissenheit, Verleumdung und Unverschämtheit“ vor.

Nie würde im Standard ein Funktionär einer christlichen Kirche oder einer islamischen Gemeinde derart beflegelt werden, aber ein Vertreter der jüdischen Gemeinde muss sich das gefallen lassen.

Doch zurück zum Kreisky Forum, es wäre an der Zeit, einen Vortrag und eine Diskussion über die Kultur der Rache, des Revanchismus und der Gewalt, die in der palästinensischen Gesellschaft seit Jahrzehnten herrscht, in der seit Jahresanfang mehr als 600 Palästinenser von anderen Palästinenser getötet wurden, oft in der grausamsten Weise, zu halten. Aber diejenigen, die von den Grausamkeiten des einzigen Rechtsstaates im Nahen Osten faseln und es lieben am jüdischen Staat kein gutes Haar zu lassen, die schweigen, denn zu peinlich ist das Schauspiel. Und wenn sie schon etwas sagen, dann nur, um Israel zu beschuldigen an allem Schuld zu sein. In Österreich hat sich anscheinend nicht viel geändert, es heißt noch immer „der Jud’ ist schuld“, nur lässt man sich das von gefälligen jüdischen Kronzeugen bestätigen.

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