Da waren einmal amerikanische Katzenfreunde. Als sie hörten, dass auf einer Pelzfarm sage und schreibe sechsundfünfzig Rotluchswelpen großgezogen werden sollten, nur um im Erwachsenenalter das Fell über die Ohren gezogen zu kriegen, handelten sie schnell: Sie kauften dem Pelzzüchter für ein kleines Vermögen alle Welpen ab. Ihr Leben war also vorerst gerettet. Aber wie zieht man Bobcatwelpen mit der Flasche groß? Und noch dazu so viele auf einmal? Natürlich, dafür braucht man einen Großkatzenexperten – und die Big Cat Rescue in Tampa, Florida war geboren.
Heute beheimatet der Privatzoo, der nur von Eintrittsgeldern und Spenden lebt, in großen und zweckentsprechenden Gehegen nicht nur zahlreiche Bobcats, sondern auch Löwen, Tiger, Panther, Leoparden, Pumas, Luchse, Servale und kleinere Wildkatzen wie Ozelots. Zwei Tierärzte arbeiten unentgeltlich und ehrenamtlich für die Tiere, die es bei ihrem Eintreffen in der Regel bitter nötig haben, sofort medizinisch versorgt zu werden.
Mehrfach täglich finden geführte Touren statt, für die man sich anmelden muss. An diesem Tag geht seit Stunden ein tropischer Regen auf Tampa nieder. Doch mit Riesenglück ist es genau während unserer knapp zweistündigen Katzenführung trocken. Und sämtliche Tiere ohne Ausnahme zeigen sich dem interessierten Publikum, nachdem sie sich den ganzen Tag vor den Fluten in ihren Höhlen verkrochen haben.
Eine Heimat für misshandelte Großkatzen ist leider bitter nötig in einem Land, wo in vielen Bundesstaaten die Haltung von Tigern im eigenen Haus nicht gesetzlich verboten ist. Auch in Florida ist das der Fall. Und sollte der Hauslöwe durch die Katzenklappe auf die Straße verschwinden, ist der Tierhalter lediglich verpflichtet, die Polizei zu alarmieren. Wie es den Nachbarn dabei ergeht, braucht ihn nicht zu interessieren. Desgleichen gibt es kein Tierschutzgesetz, dass die abscheuliche Unsitte des chirurgischen Entkrallens von Katzen oder das Ziehen Ihrer Fangzähne untersagt. Es gibt auch keine Gesetze gegen die Roadside-Zoos, in denen jeder, der Lust dazu hat, gegen Geld wilde Tiere zeigen kann. Es gibt keine Gesetze gegen die Praxis, Großkatzenwelpen gegen Bezahlung zum Kuscheln und Fotografieren zur Verfügung zu stellen. Aber wohin mit ihnen, wenn sie groß und unberechenbar werden? Was dabei herauskommt, sieht man hier.
Viele der Katzen kommen, man glaubt es kaum, aus Großstädten wie New York, wo zum Beispiel eine Frau in ihrem Appartement in Manhattan die sechs Servale gehalten hat, die hier eine neue Heimat gefunden habe. Einer der Pumas (sowieso das schönste Katzentier überhaupt, wenn man mich fragt) gehörte einem Drogendealer, der das Tier entkrallen ließ und mit Katzenfutter aus der Dose ernährte. Der bildschöne kleine Ozelot lebte ebenfalls in einem Privathaushalt. Wenn ein Ozelot geschlechtsreif werde, erklärt uns die Führerin, dann setze er Duftmarken ab, um sein Revier zu kennzeichnen. So wie jeder Kater. Da das Tier eigentlich im Regenwald beheimatet ist, muss die Duftmarke schon intensiv riechen, um im dauerfeuchten, artenreichen Dschungel nicht völlig unterzugehen. Wenn ein Ozelot also das Haus mit Duftmarken einsprüht, gibt es eigentlich nur noch ein Mittel: Ausziehen. Am besten das Haus niederbrennen, weil man es nicht mehr verkaufen kann. Notfalls emigrieren. Und so landete auch der Ozelot im BCR, so wie viele andere Tiere, die sich die Menschen in ihrem Unverstand angeschafft hatten.
Aber auch ehemalige Zoo- oder Zirkustiere leben hier. Alle Großkatzen sind also den engen Kontakt mit Menschen gewohnt. Ich habe selten gelassenere Katzen hinter Gittern gesehen, als hier. Es ist unglaublich, wie entspannt die Tiere sein können, wenn erst einmal der ganze Stress der schlechten Tierhaltung wegfällt, also Hunger, Schmerzen, Enge und Bewegungsmangel.
Ein sehr alter Löwe wohnt in einem Gehege zusammen mit einer Albino-Tigerin. So erfährt man auch, dass diese weißen Tiere ausschließlich durch Inzucht zustande kommen, die schwere genetische Schäden hinterlässt. Die weiße Tigerin hier hat keine Oberlippe. Andere weiße Tiger haben Schäden an inneren Organen und eine sehr begrenzte Lebenserwartung. Hier leben auch zwei weiße Servale – weltweit die einzigen bekannten Tiere. Dass die Besucher nicht immer begreifen, worum es den Betreibern der BCR geht, zeigt sich daran, dass einmal jemand fünfundsiebzig tausend Dollar für dieses Servalpaar geboten hat. Selbstverständlich zur Nachzucht.
Es gibt tatsächlich nur eine Katze, mit der sich leben lässt, und das ist, wie der Name bereits verrät, die Hauskatze. Sie ist in ihren Alltagsgewohnheiten konservativ bis zur Halsstarrigkeit, ist lieb und anhänglich und erfreut den Menschen, den sie besitzt, mit ihrer Verspieltheit und ihrer Eleganz. Aber dennoch: Eine Katze bleibt immer eine Katze. Werden die Tiere nicht kastriert, dann hat man prompt ein Riesenproblem. Und bei aller Domestikation bleibt auch der Hauskatze ein starker Jagdtrieb erhalten; ja, sie ist, wie wir hier erfahren, unter allen Katzen sogar die erfolgreichste Jägerin.
Aber leider setzt sich auch in Deutschland zunehmend der Trend durch, Katzen nicht so zu nehmen, wie sie sind. Tierheime wissen ein Lied von all den dämlichen Eltern zu singen, die ihre Katzen ins Heim bringen, weil sie „das arme Kind gekratzt“ hätten, so dass es jetzt „völlig traumatisiert“ sei. In meiner Kindheit, als man Kinder noch nicht zu verhaltensgestörten, über die Maßen verwöhnten Monstern erzogen hat, hätte man als Kind in solchem Fall lediglich zu hören gekriegt: „Na und? Selbst schuld. Wenn du sie ärgerst, kratzt sie dich. Pass nächstes Mal besser auf!“ Im BCR werden Katzen weder nachgezüchtet oder ausgewildert. Erstens lassen diese stark an Menschen gewöhnten Tiere sich schlicht nicht mehr auswildern, und zweitens sieht man keinen Sinn darin, Löwenwelpen zu züchten, die dann wiederum ihr Leben hinter Gittern verbringen sollen. Das Credo lautet: Die BCR arbeitet unermüdlich daran, Einrichtungen wie die eigene in Zukunft überflüssig zu machen.