Quentin Quencher / 09.06.2018 / 11:31 / Foto: Pixabay / 51 / Seite ausdrucken

Das Pfeifen im Stadion

Die Pfiffe gegen die türkischstämmigen deutschen Fußballnationalspieler Gündogan und Özil, live in jedes Wohnzimmer übertragen, wirken auch wie ein Angriff auf die Schweigespirale des "Politisch Korrekten" und haben Bedeutung weit über den Fußball hinaus. Die Pfiffe zeigen an, aus Latenz wurde Präsenz, aus gefühltem Unmut wurde artikulierter Protest. So was kann zum Selbstläufer werden – alle Revolutionen beginnen so – und auch diejenigen anspornen, die sich bislang nicht trauten den Mund aufzumachen und vom Charakter eher Mitläufer sind. Allmählich der Sicherheit der Masse beraubt, suchen sie sich neue Orientierungspunkte, was gleichzeitig bewirkt, dass dem Mainstream nicht mehr vertraut werden kann, er ist möglicherweise keiner mehr.

Nun bin ich ja kein Fußballfan, habe die Spiele der Nationalelf gegen Österreich oder Saudi-Arabien auch nicht gesehen, nur im Radio ein paar Ausschnitte mitbekommen. Doch das Pfeifen war deutlich, auch die Kommentatoren mussten darauf eingehen und erklären. Eine gewisse Hilflosigkeit war ihnen anzumerken. Das Treffen mit Erdoğan wäre eine Dummheit gewesen, und die Spieler hätten sich ja zu den Werten unserer Gesellschaft bekannt, doch vor allem hätten sie die Wirkung ihres Handelns unterschätzt. Nichts an die diesen Erklärungen ist falsch, nichts an diesen Erklärungen ist richtig, sie wirken hilflos in der Beschreibung von etwas, was sie nicht begreifen: den Stimmungswandel. Wie genau dieser aussehen wird, ist momentan noch nicht ersichtlich, es überwiegt derzeit noch der Unmut, über das was ist. Pfiffe zeigen Fehler an, das was falsch läuft, eine Unzufriedenheit – mehr nicht.

Allerdings wirken die Pfiffe auf mich nicht wie das Pfeifen eines Ventils, dass den Überdruck im Kessel reguliert und dafür sorgt, dass dieser uns nicht um die Ohren fliegt, nein, dieses Pfeifen ist unkontrolliert, eher wie ein Riss in der Staumauer. Ein Tabu wurde gebrochen, das Diktat der Politischen Korrektheit wurde hinweggefegt. Die hilflosen Erklärungsversuche der Kommentatoren und Moderatoren in TV und Radio zeigen auf, was sie sich noch nicht zu denken getrauen und dass ein Dammbruch in der Gesellschaft bevor steht. Und der hat überhaupt nichts mit Fußball zu tun, hier zeigen sich nur die ersten Risse. Jedenfalls für diejenigen Mitläufer und Opportunisten, die diese Risse in der Gesellschaft bislang nicht sehen wollten. Nun wurden sie auf ihren Sofas damit konfrontiert, die Pfiffe waren nicht zu überhören.

Zuletzt von Quentin Quenchererschienen: »Mein Ausreiseantrag«.

Foto: Pixabay

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toni Keller / 09.06.2018

Die letzte Wahl war auch schon ein erstes Grummeln, nur wurde es, bei den Verantwortlichen, nicht gehört. Es heißt hier immer wieder “87% der Wähler haben ein “weiter so” gewählt” und so scheint es in der Tat. Aber realiter hat der Wähler “seiner” Regierung gesagt : “Ihr habt alle richtig fette Verluste eingefahren, aber dennoch trauen wir euch zu, nun euren Job zu machen, und euch um euren Amtseid zu bekümmern!” der Wähler hat also eine mündliche Abmahnung ausgesprochen, wenn man so will. Das Drama ist, dass genau diese Botschaft “da oben” nicht angekommen ist. Deshalb grummelt es auch weiter. Gerüchteweise wird es bei der diesjährigen WM nicht zu den großen public viewing Events kommen, wegen der Terrorgefahr, auch das wird nur ein Überdruckventil verstopfen.

HaJo Wolf / 09.06.2018

Das Ende der Honecker-DDR hat in einer Kirche angefangen, warum sollte nicht das Ende Merkel-Deutschlands in einem Fußballstadion beginnen? Beide Spieler wussten genau, was sie taten, als sie den Diktator Erdogan als ohren Präsidenten bezeichneten. Und beide wussten genau, dass sie vor Erdogans politischen Karren gespannt wurden. Hätten DFB und Löw Cochones, wären beide sofort aus der DEUTSCHEN Nationalmannschaft gestri hen worden. Aber vielleicht ist es gut so, wenn beim Public Viewing dann auch Pfiffe ertönen, könnte das das Signal zum Widerstand gegen die Merkeltur sein, auf da viele so sohnsüchtig warten.

Petra Genter / 09.06.2018

Man sollte nicht vernachlässigen, dass Fußball im Stadion nach wie vor eine Plattform des “kleinen Mannes” ist. Hier existiert noch Realität und Überlebenskampf. Die politische Korrektheit hat hier wenig Entfaltungsmöglickeiten hat, da sie ein Abfallprodukt des schlechten Gewissens der mittlerweile nicht mehr humanistisch gebildeten saturierten Eliten ist. Es waren Olga vom Zeitungskiosk und Ali von der Dönerbude, mit denen man über die “Verwerfungen” und Verfehlungen einer so genannten Willkommenskultur reden konnte und nicht die linksgrünen Freunde. Man hat unkontrolliert Menschen in die Häuser und Straßen, öffentlichen Schulen und U-Bahnen anderer eingeladen, Orte an denen man sich selber nicht aufhält. Als würde man eine Einladung zum Feiern verschicken mit der Adresse seines Frisörs. Widerwärtig und heuchlerisch ist das. Diesen Leuten hat man Gäste aufgehalst, die sie gar nicht kannten. Und genau diese Leute werden das sein, was die Alt- 68er und Nachfolger so gerne einmal im Leben gewesen wären: Umstürzlerisch.

Detlef Rogge / 09.06.2018

Wer meint, dass der ethnologische Wandel in Deutschland ein träger vor sich hin dümpelnder Prozess bleiben wird und dass die Konsequenzen der bizarren Ausländer- und Asylpolitik ihn zu Lebzeiten nicht einholen können, der kann sich irren. Einer der drei Grundsätze der materialistischen Dialektik von Friedrich Engels ist das Gesetz des Umschlagens quantitativer Veränderungen in qualitative und umgekehrt. Beim Erhitzen ändert flüssiges Wasser seinen Aggregatzustand erst bei exakt 100 Grad, dann verdampft es zu Wasserdampf, vorher geschieht nichts Bedeutsames. Wie lange es braucht, das Wasser im heimischen Kessel zum Siedepunkt zu bringen, ist ungewiss, dass es ihn erreichen wird, denn die treibende Energie versiegt nicht, ist dagegen sicher.

Stefan Leikert / 09.06.2018

Da ist gehörig Druck im Kessel. Und eine Übersetung dieser Pfiffe lautet: Merkel muß SOFORT weg! Ich gebe ihr noch ungefähr 10 Tage.

Marc Stark / 09.06.2018

Zunächst mal bin ich stolz auf unsere (unpolitischen???) Fans. Mir geht das Pfeifen aber wahrscheinlich in die falsche Richtung. Ich die beiden Jungs verstehen - es ist wie bei Scheidungskindern. Ich zumindest würde mich für den selbstbewussten Part entscheiden, statt denjenigen der sich selbst verachtet. Die Jungs sind nur nicht konsequent, mann sollte dann auch diesem Part komplett loyal sein und nicht hin und nicht zwischen den dicksten Rosinen hin und herpendeln. Mein Pfeifen richtet sich vielmehr gegen den rückgratlosen Elternteil, der sich die Liebe erkaufen will und sich trotzdem Ohrfeigen von seinem Sprössling einfängt und dann noch gute Miene dazu macht. Es ist dieser hochkonforme Opportunismus der mich so wütend macht. Diese Toleranz-Naivität gegenüber dem Sprössling und dann noch der Zeigefinger gegen die Kritiker solcher Handlungsweise. Die Dreistigkeit eines Olli Bierhoff, jetzt ist aber mal langsam Ruhe im Karton verstärkt diesen Effekt noch zusätzlich. Ich teile den Hoffnungsschimmer. Zeitgleich mit Bamf, Suzanna, den Demos und diverser andere Vorkommnisse hat die Wurzelbewegung allmählich das Potenzial erste Blüten zu treiben. Das Pfeifen wirkt hier wie ein zusätzlicher Katalysator :-))))))))))))))

Emmanuel Precht / 09.06.2018

Und es ist gut wenn weiter Gepfiffen wird weil 1. In Zukunft gewusst ist was es für Folgen haben kann und unterbleibt 2. Der Trainer ebensolche Uneinsichtigen nicht mehr aufstellt, da er die möglichen Folgen erlebt hat Also noch einige Dezibel drauflegen! Danke. Wohlan…

Georg Dobler / 09.06.2018

Interessanter Aspekt, Herr Quencher. Wenn es tatsächlich ein Stimmungswandel ist, dann freue ich mich darauf dass dieser bald richtig Fahrt aufnimmt und sich auch im Alltag außerhalb des Stadions zeigt.

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