Henryk M. Broder / 21.07.2014 / 11:27 / 3 / Seite ausdrucken

Der Investitionsberater des ZDF

Wenn in der ARD oder dem ZDF jemand als “Experte” vorgestellt wird, dann ist allemal größte Vorsicht geboten. Egal ob es um die Börse, eine Naturkatastrophe oder die Konjunktur geht, Aufgabe der “Experten” ist es, uns heute zu erklären, was gestern passieren musste. Es sind retrospektive Vorhersagen. Schöner wäre es, wenn sie uns heute sagen könnten, was morgen passieren wird, aber dazu sind sie nicht in der Lage, die Experten.

Einige sind offenbar bei Kaffeesatzlesern in die Schule gegangen, wie z.B. der bedeutende Nahostexperte Michael Lüders, der auf seiner Homepage fein säuberlich alle Stühle aufzählt, die er “in Sachen Nahost” abklappert (“Kommentator deutscher, schweizerischer und österreichischer Medien in Sachen Nahost, arabische Welt, Islam, darunter ARD, ZDF, RTL, SAT 1, 3sat, N24, n-tv, Spiegel-TV, sämtliche ARD-Hörfunkanstalten sowie private Radioanbieter”), wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist, “Vorträge über Investitionsmöglichkeiten in der arabischen Welt” zu halten, das AA zu beraten oder sich als “als Politik- und Wirtschaftsberater” allen möglichen Firmen anzudienen. Der Mann ist ein Lobbyist und sagt es auch, was aber die Lückenfüller in den Sendern nicht davon abhält, ihn als einen objektiven “Experten” zu präsentieren, der quasi über den Dingen schwebt.

Einer seiner besten Auftritte liegt schon eine Weile zurück. Zur Zeit des zweiten (genau genommen dritten) Golfkriegs wurde er von der “kulturzeit” auf 3sat gebeten, die “Körper- und Zeichensprache” von Osama Bin Laden zu analysieren. Gezeigt wurde der Chef der al-Qaida, wie er im Schneidersitz hockt und mit sanfter Stimme die wüstesten Morddrohungen ausspricht, die Kalaschnikow neben sich an die Wand gelehnt. Weil Bin Laden, so Lüders, die Waffe nicht in den Händen hielt, sei seine Rede eigentlich ein “Friedensangebot” gewesen.

Der Mann ist ein notorischer Dummschwätzer, dessen interessengeleitete “Expertisen” so vergänglich sind wie der Rauch einer Wasserpfeife. Zum 10. Jahrestag von 9/11 sah er “die arabische Welt im Aufbruch” und prophezeite “eine Ära, die nicht von Terrorismus und Gewalt handelt, sondern von Demokratie und Menschenrechten”. Bald darauf warnte er vor einer “Dämonisierung des Iran”, es gebe, so Lüders, keine stichhaltigen Beweise dafür, dass der Iran “nach der Atombombe greift”. Und so zieht er seine Schleimspur durch die Medien, ein Diener vieler Herren, “die sich im Nahen und Mittleren Osten engagieren oder bestehende Geschäftsfelder erweitern möchten”.

Lüders, schreibt Matthias Küntzel, sei darauf aus, “uns den Standpunkt Teherans plausibel zu machen”. Sein Iran-Buch (“Der falsche Krieg. Wie der Westen seine Zukunft verspielt“) gehöre in die Kategorie “Märchenbuch”, der Experte benennt “grundsätzlich keine Quellen” und “verfälscht” die Geschichte. “Lüders… ist ein Mensch, der sich wirkungsvoll als Garant ‘nüchterner Aufklärung’ und ‘sachlicher Information’ in Empfehlung bringt. Kratzt man an diesem Lack, entpuppt er sich als ‘Experte’, der es mit dem Baron von Münchhausen aufnehmen kann.”

Für das ZDF, wo man selbst hauseigene Umfragen fälscht, ist das gerade gut genug, um ihn zu der Lage in Gaza zu befragen. Hier ab Minute 13. Israel, sagt der Unternehmensberater, stelle sich “gerne als Opfer dar”, aber angesichts der verheerenden Bilder aus Gaza könne man “nicht behaupten, dass die israelische Seite mit einer gesunden Verhältnismäßigkeit agieren würde, es ist ein Krieg gegen Zivilisten, der hier geführt wird”, während die westliche Staatengemeinschaft “diesem Treiben keinen Einhalt gebietet”.

Worauf sich Marietta Slomka bei dem “Nahostexperten” brav “für die Einschätzung” bedankt und an den Kollegen Wolff übergibt.

Wir nutzen die kurze Pause, um uns zu übergeben.

Das Int mit Lüders gibt es auch hier:
https://www.youtube.com/watch?v=YFXX-Rxpa_w

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Leserpost

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Günter Arndt / 22.07.2014

Nun, Herr Broder, gibt es inzwischen eine Vielzahl Politiker in der Welt, auch Freunde Israels darunter, die die massenhafte Tötung von Gaza-Zivilisten durch das israelische Militär Verurteilen und die israelische Regierung zu mehr Rücksicht mahnen.  M. Lüders hat das ebenso gesagt, nur etwas eher. Was haben Sie denn wirklich gegen ihn? Richtig, er sagt die Wahrheit, und das ist sein Makel aus Ihrer Sicht. Zu Beginn der Bombardierung war für mich klar, unter 1000 toten Palis geht Israel nicht aus Gaza raus. Wieviel schätzen Sie denn , Herr Broder?

Rudolf Steger / 21.07.2014

Nach dem “Übergeben” am Ende des Interviews von Frau Slomka mit Lüders möchte ich auch noch auf das Filmchen zum Gaza-Konflikt bei ZDF in “Heute” um 19.00 Uhr am Sonntag hinweisen. Hier macht sich das ZDF zum Erfüllungsgehilfen der Hamas und damit zum Unterstützer von Terror und Mord, indem es deren Propaganda verbreitet. Vor allem kleine Kinder und Jugendliche in Gaza und auch noch eine klagende Mutter (wohl kaum nachgeprüft, was sie da in Kamera weint !), Verletzte und Blut, werden hier gezeigt und missbraucht, um die TV-Zuschauer im abendlichen Wohnzimmer emotional gegen Israel aufzuhetzen. Die Verantwortung der Hamas wird nicht erwähnt und ausgeblendet. Dazu passt die Einladung von Michael Lüders zum Interview beim ZDF Heute-Journal um 21.45 Uhr. Damit geht das Kalkül der Hamas auf, an der Propagandafront mit ihren Toten, vor allem mit toten Kindern einen Sieg zu erringen, der zwingend zur nächsten Auseinandersetzung mit Israel und zu weiterem Leiden der palästinensischen Bevölkerung führt. Ihre vermeintlichen Freunde beim ZDF (und leider nicht nur beim ZDF) tragen dazu bei.

Martin Wessner / 21.07.2014

Ist doch altbekannt. “Experten” sagen bei ARD und ZDF idR. genau das, was die dortigen Redakteure denken, sich aber nicht trauen auszusprechen. Man schickt also jemanden vor, um sich einerseits nicht selbst in die Schusslinie zu bringen und um anderseits Ausgewogenheit, Neutralität und Seriösität zu heucheln, obwohl es den dortigen Damen und Herren vorallem um Parteilichkeit, Emotionsstauabfuhr und Propagandierung ihrer Gesinnung geht. Insofern ein weiterer guter Grund, das öffentlich-rechtliche Fernsehen in die Tonne zu treten.

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