Bernd Zeller / 28.11.2010 / 10:19 / 0 / Seite ausdrucken

Das Lustige an Titanic

Leute mit geringem Einblick könnten beim ehemaligen Satireheft der Neuen Frankfurter Schule Titanic ein unangenehmes Gefühl bekommen und sich verkniffene Redakteure vorstellen, die sich dafür feiern, dass auf dem, was sie machen, Titanic steht. Mitunter wird dieser Eindruck sogar gepflegt, wenn etwa in der Humorkritik die Titaniclesung als lustig empfohlen wird oder die heute-Show als die deutsche The Daily Show.
Man könnte sich austauschbare Kuhgesichter vorstellen, die es nicht nötig haben. Aber darin gibt man sich nur als unkundiger Konsument zu erkennen, der nicht weiß, was lustig ist, nämlich das, was in Titanic steht.
Weil das viele sind, sei hier erklärt, worin der Lustiggehalt besteht, zum Beispiel am aufgeklebten Beiheft in Neon-Stil „Knalltüten, die man vergessen kann“, natürlich Sarrazin, Kirsten Heisig und Journalisten, die Deutsche mit türkischem Pass schreiben und deshalb in die Tonne getreten gehören. Ja, das liest sich schulhofig und auf linkskorrekt gebürstet und dabei äußerst unkomisch, aber ein satirischer Gehalt ist in der Art und Weise zu suchen,

abgesehen davon, dass auf den Schulhöfen ein solches sprachliches Niveau mittlerweile wünschenswert wäre. Desgleichen die monatlichen Henscheid-Parodien; nur noch Tonfall und Abfeiern von Schlagwörtern – man stellt sich als Verfasser einen verbiesterten frustrierten Mann vor, der in seiner kleinen Welt gestört wurde und nichts ernst nimmt außer sich selbst.
Die Zielgruppe mag Gefallen daran finden, dass es immer die anderen sind, die dermaßen eins auf die Rübe kriegen, was voraussetzt, dass sie selbst sich so was nicht traut, und mag übergehen, dass es sich bei den Machern um Jungs handeln muss, die deshalb bestimmen wollen, wer in die Tonne getreten gehört, weil sie selbst es dann nicht sind.
Man könnte einen Mangel an künstlerischem Wert beklagen, man könnte die Haltung vermissen, über den ideologischen Kategorien zu stehen und die offiziellen Gewissheiten zur Erzeugung von Komik zu benutzen. Doch die Dienstleistung, die mit all dieser risikolosen Klopprhetorik gereicht wird, steht tatsächlich in der Titanic-Tradition, auf den allenthalben gebotenen Wahnsinn noch einen draufzusetzen; die sprachliche Selbstgefälligkeit und die scheuverklappte Sicht ist die zur absoluten Überspitzung durchgespielte deutsche Konformität mit dem dumpflinken Bescheidwissen. Hier wird gezeigt: So ergeht es allen Ideologen! Folgt nicht denen, die euch ein abgeschlossenes Weltbild verkaufen! Sonst werden ihr selbst so!
Wer die ungerechtfertigte Anmaßung, die in diesen Texten zum Ausdruck kommt, einmal durchschaut hat, ist unanfällig gegen die Kollegen bei Süddeutscher und taz und den anderen.
Schön, wenn Satire so etwas bewirken kann.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Bernd Zeller / 16.10.2014 / 11:26 / 0

Fantoma und der Vampirbuddha

Anne Will wirkte angespannt. Ihre Talkrunde zum Thema „Alles Grün—Haben die Grünen ausgedient?“ verlief lebhaft zwischen den Diskutierenden Claudia Roth, Renate Künast und Kathrin Göring-Eckardt…/ mehr

Bernd Zeller / 12.09.2014 / 19:19 / 2

Hat sich die Wende überhaupt gelohnt?

Ein Auszug aus “Hat sich die Wende überhaupt gelohnt?Buchauszug: Der große Vergleich DDR—EU” Es ist nun schon wieder fünfundzwanzig Jahre her und bald noch länger,…/ mehr

Bernd Zeller / 21.09.2013 / 16:13 / 0

Systemtheorie auf die Bühne

Ich habe zwei satirische Einakter im Sitcom-Format und komme leider nicht dazu, sie selbst zu inszenieren. Gibt es unter den werten Lesern Interessierte, die die…/ mehr

Bernd Zeller / 31.08.2013 / 17:29 / 0

Die Satirewende kommt

Endlich gibt es Satire auch für Journalisten und andere sozial Schwache, nämlich gratis, monatlich und weltweit im Internet. www.pardon-magazin.de ist das Satire-Heft im paraktischen Online-Format.…/ mehr

Bernd Zeller / 02.04.2013 / 08:11 / 0

“Lost Merkel” - eine Leseprobe

Leseprobe aus meiner Satire “Lost Merkel”: „Sollen wir die Überwachungsvideos wirklich noch einmal anschauen?“ Mein Assistent pumpte sich noch eine Tasse Kaffee aus der Kanne.…/ mehr

Bernd Zeller / 09.11.2012 / 08:51 / 0

Bernd Zellers neuer Blog: Tagesschauder

Bernd Zeller posaunt seine kruden Ansichten zu aktuell-politischen Themen unter Missachtung journalistischer Standards nicht hinaus, sondern hinein, und zwar ins Internet im blog http://www.tagesschauder.blogger.de/ / mehr

Bernd Zeller / 29.10.2011 / 12:40 / 0

Ich habe einen Traum

Ein Grünenführer hat anlässlich des 50. Jahrestages der Auslieferung türkischer Arbeitswilliger an die deutsche Wirtschaft eine Quote für Migrationshintergründler im Staatsdienst gefordert. Wir sind gespannt,…/ mehr

Bernd Zeller / 27.09.2011 / 17:21 / 0

Wenn Nordkorea zu Deutschland gehören würde

Versetzen wir uns gedanklich mal in die frühen Neunziger und stellen uns vor, eine wachsende Zahl von Nordkoreanern migriere aus Nordkorea nach Europa und siedle…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com