Peter Grimm / 13.03.2017 / 06:15 / Foto: Tom Koerner / 10 / Seite ausdrucken

Das Reden und Schweigen der Außenminister

In früheren Zeiten hätte so mancher Herrscher schon über eine Kriegserklärung nachgedacht. Jetzt drohen türkische Politiker ja immerhin „nur“ mit dem NATO-Austritt. Vor nicht allzu langer Zeit hätte jeder dieses Szenario als absurde Vorstellung abgetan: Türkische Regierungsmitglieder wollen vor Türken im Ausland türkische Innenpolitik machen, egal ob es dem Gastland gefällt oder nicht. Über regierungsoffizielle Ansagen, beispielsweise aus Den Haag, dass sie mit diesem Anliegen unerwünscht seien, setzen sie sich einfach hinweg und sind anschließend über die Gegenwehr empört. Der türkische Außenminister durfte nicht in den Niederlanden landen, weil er dort unerwünschte Propaganda für Erdogans Ermächtigungsgesetz, äh Verzeihung, die türkische Verfassungsänderung, machen wollte. Darüber war der Chef aller türkischen Diplomaten derart empört, dass er gegen „faschistische“ Methoden wetterte.

Die türkische Familienministerin versuchte es anschließend auf dem Landweg, weil sie ohnehin zu einem Wahlkampfauftritt in Deutschland weilte. Dass ihr Konvoi gestoppt und zurück nach Deutschland eskortiert wurde, damit zeigte die niederländische Regierung eine Entschlossenheit, die in den größeren Ländern der EU leider ihresgleichen sucht. Um Stärke zu zeigen, ließen die türkischen Behörden holländische Vertretungen in Ankara und Istanbul sowie die Residenz des Botschafters von der Polizei abriegeln. Sanktionsdrohungen türkischer Minister und Nazi-Vergleiche nun auch für Holländer garnierten diese Eskalation. Dabei haben die Niederlande nur auf unerträgliche Zumutungen und Provokationen klar reagiert und Worten auch Taten folgen lassen.

Den Mut überlässt man Bürgermeistern und Dezernenten

Wäre hier nicht ein klares Wort des deutschen Außenministers angebracht, mit dem sich der große östliche Nachbar deutlich an die Seite der Holländer stellen würde? Am Sonntag zumindest konnte man das noch nicht vernehmen. Aber seit seiner Rückkehr aus Moskau hatte der Minister auch noch nicht genügend Zeit dafür. Schließlich ist er ja auch noch SPD-Vorsitzender und als solcher musste er zunächst dringend nach Schöppenstedt. Die Hauptversammlung des SPD-Ortsvereins erwartete den Spitzengenossen in der Gaststätte „Zum Zoll“, um die 50jährige SPD-Mitgliedschaft von Schöppenstedts Bürgermeister zu feiern.

Was müssen die Holländer auch die mächtige Türkei provozieren? Gabriel hatte seinem türkischen Kollegen erklärt, hierzulande sei die Bundesregierung nicht zuständig für Auftritte ausländischer Regierungsmitglieder. Machtproben mit der Gefolgschaft der regierenden türkisch-islamistischen Partei AKP und ihrem Führer Erdogan überlässt die politische Elite lieber weiterhin Bürgermeistern, Dezernenten und Landräten. Sehr mutig.

Doch darf man Türken aus der Türkei den Wahlkampf unter Türken in Deutschland verbieten? Wenn sie nicht mit den Privilegien eines Regierungsmitglieds einreisten, sondern so wie jeder normale Bürger ein Visum beantragen und kommen würden, wäre das sicher undenkbar. Aber eigentlich muss man sich diese Frage gar nicht stellen. Denn türkischen Politikern ist der Wahlkampf im Ausland verboten. Nach türkischem Recht dürfen sie zu entsprechenden Auftritten nicht das Land verlassen. Das entsprechende Gesetz gilt seit 2008 und wurde seinerzeit sogar auf Betreiben von Erdogans AKP beschlossen. Dort heißt es in Artikel 94/A: «Im Ausland und in Vertretungen im Ausland kann kein Wahlkampf betrieben werden.»

Der Vertreter der Oppositionspartei CHP in der Wahlkommission, Mehmet Hadimi Yakupoglu, sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass in dem Gesetz nur nicht geregelt sei, wer dessen Einhaltung kontrolliere und welche Strafen bei Verstößen angewendet würden. «Deshalb besteht es nur als moralische Regel.» Die Vorgabe werde von «allen Parteien» missachtet.

Dann ist es doch eigentlich ein selbstloser Dienst am türkischen Rechtsstaat, wenn nun europäische Regierungen dafür sorgen, dass sich türkische Politiker zumindest in diesem Punkt an ihre eigenen Gesetze halten müssen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf PeterGrimms Blog Sichtplatz hier.

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Leserpost

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Sepp Kneip / 13.03.2017

Hut ab vor den Holländern! Solche Konsequenz wünscht man sich auch mal von deutchen Politikern. “Deutsche” Politiker? Gibts die überhaupt noch? Zumindest unter den “Etablierten” sehe ich weit und breit keinen. Alle schwafeln sie rum, bemühen das Grundgesetz und “unsere Werte” und stehlen sich auf ganz billige Art aus der Verantwortung. Sollen die doch die Kommunalpolitiker die nationalen Interessen übernehmen. Selbst ist man ja nicht mehr national, sondern multilateral. Soll doch Erdogan in Deutschland machen, was er will. Selbst die Klarstellung durch das Bundesverfassungsgericht lässt unsere “Etablierten, wie beispielsweise Oppermann, immer noch von einer Notwendigkeit faseln, Erdogan und seinen Ministern ja die Einreise für ihre Wahlwerbung nicht zu verbieten. Was haben diese Herrschaften eigentlich im Hinterkopf? Ihre eigenen Wählerstimmen, die sie sich von den Türken erhoffen? Da lobe ich mir doch Rutte, der so kurz vor der Wahl in Holland Flagge zeigt.

Reimer Westlich / 13.03.2017

Ganz untätig blieb das AA nicht: laut FOCUS online hatten sich die niederländischen Behörden an das deutsche Außen- und Innenministerium gewandt mit der Bitte, die Reise der türkischen Familienministerin zu stoppen. Laut FOCUS blieben jedoch “beide Ministerien .... untätig, wollten sich nicht in den Konflikt einmischen”. Man kann förmlich sehen, wie im AA die Köpfe rauchten, sich aus dieser Sache rauszuwinden. So viel zum Thema “deutlich an die Seite der Holländer stellen”.

Maria-José Blumen / 13.03.2017

Deutschland ist verpflichtet den Niederlanden beizustehen Ideal wäre wenn dies im Rahmen der EU geschähe. Die EU kann keinen Diktator an ihrer südöstlichen Grenze gewähren lassen. Die Menschen mit türkischem Pass die bei uns wohnen müssen verstehen dass sie Gäste sind & sich auch so zu verhalten haben. Die Menschen mit türkischem Hintergrund die einen deutschen Pass haben sind hoffentlich auch geistig inzwischen in Deutschland angekommen & sehen die deutsche Regierung als die ihrige an. Ansonsten können sie sich ja gerne um die türkische Staatsbürgerschaft bemühen & wieder als Gäste hier leben. Leider haben Grüne, Linke & SPD das Zwitterwesen Doppelter Staatsbürger geschaffen. Dies war nicht gut & hat niemandem geholfen, ausser vielleicht Erdogan, der damit eine fünfte Kolonne in Deutschland, den Niederlanden & sonstwo stehen hat, die ihm zujubeln & die er als Waffe in seinem Kampf um die absolute Macht einsetzen kann. Wenn Deutschland wieder den Schwanz einzieht, wie damals schon als in Dänemark ausländische Mächte europäische Werte bedrohten (damals die Meinungsfreiheit durch Karikaturen - heute die rechtsstaatliche Demokratie der Türkei) dann dürfen wir uns nur schämen und den Türken, die weiterhin in einer Demokratie leben wollten nicht mehr in die Augen schauen. Zum Schluss eine Frage an alle die glauben es wäre wichtig türkische Politiker in Deutschland für die Einführung einer Diktatur Propaganda betreiben zu lassen: Würden wir erwarten dass deutsche in Ankara einen Christopher-Street-Day abhalten können um für die völlige Gleichstellung von Schwulen und Lesben in Deutschland durchzusetzen? Jeder demonstriere und rede in seinem eigenen Land für die Anliegen die ihm am Herzen liegen. Es sei denn man gehört zu einer verfolgten Minderheit die sich im eigenen Land nicht auf die Strasse trauen kann.

B.Kröger / 13.03.2017

Sigimar Gabriel setzt eben Prioritäten. Denken Sie bitte auch an die Sprecher des Auswärtigen Amtes. Das AA scheint inzwischen ein Hort der Hochbegabten zu sein.

Karla Kuhn / 13.03.2017

” Gabriel hatte seinem türkischen Kollegen erklärt, hierzulande sei die Bundesregierung nicht zuständig für Auftritte ausländischer Regierungsmitglieder. Machtproben mit der Gefolgschaft der regierenden türkisch-islamistischen Partei AKP und ihrem Führer Erdogan überlässt die politische Elite lieber weiterhin Bürgermeistern, Dezernenten und Landräten. Sehr mutig.”  Es ist zum schämen!!! Die Niederlande, ein wichtiger Nettozahler in der EU (vielleicht verlassen sie die EU nach diesem Eklat) wird von Gabriel mit keiner Silbe unterstützt, sein Amt als Außenminister hat er damit gleich am Anfang beschädigt und D. mit. Wo sind die MUTIGEN,  KÄMPFERISCEN Politiker geblieben ?? Alle ausgestorben.

Wolfgang Schmid / 13.03.2017

Das BVerfG hat klar gemacht, dass a) es von der Zustimmung der Bundesregierung abhängt, ob und wie Staatsoberhäupter und Mitglieder ausländischer Regierungen in Deutschland auftreten können und b) “dass die Bundesregierung ihr Ermessen in auswärtigen Angelegenheiten in einer bestimmten Richtung ausübt.” BVerfG Beschluss vom 08. März 2017 - 2 BvR 483/17 Das harte Durchgreifen der Niederlande erfolgte nur, weil Herr Wilders kurz davor steht, stärkste Macht im Parlament zu werden. Bei Mehrheitsverhältnissen wie in der BRD, wo es eine Opposition nur außerhalb des Bundestages gibt und wo die Partei des Vizekanzlers und Außenministers mehrheitlich von türkischstämmigen Wählern gewählt wird, passiert gar nichts.

Günter Schaumburg / 13.03.2017

Wo ist denn nun die viel gepriesene europäische Einheit? Man wusste doch schon seit langem, was der ‘kranke Mann vom Bosporus’ so alles drauf hat und er ein Meister des Trickens und Spaltens ist. In weiser Voraussicht - offensichtlich ist das bei der Mehrzahl der Politiker Mangelware - hätte es eine Strategie des gemeinsamen Vorgehens geben müssen. So steht Holland nun allein im Regen, während Berlin zaghaft bellt, aber nicht beißt. Fehlt etwa in Brüssel der SPD-Maddin?

Hans Meier / 13.03.2017

Die Merkelisten sitzen im Mauseloch und sind stinkig vor lauter entsetzlicher Dummheit. Sie meinen immer noch die GEZ und die geschmierten Medien könnten sie „schönschreiben“, ohne dass der Gestank, den sie verströmen, der so nach Aas riecht, nicht auffallen würde.

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