Peter Grimm / 23.05.2017 / 09:45 / Foto: Pethrus / 9 / Seite ausdrucken

Das lange Beschweigen einer Ideologie

Wieder ist es so ein Morgen nach einem mörderischen Anschlag vom Vorabend. Im Umgang mit Attentaten vor der Haustür entwickeln wir immer mehr Routine. Dazu gehört auch, möglichst lange möglichst zurückhaltend zu sein, wenn es um das mutmaßliche Tatmotiv geht. Zwar hat wahrscheinlich jeder eine Vermutung im Hinterkopf, wenn er hört, dass es ein Selbstmordanschlag war, durch den am Ende eines Pop-Konzerts in Manchester mindestens 22 Personen ums Leben gekommen sind, doch niemand mag bis zur endgültigen Klärung das I-Wort im Zusammenhang mit dieser Mordtat erwähnen. Läge ein rechtsextremes Motiv nahe, wären Journalisten und Politiker womöglich etwas großzügiger in ihren Spekulationen.

Aber halten wir uns an das, was wir wissen und das erzählt am Morgen danach der Polizeichef von Manchester, Chief constable Ian Hopkins. Er bestätigt, dass es sich um einen Terroranschlag handelt. Verübt habe ihn ein Einzeltäter, er sei tot. Der Täter habe anscheinend einen selbstgebauten Sprengsatz mit sich getragen. Es werde jetzt untersucht, ob er Teil einer größeren Gruppe gewesen sei. Es gebe 22 Tote, unter ihnen befänden sich mehrere Kinder.

Darf man auch irren?

Soweit der Polizeichef. Das Konzert der amerikanischen Pop-Sängerin Ariana Grande wurde vor allem von Kindern und Jugendlichen besucht, was der oder die Planer wahrscheinlich wussten. Doch darf man an dieser Stelle jetzt wirklich schon über das Tatmotiv reden, wenn man doch noch gar nichts weiß? Ja, denn die Gedanken, die ohnehin die meisten bewegen, wenn sie diese Nachrichten hören, kann man auch aussprechen. Solange man Vermutungen und Gewissheiten genau voneinander trennt, ist das legitim.

Es stimmt natürlich, nur weil fast alle größeren Anschläge der letzten Jahre Islamisten zuzurechnen waren, darf man das ja nicht automatisch bei jedem weiteren Attentat annehmen. Sonst sind Irrtümer vorprogrammiert, wie beim Dortmunder Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus, als auch der Autor dieser Zeilen, trotz des für Islamisten unüblichen Vorgehens, dazu neigte, ein islamistisches Tatmotiv für wahrscheinlich zu halten. Allerdings haben wir es in Manchester wieder mit einem Selbstmordattentäter zu tun, also dem, salopp formuliert, nahezu klassischen Muster.

Wir werden sehen, wie lange es dauert, bis wir etwas über das Tatmotiv hören. Je länger es dauert, desto besser für all jene politischen Verantwortungsträger, die ohnehin am liebsten mit starken Worten den Terror beklagen, seine Opfer bedauern und die dahinter stehende Ideologie beschweigen.

Immerhin weichen nicht alle Berichterstatter aus. Die FAZ beispielsweise schreibt schon früh am Morgen danach, als noch vieles unklar ist: „Anhänger der Terrormiliz 'Islamischer Staat' (IS) feierten den Vorfall in sozialen Netzwerken. Bislang hat sich jedoch niemand zu der Tat bekannt.“

United we stand?

Und wie reagieren deutsche Politiker? „Entsetzliche Nachrichten aus #Manchester! Unsere Gedanken sind jetzt bei unseren britischen Freundinnen und Freunden. United we stand“, twittert Außenminister Sigmar Gabriel. Nicht viel einfallsreicher aber sprachlich eigentlich besser zum Außenressort passend twittert Justizminister Heiko Maas: „Horrific news from #Manchester. Our Thoughts are with the victims and their families. United we stand.“ An dieser Stelle verbietet es der Respekt vor den Opfern vielleicht wirklich, jetzt darüber zu sinnieren, wofür diese Herren denn eigentlich vereint stehen. Das kann ein wenig warten, sie zeigen es uns ja leider ohnehin jeden Tag aufs Neue.

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Leserpost

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Richard Loewe / 23.05.2017

Prime Minister May sagt, dass sie die Ideologie, die sie nicht nennt, auslöschen will. Es ist wahrscheinlich dieselbe Ideologie die President Obama Violent Extremism genannt hat und eine ganz andere, dessen Propheten er vor den Vereinten Nationen so eloquent in Schutz vor Kritikern genommen hat (The future must not belong those who slander the prophet of islam). Der Bürgermeister von London, für den Terror durch seine Koreligionisten zum Alltag in Großstädten dazugehört, ist auch solidarisch mit ganz Manchester. Und wieder einmal war der Anhänger der so oft ungerecht angegriffenen Religion des Friedens, der Polizei bekannt, war aber ungefährlich. Was ja auch stimmt. Zumindest bis er nicht mehr ungefährlich war. Unbekannt dagegen ist er bei der Moschee, die er drei bis fünfmal am Tag besucht hat. Wir leben in unsicheren Zeiten. Politiker nicht so sehr. Sicher ist aber, dass die Religion des Friedens bald wieder ungerecht in Verbindung mit Grausamkeiten gebracht werden wird und dass mehr gegen die rechte Gefahr getan werden muss.

Peter Seibel / 23.05.2017

Die meisten Muslime - das ist wahr - sind friedlich. Sehr viele geben zwar an (sehr) religiös zu sein, aber sie halten sich nicht an die Vorgaben der Sure 9, wonach Ungläubige zu töten sind. Ich vermute, dass die Rechtgläubigen dieser schweigenden Mehrheit in Zukunft wegen ihrer Zurückhaltung immer mehr Vorhaltungen machen werden, und frage mich: wie lange sich diese Menschen dem noch entziehen können.

Gerhard Panten / 23.05.2017

Haben Berlin, Köln (Sylvesternacht) und die kleineren Anschläge verbohrter Islamisten nicht gereicht um unsere Politiker aufzuwecken? Muss erst ein fürchterlicher Bombenanschlag wie in Manchester in Deutschland passieren bevor unsere Politiker und die Justiz begreifen, dass jegliches Verständnis für Islamisten fehl am Platze ist. Wann werden endlich Befürworter des IS und Gefährder endlich konsequent abgeschoben oder wenn sie nicht sagen woher sie kommen auf Dauer ohne jeglichen Kontakt zu Gesinnungsgenossen, weggesperrt, damit von diesen Typen keine Gefahr mehr ausgeht. Man könnte fast glauben unsere Politiker warten wirklich darauf, dass wieder “ein starker Mann / Frau” kommt der das auf seine Weise “löst”? Sind Trump, Erdogan, LePen, Wilders, Orhan, Putin und Co. nicht Warnung genug? Die undemokratischen Typen von der Antifa sind doch deren beste Helfer aber werden weiterhin von der Justiz völlig in Ruhe gelassen!

Alexander Rostert / 23.05.2017

Immerhin sind die deutschen Spitzenpolitiker(innen) bei mohammedanischen Terroranschlägen im Ausland bedeutend weniger maulfaul als bei solchen im eigenen Verantwortungsbereich.

Andreas Arndt / 23.05.2017

In Uk wird jetzt die Polizeipräsenz erhöht. Das und die vielen Betroffenheitsbekundungen werden nichts nützen. Man müsste bereit sein zu den Wurzeln dieser Taten vorzudringen und diese radikal zu bekämpfen. Da das jedoch unpopuläre Maßnahmen erfordern und häßliche Bilder liefern würde, wird jeder Politiker mit etwas Selbsterhaltungstrieb die Finger davon lassen. Für die Bilder würden linke und islamische Kreise gerne sorgen. Da bleibt man lieber untätig und gibt so keine Angriffsfläche. Das heißt natürlich, daß aktuelle Täter und Vorbereiter schon verfolgt werden nur der Nährboden des ganzen wird nicht angetastet.

beat schaller / 23.05.2017

Sehr trefflich geschrieben und…....einmal mehr stehen wir ohnmächtig da und fragen uns, was es denn braucht.  irgendwie hoffe ich, dass das ganze denn auch , irgendwann mal mindestens den sinn bekommt (obwohl es doch wirklich sinnlos ist) dass unsere immer fetter werdende politische elite, die sich wie die maden im speck, von den steuergeldern der bürger genüsslich vollfressen, endlich abgewählt werden. aber wahrscheinlich ist auch das nur ein blasser hoffnungsschimmer, weil eben diese so breit und tief im “filz” verwachsen sin d, dass sie nicht mehr weg zu bekommen sind. liebe Afd, bitte teilt euch so auf, dass die vernunft und der wechsel doch noch statt finden kann, bis zu den wahlen in deutschland. danke herr grimm für die klare benennung der dinge. b.schaller

Ulrich Jäger / 23.05.2017

Heute im Frühstücksfernsehen: Es wurde ausführlich über das Attentat berichtet, mit Live-Schalte nach Manchester und London. Aber die einzig ausgesprochene Vermutung war, dass es sich um einen terroristischen Anschlag handelt. In Brandenburg wäre hier par ordre du mufti der Täter sicher rechtsradikal, was dort, wenn keine anderen Erkenntnisse vorliegen, auch sofort angenommen wird. Man wird in den Qualitätsmedien sicher erleichtert sein, wenn der Selbstmordattentäter ein schon-länger-Dort-Seiender war.

A.W.Gehrold / 23.05.2017

Noch kurz nach 8.00 Uhr befragt die Moderatorin Hayali im ZDF-Morgenmagazin ihre Korrespondentin in Manchester in geradezu “vorwurfsvollem” Ton, ob es denn überhaupt Anhaltspunkte für die Behauptung gebe, es handle sich um einen Terroranschlag! Nicht: islamistischen, nein, nur Terroranschlag! Die armen Menschen, denen ein meist wohl noch sehr langes und erwartungsfrohes Leben geraubt oder, so sie “nur” verletzt wurden und hoffentlich geheilt werden können, erschwert oder zerstört wurde, lassen mich meine sarkastischen Anmerkungen zu einer solch verqueren “Berichterstattung” ungeschrieben hinunter- schlucken.  Aber eine Bitte sei mir gestattet: Frau Hayali, schulen Sie doch bitte um! Auf irgendetwas, aber nichts mehr mit “Medien oder so”. Oder kehren Sie vielleicht in die Heimat Ihrer Vorfahren zurück. Mit einem solchen Schritt würden Sie meiner Heimat einen großen Dienst erweisen. Danke für Ihr Verständnis.

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