Vera Lengsfeld / 30.01.2017 / 19:24 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 19 / Seite ausdrucken

Martin Schulz: Der Hoffnungsträger der Verzweifelten

Nun hat die SPD pro forma noch vollzogen, was Sigmar Gabriel für sie beschlossen hat: Martin Schulz wurde vom Parteivorstand als Kanzlerkandidat gekürt. Außerdem soll Schulz demnächst Parteivorsitzender werden. Begeisterten Medienberichten zufolge soll Schulz streckenweise wegen des starken Beifalls nicht zum Reden gekommen sein. Anscheinend hielt es der SPD-Parteivorstand für angebracht, dem 11-Minuten-Beifall auf dem CDU-Parteitag für Angela Merkel etwas entgegenzusetzen. Wenn die Politiker sich nicht selbst beklatschen, tut es keiner mehr.

Schulz, bei dem der Egomane aus jedem Knopfloch blickt, verwechselte die Klatscherei seiner Genossen sofort mit allgemeiner Zustimmung. Es ginge nicht nur ein Ruck durch die Partei, sondern durch das ganze Land, rief er aus. Demnächst durch die ganze Welt? Dieser größenwahnsinnige Auftakt soll die SPD zur stärksten Partei und Schulz im Herbst zum Kanzler machen.

Die sogenannten Qualitätsmedien lieferten eilfertig Huldigungsbeiträge. Wenn der von sich selbst besoffene Kandidat mal in die Leserkommentare schauen würde, käme er vielleicht auf den Boden der Tatsachen zurück. Die überwiegende Mehrheit der Kommentare ist spöttisch bis ablehnend. Daran ändert auch das Zwischenhoch im Umfragetief der SPD nichts. Als Meinungsforscher weiß man inzwischen, in welchen Stadtteilen man anrufen muss, um günstige Ergebnisse zu bekommen.

Berichterstattung wie bei Kaisers Geburtstag

Die Show im Willy-Brandt-Haus war eine erneuter Beweis dafür, dass die Politiker nicht Willens sind, aus ihrer Blase herauszukommen. Sie scheinen nicht mehr in der Lage zu sein, die Realität überhaupt noch wahrzunehmen. Womit will Schulz die Wahl gewinnen? Mit Kampf für soziale Gerechtigkeit, gegen Rechts und gegen Steuerschlupflöcher. Donnerwetter! Die SPD, die in der Bundesregierung sitzt und in 13 von 16 Bundesländern zum Teil seit Jahrzehnten regiert, hat es bisher also versäumt, für Gerechtigkeit zu sorgen. Warum sollte sie das jetzt schaffen?

Der Kampf gegen Rechts, wie er von den von Schulz hochgelobten Ministern Heiko Maas und Manuela Schwesig geführt wird, ist ein Kampf gegen Andersdenkende und die im Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit. Unter Minister Maas wurde eine ehemalige Stasi-IM Aushängeschild seiner Task Force gegen Hate-Speech im Internet. In diese Tradition will sich der Kandidat Schulz ausdrücklich stellen. Er hat dem renitenten, immer noch freiheitlichen Internet den Kampf angesagt. Fake News gibt es für ihn nur im Internet, die etablierten Medien sind per se aufrichtig, besonders wenn sie eine Berichterstattung liefern, die man früher als Kaiser-Geburtstagsdichtung qualifiziert hätte.

Die berühmten Steuerschlupflöcher nicht zu vergessen. Denen hatte Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der heute seine Brötchen als Berater bei der Ing-DiBa verdient, bereits den Kampf angesagt und dabei eine Bruchlandung hingelegt. Statt die vielen Steuerschlupflöcher in Deutschland zu stopfen, wie es ihm als Finanzminister möglich gewesen wäre, drängte Steinbrück 2009 in einem Vortrag bei der OECD in Paris darauf, die Schweiz auf Grund ihres bösen Bankgeheimnisses auf eine schwarze Liste zu setzen. Er bediente sich dabei eines sehr martialischen Vergleichs: Die Liste sei „wie die siebte Kavallerie im Fort Yuma…Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt“.

Schon Steinbrücks Kavalerie wurde zurückgepfiffen – von der SPD!

Tatsächlich gelang es Steinbrück sogar, seine Kavallerie auf Erkundungsritt zu schicken und einen Angriff zu wagen. Es kam das „Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt“ zustande. Dieses Abkommen, obwohl bereits durch fleißige Lobbyarbeit interessierter Finanzkreise im Bundestag entschärft, scheiterte schließlich im Bundesrat am 23.11.2012 durch den Widerspruch von SPD (!), Linken und Grünen.

Wieso soll dieses Trio infernale unter der Leitung von Schulz nun durchsetzen, was es selbst abgelehnt hat? Nein, was Schulz verkündet, ist ein reines verbales Ablenkungsmanöver. Nach der Wahl kommt eine kräftige Steuererhöhung auf die immer weniger werdenden Steuerzahler zu, aber ganz sicher keine Schließung der Steuerschlupflöcher für die Mammutvermögen.

Um das Bild abzurunden, sollte daran erinnert werden, wie es Schulz schaffte, vom EU-Hinterbänkler 2004 zum Vorsitzenden der Sozialistischen Fraktion im Europaparlament und schließlich zum Parlamentspräsidenten zu werden. Pate dieses Aufstiegs war kein anderer als Silvio Berlusconi. Schulz lieferte sich 2003 mit dem italienischen Ministerpräsidenten einen Schlagabtausch: "Sie sind nicht verantwortlich, Herr Ratspräsident, für die Intelligenzquotienten Ihrer Minister, aber verantwortlich für das, was die sagen, sind Sie schon“. Es folgte ein verbales Scharmützel, bis Berlusconi sich zu den Worten hinreißen ließ: "Herr Schulz, ich weiß, dass ein Produzent in Italien gerade einen Film über die Konzentrationslager der Nazis dreht. Ich werde Sie für die Rolle des Kapo vorschlagen. Sie wären perfekt.“

Schulz nimmt es mit den Zahlen nicht so genau

Die Medien hatten ihre Schlagzeilen, Martin Schulz seine ersten 15 Minuten Ruhm und die Sozialisten sahen die Begebenheit als ausreichende Qualifikation für den Fraktionsvorsitz an. Nun hätte sich ja erweisen können, dass in dem unscheinbaren Mann aus Würselen ein politisches Supertalent steckt. Das war aber nicht der Fall.

RP-online listete kürzlich die sechs „Klartextmomente“ des Martin Schulz auf. Neben dem schon geschilderten Zusammenprall mit Berlusconi sind da verzeichnet der Rauschmiss eines griechischen Parlamentariers aus dem EU-Parlamentsplenum wegen Beleidigung von Erdogan, Schulz` Eintreten für Jan Böhmermann, seine Kritik der griechischen Regierung in einer Talk-Show und seine Abschiedsrede im Parlament. Der sechste „Klartextmoment“ war ein peinlicher Affront in der israelischen Knesset, wo Schulz in seiner Rede den Siedlungsbau kritisierte und behauptete: "Wie kann es eigentlich sein, dass ein Israeli 70 Liter Wasser am Tag benutzen darf, ein Palästinenser aber nur 17 Liter?“. Es kam zum Tumult. Schulz wurde von einigen Abgeordneten der Lüge bezichtigt. Zu Recht. Die Zahlen waren falsch. Sie entstammten einer antiisraelischen Propagandaschrift. Warum RP-online empfiehlt, sich diesen Auftritt gut zu merken, bleibt schleierhaft, wenn er nicht als versteckte Warnung verstanden werden soll.

Es scheint keine einzige nennenswerte parlamentarische Initiative zu geben, die mit dem Namen von Martin Schulz verknüpft ist. Das ist bei so vielen Jahren Abgeordnetendasein eine mehr als ernüchternde Bilanz. Auf keinen Fall ist sie ein Ausweis dafür, dass vom Kandidaten Schulz ein Impuls zum Anpacken der Probleme ausgehen könnte. Außer den Sprechblasen, die wir alle schon längst nicht mehr hören können, ist von ihm nichts zu erwarten.

Seine Kür ist eine Verzweiflungstat der SPD.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Holger Jensen / 31.01.2017

Liebe Frau Lengsfeld, Sie haben die Dinge perfekt auf den Punkt gebracht - Chapeau! Besser kann man Martin Schulz nicht entzaubern.

Clemens Hofmeister / 31.01.2017

Man sollte sich langsam fragen, ob es nicht leichter ist, nach einem allgemeinen Krach alles wieder neu aufzubauen oder vom hier und heute ausgehend sachte sachte das Schiff wieder auf richtigen Kurs zu bringen.

J. Straten / 31.01.2017

Es ist ein Jammer. Diese hohle Phrasendrescherei bei Anne Will war einfach unaufrichtig. Wenn H. Schulz über “Innere Sicherheit” und mehr Polizei daherredet und von der vollen Härte des Gesetzes…..denke ich daran, daß mehr Polizisten dann auch mehr Kriminelle festnehmen, die dann auch gleich wieder von der Justiz freigelassen werde, weil sie keinen Pass haben oder einen festen Wohnsitz im Asylantenzelt oder Einstellung wegen “Nichtigkeit”. Mir ist in den letzten 2 Jahren mehr gestohlen worden als 40 Jahre vorher. Alle Anzeigen wurden eingestellt. Auch die “Soziale Gerechtigkeit” ist eine leere Hülse. Wenn H. Schulz seine über viele Jahre erworbenen Sitzungsgelder, die - neben dem normalen Gehalt und steuerfrei an 365 Tagen im Jahr, auch ohne an Sitzungen teilgenommen zu haben - vom Selbstbedienungsladen Brüssel gezahlt wurden und mehrere Hunderttausende € betragen, an den Steuerzahler zurückgibt, dann….. ja dann wähle ich ihn.

Frank Box / 31.01.2017

“Ein Kanzler, wertvoller als Gold!” Jubeln die deutschen Medien, als Schulz im Sommer 2021 den 10.000.000 Migranten mit einem kleinen Goldbarren begrüßt. Moscheen gibt es nun in jedem Dorf, oft stehen diese ehemaligen Kirchen auch schon innerhalb der “Bereicherten Gebiete”. Die Unworte der Jahre 2019/20, “No-Go-Area” und “Parallelgesellschaft”, verwendet niemand mehr, der seinen Job behalten will. Dafür sorgt die Vorsitzende der “Prüfstelle” Wahrheitsministerin Viktoria Kahane. Auch Integrationsminister Mazyek ist zufrieden: “Die Integration in den Islam” mache “große Fortschritte.”... “Wir sind auf einem guten Weg!”

Bouha, Peter / 31.01.2017

Hervorragend beschrieben. Aber ganz gleich wie weit das Pendel auch ausschlägt - es kommt ( sicher ) wieder zurück. Je weiter nach links - desto weiter nach rechts. Nicht ob - sondern wann - ist die einzige Frage. Ich lese Ihre Artikel sehr gerne. Information - wie ich sie mit wünsche.

Andreas Rochow / 31.01.2017

Mit seiner klägliche Bilanz, gepaart mit seinem recht hohen Bekanntheitsgrad, ist der forsche Doppelkandidat ein Pop(p)ulist, wie er im Buche steht.

Sigrid von Schroetter / 31.01.2017

Nur eine Randbemerkung: Herr Schulz wird nicht müde, immer wieder von der “hacht” arbeitenden Bevölkerung zu sprechen, für die er sich einsetzen will. Diese Vorstellung von Arbeit erscheint mir überholt. Arbeit sollte erfüllend sein und den Menschen gesellschaftsfähig machen. Dass viele Leute “hacht” arbeiten müssen und ihre Ideale schon lange verloren haben, liegt doch an der perspektivlosen Arbeitsphilosophie, die auch die SPD mit entwickelt hat: Krankenhauspersonal, Polizeipersonal und andere Dienstleister erhalten nicht den Lohn, der auf Dauer zufrieden machen könnte.

Wolfgang Bachmann / 31.01.2017

Danke Frau Lengsfeld. Bestens charakterisiert. Das Würstchen aus Würselen. Durch diesen Versager kommt dieser schöne Ort nicht aus den Negativschlagzeilen. Die Bewohner tun mir Leid.

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