Rainer Bonhorst / 12.02.2018 / 15:29 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 17 / Seite ausdrucken

Das Trauma der Erbleichten

Ein eigentlich weltbewegendes Bild ging neulich um die Welt, ohne viel Bewegung auszulösen. Es war das Bild eines vor 10.000 Jahren lebenden Briten. Und dieser sogenannte „Cheddar Man“ sah so unarisch aus, wie es unarischer nicht geht. Nun gut, er hatte blaue Augen, was den Verehrer einer nordischen Optik ein wenig trösten mag. Aber sonst: schwarze, wellige Haare und vor allem: afrikanisch dunkle Haut.

Es ist erstaunlich, mit welcher Gleichmut diese optische Enthüllung aufgenommen wurde. Der Verdacht liegt nahe: Es kann sich dabei nur um Verdrängung handeln. Der früheste gefundene Brite – ein Schwarzer? Kann das sein? Darf das sein? Nein, da schaut man lieber nicht so genau hin. Nicht nur auf der Insel, sondern auch bei uns auf dem Kontinent.

Denn auch wir müssen uns fragen: Wenn der alte Brite so aussah, wie sahen dann die alten Kontinentaleuropäer aus? Auch schwarz? So muss es wohl gewesen sein. Zwar waren und sind die Briten nie begeisterte Europäer gewesen. Aber eine enge ethnische Verwandtschaft zum Kontinent lässt sich trotz Brexit nicht leugnen.

Gehen wir also davon aus, dass ganz Europa, die Heimat der blonden Hellhäutigen, einmal schwarzhaarig und dunkelhäutig angefangen hat: Was sagt uns das? So allerlei.

Der Prozess des Erbleichens

Erstens ist der moderne Mensch bekanntlich aus Afrika zu uns gekommen. Da ist es nur logisch, dass er seine sonnenfeste dunkle Haut mitgebracht hat. Aber irgendwann hat dann der Prozess des Erbleichens begonnen. Da hat die schwache Nordsonne sicherlich mitgespielt. Aber auch etwas anderes. Kein geringerer als der Neandertaler, dieser noch ältere, bleiche Nordmensch, soll daran mitgewirkt haben, dass ganz Europa so bleichgesichtig geworden ist. Das vermutet man, seit man weiß, dass die modernen Einwanderer aus Afrika und die alten von der Kälte gestählten Neandertaler sich durchaus vermischt und bis heute ihre Spuren in uns hinterlassen haben. Nur die heutigen Afrikaner sind völlig neandertalerfrei, also reinrassige Moderne.

Wie konnte es dann dazu kommen, dass über lange Zeit hinweg die dank des Neandertalers hellhäutigen Europäer auf die reinrassigen, dunkelhäutigen und modernen Afrikaner herabgeblickt haben? Ich habe nur eine Erklärung: Es muss das tiefsitzende Trauma des Farbverlustes gewesen sein. Oder anders ausgedrückt: Ähnlich dem von Macho Freud erfunden Penisneid müssen die bleichen Europäer unter einem tiefsitzenden, aber uneingestandenen Farbneid gelitten haben. Einige haben den Neid überkompensiert, indem sie ihm einen arischen Hochmut entgegen gesetzt haben. Aber das war und ist der leicht durchschaubare Ablenkungsversuch einer neurotischen Neidgesellschaft.

Wie groß die Sehnsucht nach Farbrückgewinnung ist, sieht man im Sommer an den Badestränden und im Winter in den Sonnenbänken. Wir wollen dorthin zurück, wo wir hergekommen sind: zum Cheddar Man. 

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Peter-Wilhelm Ortag / 12.02.2018

Das Trauma der Erbleichten Lächerliche Küchenpsychologie, Herr Bonhorst; und sehr durchsichtiges heranwanzen an die Politische Korrektheit ... Es ist eigentlich schon lange bekannt, dass hellhäutig, blond-/rothaarig und blau-/grünäugig rezessive Veränderungen sind, die ursprünglich nur eine Gruppe von eiszeitlichen Jägern in Europa betraf, auf die alle hellhäutigen, blond-/rothaarig und blau-/grünäugigen Menschen zurückzuführen sind. Und als hellhäutiger, blonder, blauäugige Nachfahre jeder eiszeitlichen Jäger versichere ich Ihnen: an einem Trauma leide ich wegen meiner Haut-, Haar- und Augenfarbe jedenfalls nicht ;-)

Gabriele Kremmel / 12.02.2018

Farbverlust - Farbneid - Farbrückgewinnung. Selten so gelacht, Herr Bonhorst! Und eine plauslible Kausalkette noch dazu.

Rolf Menzen / 12.02.2018

Nach Cavalli-Sforza setzt sich die heutige Bevölkerung Europas aus drei Einwanderungswellen zusammen. Die ersten vor über 30.000 Jahren waren dunkelhäutige Jäger und Sammler aus Afrika, die zweite vor 8000 bis 10.000 Jahren Ackerbauern aus dem vorderen Orient und die dritte vor 4000 bis 5000 Jahren Viehzüchter aus dem eurasischen Steppengürtel. Die letzteren haben uns die indogermanischen Sprachen und die Fähigkeit, auch im Erwachsenenalter Milcheiweiss verdauen zu können, mitgebracht.

Oliver Hoch / 12.02.2018

Außer den Cheddar Men gibt es auch noch die fromage du camembert women sowie - und dazu zähle ich mich - die Handkäs men, gerne mit Musik.

Wilhelm Hübner / 12.02.2018

Ich dachte bisher, dass es von Seiten der Wissenschaft völlig unklar ist, welche Hautfarbe der aus Afrika eingewanderrte Homo sapiens hat. Aber anscheinend gibt es jetzt 10000 Jahre alte Farbfotos? Bitte um Aufklärung!

Wolf-Dieter Schmidt / 12.02.2018

Dass dieser Einzelne schwarze Haut hatte, mag sein. Ich hab aber ein Problem mit der Geschwindigkeit der Ausbreitung der hellen Haut quer über den ganzen Kontinent und vielleicht noch weiter darüber hinaus. In den 10.000 (Wikipedia schreibt vor ca. 9000 bzw. 9100) Jahren, also innerhalb von nur 500 Generationen? Wobei das noch weniger Jahre bzw. Generationen sind, denn mir ist nicht bekannt dass irgendwann bei den alten Griechen oder Römern was von dunkler Haut der Einheimischen gemurmelt wurde. Also haben wir nur 400 Generationen Zeit. Der erste Weiße muss da ja ein Teenie-Schwarm wie ein Justin Bieber zum Quadrat gewesen sein, einer mit dem alles Weibliche bis zum Horizont rammeln, rammeln und nur rammeln wollte. Anders kann ich mir in so kurzer Zeit nicht die Ausbreitung dieser Genveränderung über den ganzen Kontinent vorstellen. Nee! Da ist irgendwas was faul an der Geschichte. Verunreinigte DNA oder das ist kein typischer Vertreter oder sonstwas seltsames.

Quentin Quencher / 12.02.2018

Nun ja, wer schon mal in Süd- und Südostasien unterwegs war, wird schnell feststellen, dass die Menschen dort unter Farbrückgewinnung etwas ganz anderes verstehen, die wollen nämlich unbedingt so hell wie möglich aussehen. Zu dunkle Haut wird als Manko verstanden, weshalb länger Aufenthalt in der Sonne unbedingt zu vermeiden ist. Meine Schwägerin, selbst unter Philippinas ein eher dunklerer Typ, ging entweder nur Nachts ins Meer, oder badete bei Sonnenschein mit einem als Sonnenschirm umfunktionierten Regenschirm. Gerüchten zufolge, sollen chemische Hautaufheller zu den meistverkauften kosmetischen Produkten gehören. Das lustigste diesbezüglich ist mir in einer Garküche auf Bohol passiert. Ich hatte meine damals zweijährige Tochter - sie ist ein genetischer Cocktail, halb deutsch, halb philippinisch, mit ein paar spanischen Einsprengsel aus der Vergangenheit und hat demzufolge einen eher hellen Teint - auf dem Arm, als mich eine junge Frau ansprach und mich bat, ihr bitte auch so ein Kind mit solch schönen Haaren und heller Haut zu machen. Ich dachte, das wäre ein Spaß und sagte ihr, dass soll sie bitte mit meiner Frau aushandeln. Das versuchte sie dann tatsächlich und versicherte meiner Frau, sie wolle wirklich nur so ein Kind und hätte keine weiteren Ambitionen. Der darauf folgende Ehekrach lehrte mich, das Thema Hautfarbe etwas ernster zu nehmen. Nur wegen meiner hellen Haut wurde ich beinahe, wenn es meine Frau nicht verhindert hätte, Opfer eines Samenraubes. Immer wenn ich diese Geschichte erzähle, kann ich mir ein leicht süffisantes Lächeln nicht verkneifen, was dann meine Frau jedesmal zu der Bemerkung veranlasst, dass ich die Frauen nicht verstehen würde. Da hat sie sicher Recht, aber diejenigen die sich im Aussehen zum Cheddar Man hin entwickeln wollen, verstehe ich noch viel weniger. Muss irgendwas mit Selbsthass zu tun haben.

Gabriele Schulze / 12.02.2018

Da erhebt sich (mir) die bange Frage: was will der Autor damit sagen?

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