Ein Unternehmen, welches das Wort „Volk“ im Namen führt, genießt einen gewissen Vertrauensvorschuss. Wer „Volkswagen“ herstellt, steht nicht von vornherein in dem Verdacht, als kapitalistischer Ausbeuter zu agieren, erst recht nicht, wenn die öffentliche Hand als Großaktionär mit ihm Spiel ist. Weil VW liefert, was sich der kleine Mann leisten kann, möchte ihm das Volk vertrauen.
Leichter als anderswo kann das Management in die eigene Tasche wirtschaften. Zwischen beinah 13 und nahezu 17 Millionen Euro jährlich verdiente Martin Winterkorn von 2011 bis 2014, ohne dass es aufgefallen wäre. Der Anstand des Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG verstand sich sozusagen von selbst. Und dennoch war da etwas faul von Anfang an. Wie bei anderen Top-Managern haben die Bezüge nie der arbeitsrechtlichen Stellung des Angestellten entsprochen.
Eine sachliche Feststellung, die sich keineswegs dem gern unterstellten Neid verdankt, mitnichten. Jeder Unternehmer kann so viel verdienen, wie er erwirtschaftet. Niemand sollte sich über die Millionen und Milliarden erregen, die Facebook für Mark Zuckerberg abwirft. Gleiches gilt für Bill Gates oder den Unternehmer Donald Trump.
Alle, die ihr eigenes Kapital einsetzen, können den Gewinn einstreichen, den sie (rechtmäßig) erzielen, der selbständige Bäckermeister ebenso wir die Familie Oetker. Müssen sie doch andererseits für die Verluste einstehen, die sie mit ihrem Handeln verursachen. Es ist ihr Kapital, ihr Geld, das sie mehren oder verschleudern.
Manager sind und bleiben abhängig Beschäftigte
Die hoch bezahlten Manager, deren Bezüge jetzt in der Kritik stehen, sind indes nicht mehr und nicht weniger als Angestellte. Das Vermögen, das sie verantwortungsvoll oder leichtfertig einsetzen, gehört ihnen so wenig wie den Arbeitern in der Fertigung. Sie handeln nicht auf eigene Rechnung und sind daher auch nicht befugt, ihre Ansprüche an denen der Eigner, von denen sie angestellt wurden, zu orientieren. Vielmehr müssen sich ihre Bezüge am Lohngefüge der übrigen Belegschaft ausrichten.
Mögen sie sich noch so sehr als „unternehmerisch handelnde“ Geschäftsführer gerieren, sie sind und bleiben abhängig Beschäftigte. Das einzige worüber sie frei verfügen können, ist ihre Arbeitskraft. Nichts sonst - da muss man Karl Marx ausnahmsweise zustimmen - nichts sonst können sie verkaufen. Dass ihre Leistung, rein wirtschaftlich betrachtet, mehr wert sein mag als die eines Lagerarbeiters, steht außer Frage.
Außer Frage steht aber ebenso, dass ein Manager nicht zwei- bis dreihundertmal so viel zu leisten vermag wie zum Beispiel ein Buchhalter im gleichen Betrieb. Das aber hätte Martin Winterkorn, abgesehen von den Folgen des Diesel-Skandals, tun müssen, wenn sein Gehalt von 13 bis 17 Millionen betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sein sollte. Anders gesagt, läuft es bei der Überbezahlung einzelner Manager de facto auf einen Diebstahl am Betriebsvermögen hinaus. Was sie abgreifen, hätte im Interesse des Ganzen zu größeren Teilen reinvestiert werden müssen, anstatt dem persönlichen Konsum dieser oder jener Führungskraft zuzufließen.
Allerdings bringt es auch wenig, wenn sich der Staat nun ordnungspolitisch aufplustert, indem er die Vorstandsbezüge per Gesetz zu deckeln verspricht. Derartige Eingriffe in die Lohngestaltung freier Unternehmen stehen der Politik nicht zu. Das führt am Ende nur wieder zu einem Dirigismus, wie wir ihn aus den Zeiten des Nationalsozialismus und des Kommunismus in Erinnerung haben. Ganz abgesehen davon, dass es wenig bringen würde, jedenfalls nicht mehr als die Ankündigung des VW-Konzerns, das Gehalt des Vorstandsvorsitzenden zukünftig auf zehn Millionen jährlich zu begrenzen.
Eine Gesellschaft, die sich jeglicher Maßstäbe entledigt hat
Was das Volk als reumütige Einsicht schlucken soll, grenzt an Verhöhnung. Denn auch bei diesem Lohn müsste der Chef noch immer zweihundertmal so viel leisten wie der einfache VW-Arbeiter. Nein, es geht hier nicht um die Korrektur vereinzelten Fehlverhaltens, sondern um die Verkommenheit einer Gesellschaft, die sich jeglicher Maßstäbe entledigt hat.
Wer uns weismachen will, zehn Millionen jährlich wären ein angemessener Preis für die Arbeitskraft einer Frau oder eines Mannes, hat das Gefühl für die Verhältnismäßigkeit verloren. Dass viele Aktionäre dabei mitspielen, entlastet die Raffgierigen nicht. Immerhin geschieht das alles in einem Land, in dem vierzig Prozent der Menschen, so die Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), heute über ein geringeres Realeinkommen als 1999 verfügen.
Auch wenn stimmt, dass es nicht die Sache des Staates sein kann, den Unternehmen vorzuschreiben, wie sie ihr Geld ausgeben, so muss sich die Politik doch nicht als Hehler der Bosse hervortun, indem sie gebetsmühlenhaft behauptet, den Deutschen, allen Deutschen, ginge es heute besser denn je.
Allein, eine Hand wäscht die andere. Oder wie sonst soll man sich erklären, dass das rot-grün regierte Niedersachen, Großaktionär bei VW, es für angemessen hält, die SPD-Genossin Hohmann-Dennhardt mit gut zwölf Millionen Euro abzufinden, nachdem sie kaum dreizehn Monate im Vorstand des Konzerns verbrachte: Business as usual im deutschen Staatskapitalismus 2017.