Rainer Bonhorst / 18.05.2018 / 13:30 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 18 / Seite ausdrucken

Das große Süddeutsche-Rätsel

Als mehr oder weniger regelmäßiger Achse-Schreiber fand ich es ganz prima, dass dieser Blog als erstes Medium über die skandalöse Netanjahu-Karikatur berichtet hat, mit der sich die Süddeutsche neulich geschmückt hat. Inzwischen hat sich die Zeitung, wie zu lesen ist, vom Karikaturisten Hanitzsch getrennt. Die Dramatik dieser Trennung relativiert sich zwar, wenn man bedenkt, dass Dieter Hanitzsch das Rentenalter schon vor zwei Jahrzehnten erreicht hat. Aber das nur am Rande. Mich treibt eine andere Frage um: Wie ist die Karikatur eigentlich ins Blatt gekommen?

Natürlich ist nicht auszuschließen, dass sich Hanitzsch mit seiner Zeichnung nach Redaktionsschluss im Schutz der Dunkelheit unbemerkt in die Technik geschlichen und das Werk klammheimlich ins Blatt geschmuggelt hat. Wahrscheinlich ist das nicht. Dann aber bleibt die Frage: Wer hat denn die anstößige Zeichnung ins Blatt gerückt?

War es womöglich der Pförtner, der im Sinne moderner Multifunktionalität neben seiner Empfangstätigkeit auch für die Karikatur zuständig ist? War es der Redaktionsbote Dr. Golz? Oder hat Hanitzsch die Zeichnung versehentlich in der Kantine liegen lassen, von wo sie dann auf nicht mehr nachvollziehbaren Wegen ins Blatt gelangte?

Lauter Möglichkeiten, aber allesamt nicht wirklich überzeugend. Ich kann mich des Verdachtes nicht erwehren, dass die Zeichnung auf dem üblichen Wege über einen Redaktionstisch gegangen ist. Und da die Karikatur an prominenter Stelle erschien, dürfte es auch nicht der Tisch eines Volontärs gewesen sein. Ein bisschen höher, wenn nicht gar sehr viel höher dürfte die Entscheidung, diese Zeichnung zu veröffentlichen, wohl doch gefallen sein.

Nun hat die SZ dem Schöpfer der stürmeresken Netanjahu-Karikatur ein Lebewohl zugerufen. Und Chefredakteur Wolfgang Krach hat sich nachträglich entschuldigt. Aber wer war vor Ort, als das Ding durchflutschte, wenn es denn ein Durchflutschen gewesen sein sollte? Von dem möglicherweise verantwortlichen Redakteur hört man seltsamerweise nichts. Hat er oder sie sich unter dem zuständigen Schreibtisch versteckt? Hat er oder sie sich in der Toilette verbarrikadiert, um sich dort gründlich die Hände in Unschuld zu waschen? Oder war es doch ein armer Volontär, den man mit Hanitzsch allein gelassen hat?

Fragen über Fragen. Und hier eine Hoffnung: Sicher ist das hauseigene Team investigativer Journalisten schon längst unterwegs, um herauszufinden, wer dem antisemitischen Produkt von Ich-bereue-nichts-Hanitzsch grünes Licht gegeben hat.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Mathias Kleinert / 18.05.2018

Merkwürdigerweise war auch mein erster Gedanke, dass sich der alte Karikaturist nachts in die Druckerei geschlichen haben muss und die Karikatur direkt auf die Druckplatten eingeritzt haben muss. Gut, es gibt keine Druckplatten mehr, aber die Vorstellung ist schon witzig. Dann aber wunderte mich, dass die gesamte Redaktion so viele Jahre mit dem guten Mann zusammengearbeitet hat und jetzt erst, und dazu noch ganz plötzlich, entdeckt haben will, dass er Antisemit ist. Vorher schien das niemandem aufgefallen zu sein. In einem so tugendhaften Haus hätte das doch eigentlich dazu führen müssen, dass sich die Verantwortlichen wegen erwiesener Unfähigkeit sofort selbst entlassen. Wenn sie denn zur Selbsterkenntnis fähig wären. Oder Rückgrat hätten. Oder auch so etwas wie Intelligenz. Scheint bei der SZ alles nicht vorhanden zu sein, und wenn, dann nur in homöopathischen Dosen.

Hubert Bauer / 18.05.2018

Bei SPON erscheint fast jeden Tag ein Artikel oder Kommentar, der juden- bzw. israelfeindlich ist. Das musste das andere linke Flagschiff einfach nachziehen. Antisemitismus ist in linken Kreisen gerade chic.

Sven Kuchary / 18.05.2018

Wer sich von den wirklich Verantwortlichen trennen will, kann das tun — falls man noch Leser der Süddeutschen ist.

Anton Geiger / 18.05.2018

SZ-Chefredaktor Kurt Kister schreibt heute selbst: “Die Karikatur gehört intern zu jenen Teilen der Zeitung, über die in der Konferenz immer mal wieder gestritten wird.” Damit ist doch sonnenklar, dass auch die Karikatur, für die jetzt Hanitzsch exmatrikuliert wurde, von einer Vielzahl von Redakteuren gesehen wurde. Es ist also mehr als schäbig, den hochbetagten Hanitzsch, der ansonsten meist wirklich gute Karikaturen abliefert und ein eigenständiger Kopf ist, als Bauernopfer zu präsentieren. Hanitzsch kann (konnte) nur Karikaturen anbieten, ins Blatt gehoben haben diese jedes Mal andere. Diese linken Journalisten sind wirklich unerträglich in ihrer Scheinheiligkeit. Fehlt nur noch ein seifiger Artikel vom Prantl dazu!

Ivan de Grisogono / 18.05.2018

Ich tippe auf weltbekannten und gefürchteten Heribert Prandtl, dem Schreck aller Antisemiten und Rechten? Sorry, kann das sein, Karikaturist Hanitzsch und Prandtl sind Genossen und dadurch Freunde der freiheitsliebenden und friedlichen Palästinenser! Es müßen Gedankenfehler im Spiel sein! Nicht bei Hanitzsch, er ist nur ein Bauernopfer. Hoffentlich weiss Markwort am Sonntag etwas mehr darüber!

Holger Eberhardt / 18.05.2018

Die Rakete (“Mordwaffe”) und der Davidstern im Eurovisionslogo sind durchaus fragwürdig, aber der Vorwurf “der hinterlistge Jud’ mit seinen großen Ohren” ist an den Haaren herbeigezogen. Die Ähnlichkeit mit Benjamin Netanjahu ist ja wohl kaum zu leugnen.

Frank Holdergrün / 18.05.2018

Ich möchte inständig hoffen, dass der “Ich-bereue-nichts-Hanitzsch” endlich auch beim Bayerischen Rundfunk aus der Sonntagsrunde gekegelt wird. Weil er so unbedeutend ist, hat ihm wohl niemand zugehört, aber seine Beleidigungen sind mir immer wieder aufgefallen. Helmut Schmidt gegenüber äußerte er sich vor einiger Zeit als einem alten, senilen Sack, der endlich keine Interviews mehr geben solle. Nun hat es ihn als älteren Herrn getroffen. So arbeitet jeder an karmischer Gerechtigkeit.

Hein Tiede / 18.05.2018

Was Dieter Hanitzsch in seinem Innersten bewegte, als er Netanyahus Konterfei mit antijüdischen Versatzstücken versah, weiß ich nicht. Die Verantwortung der Veröffentlichung dieser Karikatur liegt aber bei der Süddeutschen, die mit derartigen Zeichnungen kein Problem hat. Diese Alpenprawda hat sich ja schon mit Grass’ unmöglichem Erguss “Mit letzter Tinte” hervorgetan und dieses Pamphlet an prominenter Stelle positioniert. Kündigt Euer Abo und lasst Euch diese Zeitung nur noch auf Flügen der Lufthansa schenken!

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