Gerade erst habe ich in dem Artikel „Flüchtlingskrise beendet´ - nächster Rechtsbruch gestartet“ beschrieben, dass eine Rückkehr von Flüchtlingen in ihre Heimat nicht dem politischen Willen der Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD entspricht und sie daher mit einem rhetorischen Trick eine etwaige Rückkehr insbesondere der syrischen Zuwanderer auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschiebt. Da meldet der Spiegel in seiner aktuellen aktuellen Ausgabe, dass alles noch sehr viel ärger und verlogener ist. Denn bereits im November 2017 haben die Europaabgeordneten von CDU/CSU und SPD (und man darf annehmen auch von FDP, Linke und Grüne) im Europaparlament eine Änderung der Asylbestimmungen beschossen. Nachzulesen im Original hier.
Demnach soll künftig nicht mehr das Land in der EU, das ein Zuwanderer zuerst betritt, für dessen Asylverfahren zuständig sein, sondern das Land, zu dem bereits Verbindungen bestehen. Solche Verbindungen können aufgrund früherer Aufenthalte vor allem darin bestehen, dass sich bereits Angehörige im Land befinden. Der Begriff Angehörige ist dabei weit zu verstehen und nicht auf die engsten Verwandten beschränkt. Nur wenn keine Verbindung besteht, soll eine Verteilung nach einem Verteilungsschlüssel erfolgen.
Was das bedeutet, ist klar und laut Spiegel auch dem Bundesinnenministerium nicht verborgen geblieben: Dadurch müßte Deutschland erheblich mehr Asylsuchende aufnehmen, und Obergrenzen würden zunichtegemacht. Innen-Staatssekretär Ole Schröder sagte: „Wenn jeder der über 1,4 Millionen Menschen, die seit 2015 in Deutschland Asyl beantragt haben, zur Ankerperson für neu in der EU ankommende Schutzsuchende wird, reden wir über ganz andere Größenordnungen als bei der Familienzusammenführung.“ Überdies entfiele für die EU-Erstaufnahmestaaten und Transitländer jeglicher Anreiz für einen wirksamen Grenzschutz.
Ein Abgrund von rechtswidriger Praxis und Irreführung
Die von der designierten neuen Großen Koalition geplante jährliche Pseudo-Obergrenze bei der Zuwanderung in Höhe einer Sozialhilfe-Großstadt von 220.000 Personen wäre damit erledigt, bevor sie überhaupt beschlossen ist.
Jetzt könnte man fatalistisch meinen, irgendwelche Obergrenzen seien ohnehin nichts wert und viel ändere sich aufgrund dieser geplanten Gesetzesänderung ja nicht, da sowieso schon die meisten Zuwanderer nach Deutschland kommen. Es macht aber doch einen immensen Unterschied, ob die derzeitige Praxis rechtswidrig ist und bei entsprechendem politischem Willen jederzeit abänderbar wäre oder ob sie dem Gesetz entspricht und damit auch für veränderte politische Konstellationen bindend wäre.
Einzelne CSU-Europaabgeordnete wie Monika Hohlmeier winden sich nun etwas (siehe hier). Sie habe zwar der Änderung bei der Umverteilung zugestimmt, nicht aber der Ausweitung des Familienbegriffs. Diese Erklärung Hohlmeiers ist nichts als eine Mogelpackung. Denn es genügt die bloße Behauptung einer familiären Beziehung, um die Zuständigkeit eines EU-Mitgliedstaates für das Asylverfahren zu begründen; es ist also im Ergebnis egal, wie eng die Verwandtschaft ist und ob sie überhaupt besteht. Und zudem erfolgt bekanntlich eine effektive Kontrolle der Angaben der Zuwanderer zu ihrer Person ohnedies nicht.
Was sagte noch gleich laut wörtlichem Zitat im Schwarzwälder Boten die damalige CDU-Bundestagsabgeordnete Kodula Kovac am 05.04.2017 auf einem Forum zum Thema Migration in Villingen im Hinblick auf den Umstand, dass derzeit mehr als 65 Millionen Menschen auf der Flucht seien: „Wir können nicht alle aufnehmen. 20 Millionen mehr Menschen, das muss eine Demokratie aushalten". Mit den geplanten EU-Asylrechtsänderungen könnte diese Zielmarke erreicht werden. Wie auch immer man solche Zahlen bewertet: Dieser Vorgang zeigt ein weiteres Mal, dass alle politischen Beteuerungen einer Zuwanderungsbegrenzung aus den Reihen von CDU/CSU nichts als verlogenes Gerede sind.