Gastautor / 16.01.2013 / 03:18 / 0 / Seite ausdrucken

Der brutale Charme der Finanzprodukte

Manfred Gillner

Die SPD will Steuerhinterziehern an den Kragen. Durch Steuerbetrug entgingen den öffentlichen Haushalten jährlich rund 150 Milliarden Euro. In ihrem neuen Strategiepapier, der „Braunschweiger Erklärung für mehr Steuergerechtigkeit“, macht sie Vorschläge, wie man der finsteren Gesellen habhaft werden könnte. Besonders liegt den Sozialdemokraten die Bekämpfung der Schwarzarbeit am Herzen. Ihr Umfang wird auf 250 bis 350 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt, dem Staat entgehen neben den Steuern auch Sozialabgaben. In einer Umfrage aus dem Jahr 2007 gab jeder Fünfte zu, selber schwarzgearbeitet zu haben, jeder Dritte griff auf Schwarzarbeit zurück. Für die Aufdeckung von Schwarzarbeit ist in Deutschland der Zoll zuständig. Dieser betreibt sogar eine Internetseite mit Telefonnummern, die man wählen kann, wenn man den Nachbarn jeden Abend von der Arbeit kommen sieht, obwohl er schon seit der Geburt auf Hartz 4 ist. Künftig kann man aber auch bei der SPD anrufen und die Verbrecher melden. „Die SPD ist die Partei der Steuerehrlichkeit“, schreiben die Sozialdemokraten in ihrem Papier. Alle Mitglieder der SPD sollen daher zur Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung verpflichtet werden, in der sie versichern, noch nie in ihrem Leben etwas mit Schwarzarbeit zu tun gehabt zu haben. Wer sie nicht unterschreibt, wird aus der Partei ausgeschlossen. „Auch wenn wir am Ende nur noch zu fünft sind“ so Kanzlerkandidat Steinbrück, „schwarz arbeiten und rot wählen, das geht nicht.“

Scherz beiseite. Natürlich würde die SPD nie auf den Gedanken kommen, den Schwarzarbeitern auf den Pelz zu rücken, denn das sind ja schließlich potenzielle Wähler. Auch wenn die Schwarzarbeit der größte Brocken beim Abgabenbetrug ist, bleibt sie außen vor. Denn der SPD geht es um Klassenkampf, nicht um Steuerhinterziehung. Man will dem vermeintlich oder tatsächlich tumben Wähler vorgaukeln, nun werde endlich etwas gegen die „Reichen“ unternommen. Peer Steinbrück hatte in seiner Amtszeit als Bundesfinanzminister vermutlich keine Zeit dazu. In dem Strategiepapier fordert die SPD den Aufbau einer „Bundessteuerfahndung“. Die ist so unnötig wie ein Kropf, aber „Bundessteuerfahndung“ klingt schön bedrohlich und spricht die Kommissars- und Scharfrichterinstinkte des deutschen Neidhammels an. Der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid, ebenfalls SPD, hat sich dazu bereits „zurückhaltend“ geäußert. Der Schwabe jagt seine Steuersünder lieber selbst, bevor er dies Leuten überlässt, die Schrippen statt Wecken sagen und auch sonst von nichts eine Ahnung haben.

Als Sahnehäubchen gibt es im SPD-Papier noch Maßnahmen gegen die bösen Banken obendrauf. In Deutschland ansässigen Instituten, die bei Steuerbetrug mithelfen, wird mit der Abberufung der Geschäftsführung, Berufsverboten und Lizenzentzug gedroht. Ob Peer Steinbrück ihnen bei seinen Vorträgen schon mal ins Gewissen geredet und die Strafen angedroht hat? Außerdem sollen die Banken verpflichtet werden, mit den Finanzämtern „zu kooperieren“ und keine „Bankprodukte“ anzubieten, „mit denen ihre Kunden Steuern hinterziehen können“. Welche Produkte das sein sollen, wird nicht erwähnt. Wie die „Kooperation“ mit dem Finanzamt aussehen soll, wird ebenfalls nicht näher beschrieben. Vielleicht sollte man die Banken und die Finanzämter fusionieren, dann wäre das Geld auch gleich dort, wo es hingehört.

Nur ausgemachte Trottel fädeln Steuerhinterziehungen über eine Bank in Deutschland ein und lassen das Geld womöglich noch von dort aus ins Ausland transferieren. Die SPD weiß das auch ganz genau. Sie nennt in ihrem Papier ein Beispiel, die Schweizer Wegelin Bank. Aber die war in den USA und nicht in Deutschland tätig. Sie hat eingestanden, US-Bürgern dabei geholfen zu haben, Geld am Fiskus vorbeizuschleusen. Es ist ein Unterschied zwischen einem US-Bürger, der Geld über den Atlantik in die Schweiz schaffen will und einem Deutschen, der das bei einem Tankausflug erledigen kann und nicht einmal kontrolliert wird, wenn er über die Grenze fährt. Es geht der SPD nur darum, das gerade beliebte Spiel des Banken-Bashings für ihre Zwecke zu benutzen.

Ebenso dürfte ihr klar sein, dass eine „Bundessteuerfahndung“ nicht mehr ausrichten kann als die Steuerfahnder der Länder und die Staatsanwaltschaften. Die Behörden stimmen sich auch heute schon länderübergreifend ab und können international nicht mehr und nicht weniger ausrichten als eine künftige Bundessteuerfahndung. Der Kompetenzwirrwarr wird durch eine weitere Behörde eher noch grösser. In Steuerstrafverfahren von größerer Bedeutung, oder wenn noch andere Straftaten im Spiel sind, geht die Zuständigkeit ohnehin auf die Staatsanwaltschaft über. Für die zentrale Erfassung verdächtiger und strafrechtlich relevanter Vorgänge gibt es auf Bundesebene das Bundeszentralamt für Steuern, das Daten aus aller Welt sammelt. Manche würden sich wundern, was dort alles bekannt ist. Schweizer Treuhänder behaupteten schon vor mehr als 20 Jahren, Mitarbeiter der deutschen Botschaft hätten Briefkasten- und Klingelschilder sowie deutsche Autokennzeichen in steuergünstigen Kantonen fotografiert. Die Bundessteuerfahndung solle „einen einheitlichen Umgang mit Informationsangeboten privater Dritter über mutmaßliche Steuerhinterzieher sicherstellen.“ Eine Extra-Behörde, damit auch ja jeder Denunziant seine Steuer-CD los wird?

„Wir wollen Steueroasen mindestens europaweit trocken legen“, kündigt die SPD großspurig an. Namentlich genannt ist jedoch nur die Schweiz, der Peer Steinbrück schon vor Jahren mit Kavallerie und Peitsche drohte. Ins Steuerparadies Luxemburg zu Freund Jean-Claude wollte er damals seltsamerweise nicht einmarschieren, dabei hätte das notfalls sogar die Trierer Ortspolizei erledigen können. Monaco, Liechtenstein, Andorra, San Marino, die britischen Kanalinseln wie Jersey, Isle of Man oder Guernsey, Belgien, Irland, Österreich, die Niederlande und last not least Großbritannien mit seiner „Non Domiciled Taxation“ blieben ebenso unbehelligt. Mutig wäre es, wenn die SPD nun Präsident Barack Obama auffordern würde, Steueroasen wie Delaware oder Nevada trocken zu legen. Aber dann genügte ein Räuspern von Obama, und der SPD-Vorstand würde mit vollen Hosen nach Russland flüchten, in die Arme von Zar Putin, und um Asyl ersuchen. Bei 13 Prozent Einkommensteuer kann man es auch in Russland aushalten, und russische Pässe werden an Charakterdarsteller sogar bevorzugt vergeben.

Die Vorschläge der SPD sind hauptsächlich Placebos. Neben der Bundessteuerfahndung und der Bestrafung von Banken fordert sie längere Verjährungsfristen. „Verstöße gegen das Steuerrecht sollen künftig nicht mehr automatisch schon nach zehn Jahren verjähren, sondern zumindest die Laufzeit verdächtiger Finanzkonstrukte abdecken.“ Was für ein juristischer Stuss. Entweder es handelt sich um einen Fall von Steuerhinterziehung oder nicht. Wieso soll dann die Verjährungsverlängerung nur für „verdächtige Finanzkonstrukte“ gelten und was soll man darunter überhaupt verstehen? Wenn der Gastwirt jeden Tag fünf Prozent seiner Einnahmen verschwinden lässt, ist das dann ein „verdächtiges Finanzkonstrukt“ oder hat er einfach nur seit 20 Jahren beschissen?

Weit hinten im Strategiepapier geht es schon sehr viel kleinlauter zu: „Die Bekämpfung von Steuerbetrug kann in einem gemeinsamen europäischen Markt nur europäisch gelingen.“ Welcher europäische Staat macht dabei mit? Und wozu dann überhaupt das ganze Theater zuvor? Ganz am Ende, im letzten Absatz, kommt die SPD schließlich auf den wichtigsten Punkt. In „zweiter Linie“ gehe es ihr darum, „die Einnahmebasis des Staates auf die solide Grundlage zu stellen, die notwendig ist, um die Herausforderungen des demografischen Wandels ebenso bewältigen zu können wie für die Bildungsfinanzierung, die Finanzierung der Energiewende, die Finanzierung des europäischen Zusammenhalts und die Einhaltung der Schuldenbremse zu sorgen.“

So wohlklingend kann man Steuererhöhungen umschreiben. Steuern aber sind ein Standortfaktor wie qualifiziertes Personal, politische Stabilität, niedrige Energiekosten oder eine gute Infrastruktur. Gerade das auf eine noch schwerere Krise zusteuernde Europa, das in der Welt den Anschluss zu verlieren droht oder bereits verloren hat, müsste sich für Unternehmen und Arbeitnehmer herausputzen und sich so attraktiv wie möglich machen, damit es Standortnachteile wie das höhere Lohnniveau ausgleichen kann. Nicht nur geringere Energiekosten und weniger Bürokratie, sondern auch niedrige Steuern für Firmen und deren Mitarbeiter wären ein solcher positiver Standortfaktor. Gerhard Schröder hat unter anderem auch mit seiner Steuersenkungspolitik für sprudelnde Steuereinnahmen gesorgt, von denen heute noch Wolfgang Schäuble profitiert.

Wer glaubt, mit der Erhöhung von Steuersätzen mehr Steuern einzunehmen, der irrt sich. Das Gegenteil wird eintreten, man wird unterm Strich weniger haben. Man kann nicht einfach davon ausgehen, dass die Bemessungsgrundlage gleich bleibt, wenn man die Steuersätze erhöht. Denn die Welt ist groß und der weltweite Standortwettbewerb wird noch schärfer werden. Die Politik hat keine Chance, mit Regulierungen, Drohungen, Druck und Verfolgung immer noch mehr Geld aus ihren Bürgern und Unternehmen herauszupressen. Sie werden darauf reagieren: Die Unternehmen werden sich woanders niederlassen oder ihre internationalen Strukturen so umstellen, dass die Gewinne nicht mehr hier entstehen, die Hochqualifizierten werden auswandern und die Fleißigen werden weniger tun, weil sich Anstrengung nicht mehr lohnt. Die Schwarzarbeit wird zunehmen, allerdings natürlich nicht bei SPD-Wählern. Denn die SPD ist ja bekanntlich die „Partei der Steuerehrlichkeit“, auch kurz PDS genannt.

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