Markus Vahlefeld / 24.05.2017 / 06:26 / Foto: Willy Pragher / 15 / Seite ausdrucken

Das Stinken des Fisches

Es ist eine dieser Binsen, die einen in Sicherheit wiegen: Der Fisch stinkt vom Kopfe her. Tauschte man also den Kopf - das sind in der Regel die politischen und medialen Eliten - aus, würde alles gut. Aber so leicht ist es nicht. Denn so wie der Kopf stinkt, so stinken inzwischen auch die Füße. Die "Achse des Guten" hat es getroffen und auch "Tichys Einblick", die beide auf der von der Amadeu-Antonio Stiftung finanzierten Seite „Netz gegen Nazis“ auftauchten. Erst als auch CDU und CSU auf der (Anti)-Nazi-Seite ins Visier genommen wurden, schaltete der Kopf die Seite ab. Inzwischen ist sie wieder auferstanden unter dem Namen belltower.news. Das Ziel ist dasselbe: Die Grenzen des Denk- und Aussprechbaren sollen enger gezogen werden. Was sich jenseits der Grenzen bewegt, wird nicht argumentativ widerlegt, sondern mit einem Bannfluch belegt. Nicht der Diskurs wird gesucht, sondern die moralische Ächtung.

Auch das Phänomen Gerald Hensel, der zu einem Werbeboykott von "Achse" und "Tichys Einblick" aufrief, zeigt ja, dass es das Fußvolk ist, das exekutiert, was es im Einklang mit dem Kopf zu verstehen meint, ohne dass der Kopf es je gesagt haben müsste. Dieses vorauseilende Verstehen kann man dem Kopf anlasten, aber es sind immer noch die Füße, die marschieren. Michael Klonovsky fasste es recht treffend auf seinem Blog zusammen: „Die Nazi-Mentalität befindet sich mal wieder auf Nazisuche.“

Nun hat es auch die bekannte Schriftstellerin und "Achse"-Autorin Cora Stephan getroffen. Am 10. April 2017 ging ihre Kolumne „Wer sich alles an Afrika versündigt hat“ auf der Seite der "Wirtschaftswoche" online und wenige Stunden später war die Kolumne plötzlich wieder weg. Verschwunden. Offline. Ohne Begründung. Nicht ein Wort, fünf Wochen lang.

Von wegen Solidarität unter Frauen

Cora Stephan schrieb seit Januar 2015 ihre „Stephans Spitzen“ für die "Wirtschaftswoche" und war, wenn man nach den vielen 5 Sternen geht, bei den Lesern sehr beliebt. Aber Erfolg ist beim Fußvolk inzwischen verpönt und um des Redaktionsfriedens willen opfert dann eine weibliche Online-Chefin gerne mal die einzige weibliche Kolumnistin (neben der ehemaligen Chefredakteurin). Von wegen Solidarität unter Frauen und so. Man ruft wegen so etwas vielleicht lautstark zur Wahl Hillary Clintons auf, aber im Redaktionsalltag gelten andere Gesetze.

Was war geschehen? Cora Stephan nimmt in ihrer Kolumne einen Satz der größten Bundeskanzlerin aller Zeiten ins Visier, den sie vor Entwicklungshelfern gesagt haben soll, und der lautete: „Wir haben uns in der Kolonialzeit an Afrika versündigt.“ Es ist dieser salbungsvolle Religionskitsch, der Cora Stephan so aufstößt, und sie fragt: „Was genau ist damals geschehen, das man als Sünde bezeichnen müsste, weil es kein anderes Wort dafür gäbe – etwa politischer Fehler, menschliche Verrohung, andere Zeiten, Verbrechen?“

Was ist an dieser Frage falsch? Nicht nur Cora Stephan wünscht sich, deutsche Politiker würden nicht nur noch in Kategorien von Schuld, Sünde, Sühne und Erlösung palavern. Politik verkommt zum Religionsersatz und statt Argumenten werden Predigten vorgetragen. Das ist Deutschland 2017 mit einer Kanzlerin, die - wer will das bezweifeln? - kurz vor der Wiederwahl steht.

Was dann folgt, ist ein Drama ohne Akte, denn die Zuständigen reagieren auf mehrmalige Anfragen ihrer Kolumnistin nicht. Keine Erklärung, kein Diskurs, keine Reaktion. Damit würde man sich angreifbar machen und dazu ist das Fußvolk schlicht zu feige. Ohne der Online-Chefin der "Wirtschaftswoche" zu nahe treten zu wollen: Meist kommen derartige Nicht-Reaktionen von Menschen, die nicht müde werden, an anderer Stelle Offenheit und Gespräch anzumahnen.

Die Grenzen werden täglich enger gezogen

Am Ende steht die Kündigung von Cora Stephan, und die "Wirtschaftswoche" ist um eine erfolgreiche Kolumne ärmer.

Die Grenzen des Denk- und Aussprechbaren werden täglich enger gezogen. Zumindest in Deutschland. Doch ich verwette meine Stofftiersammlung, dass Cora Stephan sich den Mund und das gesunde Denken nicht verbieten lassen wird. Dafür muss sie wohl in die Schweiz wechseln, aber die Zeitungen dort sind bekanntlich das neue Westfernsehen, das sich in Deutschland schon lange selbst abgeschafft hat.

Der Fisch stinkt auch an den Füßen.

Wer sich selbst eine Meinung über Cora Stephans Kolumne bilden will, HIER

Markus Vahlefeld hat soeben das Buch „Mal eben kurz die Welt retten“ veröffentlicht (Vorwort von Henryk Broder), es ist bei amazon oder im Buchhandel erhältlich oder direkt bei http://markus-vahlefeld.de

Foto: Willy Pragher CC BY 3.0 via Wikimedia

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Leserpost

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Ulla Smielowski / 24.05.2017

Den Artikel von Cora Stephan habe ich gelesen und finde ihn realistisch und an der Wahrheit. Allerdings will man uns hier vom Staat viel Schuldgefühle einflössen. Damit lässt sichs besser regieren. Einige fühlen sich besonders toll, wenn sie dann jemanden gefunden haben, auf dem sie herumhacken können, oder wie bei Cora Stephan den Artikel einfach löschen. Vor allem, wenn es dann auch noch um Konkurrenz geht. So kann man gute Journalisten ohne Gefahr entfernen

Olaf Romer / 24.05.2017

Deutschland zerlegt sich mit seinem immer offensichtlicherem medialen Zwang nach Gleichschaltung selbst. Kritischer Zeitgeist unerwünscht Merkel oder Maasfloskeln sind das neue NonPlusUltra. Und so hat der Autor recht ARD und ZDF sowie auch Mainstreampresse sind out. Sachliche Information findet wo anders statt im Netz oder eben unserem Nachbarn.

Roger Mathews / 24.05.2017

Der Starke kann auch eine andere Meinung aushalten, weil er einfach weiß was er an sich hat. Wer Meinungen unterdrückt, sich mit anderen nicht auseinander setzten möchte oder kann zeigt das er sich seiner Überlegenheit gar nicht so sicher ist. Auch eine Ideologie, dazu zähle ich auch die derzeitigen vergrünten Blockparteien, die meint Nachrichten lenken zu müssen, ist sich nicht der Mehrheit sicher bei den “normalen” Bürgern (und Bürgerinnen natürlich) und ihren Gedanken und Meinungen.  Letztlich ist jede Zensur ein zeichen der Schwäche.

Dr. Bredereck, Hartmut / 24.05.2017

Sehr geehrter Herr Vahlefeld, es ist prima, dass Sie für Cora Stephan eine Bresche schlagen. Sie gehört wirklich zu den besten wirtschaftspolitischen Journalisten Deutschlands. Immer am Puls der Zeit, wachsam und kritisch. Als ich davon hörte, dass “Stephans Spitzen” aus der Wiwo verbannt werden sollten, habe ich sofort die damalige Chefredakteurin und neue Herausgeberin Miriam Meckel angeschrieben und mich als Leser beschwert. Eine Antwort bekam ich nicht. Immerhin bequemte sich der jetzige Chefredakteur Beat Balzi, mir zu antworten, dass “auf interne Vorgänge der Wiwo keine Angaben gemacht werden”. Er versicherte aber, “dass die Meinungsvielfalt auch in Zukunft gepflegt würde”.  Wir werden diese Aussage künftig überprüfen und hinterfragen. Im Übrigen hatte Cora Stephan bereits 2012 nahezu “hellseherische Fähigkeiten”, was die Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre unselige Poiltik anbelangt. In “Anela Merkel - Ein Irrtum” hat Stephan die gravierenden Fehler der Kanzlerin aufgezeigt und kritisiert. Dies betraf nahezu alle Politikfelder, egal ob Steuer-und Rentenpolitik, verfehlte EU Politik oder als Klimakanzlerin. Cora Stephan hat immer scharf analysiert und in den meisten Fällen Recht behalten. Wir brauchen auch zukünftig kritische Journalisten in Deutschland und dazu gehört Cora Stephan an vorderster Front.

Rainer Küper / 24.05.2017

“Die Schweizer Zeitungen sind das neue Westfernsehen.” Stimmt. Nehme man beispielsweise die Neue Zürcher Zeitung NZZ. Im Gegensatz zu den hiesigen Gehirnwäsche-Medien sind in der NZZ neben Meinungen und Kommentaren hauptsächlich Nachrichten zu lesen, im klassischen Sinne.

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