Vera Lengsfeld / 24.10.2016 / 12:36 / 6 / Seite ausdrucken

Das neue Deutschland: „All cops are bastards“

Der Skandal liegt schon einige Wochen zurück, hat aber, bis auf eine Sendung im Deutschlandfunk, in der Berichterstattung die Grenzen Thüringens kaum überschritten. Unter dem infantilen Motto „#R2G Für mehr Punk in der Politik“, das ein bezeichnendes Licht auf die Arbeit der Rot-Rot-Grünen Koalition in Erfurt wirft, haben sich die drei Fraktionsvorsitzenden - die Linke Susanne Henning-Wellsow, der Grüne Dirk Adams und der Sozialdemokrat Matthias Hey - vor dem Landtag ablichten lassen. Zu allem Überfluss demonstrierte Hey noch seine Unkenntnis der Geschichte mit einer geballten Thälmann-Faust, dem Gruß der Terrortruppe der KPD. 

Eine Abkürzung und die nachträglichen Umdeutungen

Im Büro von Henning-Wellsow wurde das Foto von einem Mitarbeiter bearbeitet. Dabei platzierte dieser „junge Kreative“, wie er in den Medien genannt wird, ein Graffito an die Wand: ACAB, Abkürzung von „All cops are bastards“. Frau Henning-Wellsow ließ das Foto auf ihrer Homepage veröffentlichen. Sie will von dem Zusatz ihres Mitarbeiters nichts bemerkt haben. Als der Skandal aufgedeckt wurde, entschuldigte sich der Grüne Adams: „Was dort im Hintergrund in der Struktur, in der Fassade versteckt war, hat niemand von uns gesehen. Das war die Idee eines jungen Kreativen, das dort einzusetzen, im Hintergrund, in der Struktur. Und das ist bestimmt ein Fehler gewesen.“

Ein Fehler, der offenbar keine Konsequenzen haben soll, denn weder wurde bekannt, dass Frau Henning-Wellsow sich mit ihrem Mitarbeiter auseinandergesetzt hätte, noch dass sie sich überhaupt einer Schuld bewusst war. Im Gegenteil. Sie erklärte rotzfrech schriftlich, ihre „Satire" sei missverstanden worden. „ACAB" hieße „All Cats Are Beautiful". Ihr Parteifreund, Ministerpräsident Bodo Ramelow, meinte dann, auf Twitter noch andere Deutungsvarianten hinzufügen zu müssen, etwa „Acht Cola, acht Bier" oder „Arme CDU ahnt Blamage“.

Es zeugt von einer geradezu grotesken Arroganz der Macht, wenn man glaubt, sich wie der absolutistische Adel vor der Französischen Revolution aufführen zu können. Unsere Volksvertreter sind nicht nur dazu übergegangen, ihre Wähler zu beschimpfen, wenn die Widerspruch wagen, sie demonstrieren offen ihre Verachtung der Verfassungsorgane.

Bezeichnend ist, dass in Zeiten, wo für designierte CDU-Minister ein Like an der „falschen“ Stelle genügt, um abgesägt zu werden, der Thüringer Skandal unter der Decke gehalten wird. Er wird sogar genutzt, um die unerträgliche Doppelmoral der Linken zu demonstrieren. So verstieg sich etwa Valentine Franck von der Thüringer Linksjugend zu der folgenden Einlassung: "Ich denke, Gewalteinsätze auf Demonstrationen sind sehr selten gerechtfertigt und kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Was man in letzter Zeit aber oft beobachten kann, ist eine verstärkte rechte Gewalt gegen Polizistinnen, und das verurteilen wir natürlich in aller Schärfe.“

Wie Polizisten aus Erfahrung wissen, sind es überwiegend Linke, die mit Gewalt gegen die Beamten vorgehen. Das verurteilt die Linksjugend nicht nur nicht, sondern unterstützt es. Polizisten, die sich diesen Attacken ausgesetzt sehen, müssen eine derart arrogante Demagogie als Schlag ins Gesicht empfinden.

Politiker sehen dem Kollaps zu

Unsere Kanzlerin hat das postfaktische Zeitalter ausgerufen. Seither kümmern sich Politiker noch weniger um Tatsachen als früher. In Berlin zeigt sich die Wirklichkeit, dort ist bereits der Polizei-Notstand ausgebrochen. Die Probleme sind so groß, dass sich die Hauptstadtmedien damit beschäftigen müssen. Es gab nicht nur einen Offenen Brief von Polizisten an den Polizeipräsidenten Klaus Kandt, es gab auch den Offenen Brief einer Polizistenfrau, der so bewegend war, dass der Berliner Rundfunk ihn einen ganzen Tag lang zum Hauptthema seiner Sendung gemacht hat.

Bekannt waren die Missstände schon lange, geändert hat sich noch immer nichts. Die Polizei in Berlin ist hoffnungslos überfordert und die Politik sieht dem langsamen Kollaps tatenlos zu. Meldungen der letzten Woche: Randale in Friedrichshain, Polizei verliert den Kampf gegen die Drogendealer im Görlitzer Park, Messerangriff auf einen Polizisten, verletztes Kind im Flüchtlingsheim, Krankenstand bei der Polizei überdurchschnittlich hoch.

Nun hat die Gewerkschaft der Polizei wieder einmal Alarm geschlagen. Sie fordert 3000 neue Beamtenstellen für die Hauptstadt - "und zwar schnellstmöglich", so ihr Sprecher Benjamin Jendro gegenüber der "Berliner Zeitung". Im Durchschnitt sei das Personal 50 Jahre alt und bei einem durchschnittlichen Krankenstand von über 12 Prozent chronisch unterbesetzt. Wenig Personal heißt gleichzeitig mehr Belastung für jene, die wegen des Ausfalls ihrer Kollegen Überstunden machen müssen. Das Interesse, in Berlin zu arbeiten, sinkt beständig. Polizeipräsident Klaus Kandt warnt vor dutzenden Versetzungsanträgen Berliner Polizisten in andere Bundesländer.

Angriffe auf Polizisten gehören zum Alltag

Die Berliner Polizei schrumpft, aber ihre Aufgaben nehmen zu. Diese Situation wird sich in den nächsten Jahren noch weiter verschärfen. Immer mehr Mitarbeiter verlassen die Polizei, mehr, als neue eingestellt werden können. In den kommenden drei Jahren verliert die Berliner Polizei 2390 Mitarbeiter in den Ruhestand. Dagegen stehen nur 2167 Auszubildende von denen noch rund 19 Prozent ausscheiden werden.

Dieses Bild wird noch dramatischer, wenn man sich vor Augen führt, dass Berlin jedes Jahr um 40.000 Einwohner wächst und die Zahl der Straftaten zunimmt. Die Reaktion darauf ist hilflos. Mit leuchtenden Logos auf dem Boden warnt die Berliner Polizei vor Fahrrad- und Taschendieben. Kleinkriminalität wird längst nur noch verwaltet.

Mit der politisch motivierten Kriminalität sieht es nicht viel anders aus. Die brennenden Autos sind nur eine Zahl in der Statistik, Angriffe auf Polizisten gehören zum Alltag. Erschwerend kommt hinzu, dass Politiker die Polizei kaum noch unterstützen. Im Gegenteil, immer wieder werden der Polizei lautstarke Vorwürfe gemacht. Eigentlich grenzt es an ein Wunder, dass sich überhaupt noch Menschen bereit finden, als Polizisten Dienst zu tun. Es ist noch nicht der Zustand erreicht, dass mit Hilfe von Krankmeldungen indirekt gestreikt wird, wie bei TUI, aber das könnte noch kommen, wenn sich die Situation nicht dramatisch verbessern sollte. Leider ist das von der möglicherweise kommenden Rot-Rot-Grünen Regierung nicht zu erwarten.

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Wolfgang Richter / 24.10.2016

Wenn Politik und Gesellschaft seit Jahren stillschweigend hin nehmen, daß bis zu 19 000 Polizeibeamte (2015)  jährlich im Dienst Opfer von gewalttätigen Übergriffen wurden, muß man sich über Dienst nach Vorschrift nicht wundern. Und die genannte Zahl ist nur ein Indiz dafür, daß für polizeiliches Tätigwerden in der Gesellschaft kein Verständnis vorhanden ist. Das distanzierte Verhalten von vielen Vorgesetzten zu ihren “Mannschaften” vor Ort spielt gleichfalls eine Rolle, sofern erstere befürchten, daß Eingriffsmaßnahmen in dem MSM u. damit in den politischen Reihen als unangemessen angesehen werden könnten, was ggf. die Sammlung von weiteren silbernen u. goldenen Sternchen auf der eigenen Schulter behindern könnte. Und was die Personalmisere vor Ort gleichfalls verschärft, ist der von der Politik verordnete “Gleichstellungswahn”, der zum Ziel hat, 50 % weibliches Personal auf den Dienststellen zu haben, was in der Praxis zu einem erheblichen Überhang von neu eingestellten jungen Frauen führt. Und auch wenn es nicht genderkonform ist, hat die Urbiologie zur Folge, daß diesen jungen Frauen vielfach früher oder später bewußt wird, daß ihre biologische Uhr tickt, sie also bei bestehendem Kinderwunsch vielfach recht bald nach der Ausbildung erste einmal für die Dienstverrichtung nciht mehr zu Verfügung stehen. Aber die Politik arbeitet ja an entsprechenden Personalkonzepten, so der Einführung des “Polizeibeamten - light” = sog. Wachpolizisten (im Gegensatz zum voll ausgebildeten Schnarcher?) , der nach 3 Monaten mit Waffe, aber reduzierten Befugnissen auf die Bevölkerung los gelassen wird. Ich behaupte, daß man mit diesem Konzept weder diesen “Beamten”, noch der Gesellschaft einen Gefallen tut. Die Idee ist um so fragwürdiger, als bei jedem von dem hiesigen Medien berichteten “unangemessenen” Einschreiten von US-Polizisten das Geschrei groß ist, man dabei aber neben den dortigen besonderen Verhältnissen (u.a. “Waffe für Jedermann”) die dort übliche 3-Monats-Anlern-Ausbildung völlig außer acht läßt. usf. usf. usf.

Maria Aguerre / 24.10.2016

Ja, die “falsch gedeutete” Abkürzung usw. erinnern an Freuds Lapsus Linguae. Sie drücken die wahre Intention aus. Frau Lengsfeld, ich bewundere Sie und danke Ihnen, dass Sie immer wieder über Vorkommnisse berichten, die sonst in den Medien nicht oder kaum und erst lange Zeit danach zu finden sind. Weiter so!!! Übrigens, Ihr Artikel über das unfaire und angesagte Polizei-Bashing bekommt noch mehr Brisanz, wenn man die mediale Berichterstattung über die letzte Woche von einem Reichsbürger verletzten vier Polizisten (einer davon tödlich) sich vor Augen hält. Nach 24 Stunden ging es in den ÖR et al. nur um die Reichsbürger in der Polizei. Über die Opfer wird kaum noch etwas erwähnt, dafür aber wird der Generalverdacht (schon wieder!) medial breitgetreten!

Ulrich Jäger / 24.10.2016

Hallo Frau Lengsfeld, Was erwarten Sie von einer Regierungskoalition, deren Chef im vergangenen Jahr in Saalfeld die ankommenden Flüchtlinge auf arabisch mit “Inshallah” (so Gott will) begrüßte. Da nahm er auch sicher an, “Grüß Gott” gesagt zu haben. Bei Nichtpolitikern nennt man diese Krankheitsbild (wenn man nicht weiß, was man so daherredet) Aphasie.

Herwig Mankovsky / 24.10.2016

Verbrecher haben es gut: Sie brauchen keine Interessensvertretung mehr gründen, geschweige denn eine Partei. Es ist bereits alles vorhanden.

Sabine Schubert / 24.10.2016

Für Politik und Medien war es auch nur eine Petitesse, als der Berliner Grünen-Politiker Matthias Oomen die Bombardierung Dresdens forderte. Wahnhafte Vernichtungsphantasien eines TV-bekannten Politikers werden bewusst totgeschwiegen. Es ist eben doch spannender über Frank Henkel tagelang zu hetzen, weil ihm eine “große süsse Maus” rausrutschte. Dagegen sind die Völkermord-Äußerungen von Herrn Oomen natürlich zu vernachlässigen.

Andreas Horn / 24.10.2016

Liebe Frau Lengsfeld, es ist fast allen Ihren Artikeln eigen, daß Sie die Lage auf den Punkt bringen. Traut sich niemand mehr, auf Grund des allgegenwärtigen Stastsversagens, der Gleichschaltung des Parlaments, die notwendige Konsequenz aufzuzeigen? Wollen wir alle sehenden Auges in eine neue Diktatur marschieren ? Kann man als Demokrat dieser Aushebelung von Recht und Ordnung noch ein Jahr zusehen, ist es dann nicht bereits zu spät ? War 1989 umsonst, wieso können die Zöglinge der Hydra wieder ungestraft ihr Haupt erheben, ob sie nun Gysi, Kahane, Mass, Merkel ,Gauck oder anders heißen, von Roth und den anderen Schwachsinnigen nicht zureden ? ...dürfen die das…? Konsequenzen ziehen ist hart, tut man es nicht, macht man sich mitschuldig !

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