Hansjörg Walther
Robert Zubrin ist ein amerikanischer Luft- und Raumfahrtingenieur, der bislang hauptsächlich durch Bücher hervorgetreten ist, die sich für bemannte Flüge zum Mars verwenden. Das hätte uns hier nicht weiter interessiert. Umso interessanter ist dafür sein neuestes Buch “Merchants of Despair”. Der Untertitel lautet: “Radical Environmentalists, Criminal Pseudo-Scientists, and the Fatal Cult of Antihumanism”, und das läßt eine ziemlich wilde Tirade erwarten.
In einem gewissen Sinne ist es eine Tirade, aber eine gut belegte. Worum es geht: 1798 veröffentlichte Thomas Malthus in seinem Abtausch mit Godwin die These, daß die Bevölkerung schneller als die Nahrungsquellen wachse und es von daher unausweichlich sei, daß stets ein Teil der Menschheit vor allem durch Hunger dezimiert werde.
Wie Robert Zubrin sehr schön aufzeigt, war diese Behauptung eine gigantische Fehlprognose. Die Menschheit wuchs seitdem massiv, aber auch der Wohlstand – und nicht nur im Aggregat, sondern auch pro Kopf. Was aber noch bemerkenswerter ist: Malthus konnte nicht die Zukunft kennen, aber doch die Vergangenheit. Und seine These vermochte nicht einmal die Vergangenheit zu erklären. Wäre sie richtig gewesen, so hätte Malthus einen gewaltigen Abfall des Wohlstandes pro Kopf konstatieren können. Tatsächlich gab es einen Anstieg.
Das hat aber nicht verhindert, daß die Malthusische Lehre seitdem sehr populär geworden ist und mittlerweile fast zu einer der Grundannahmen unserer Kultur der letzten 200 Jahre geworden ist. Und sie hat große Auswirkungen gezeitigt, und zwar sehr schlechte. Für Malthusianer erscheinen mehr Menschen als ein Problem. In einer, wie Robert Zubrin es nennt, Inversion der Moral werden deshalb Desaster und unnötige Tode umgedeutet als harte, aber unvermeidliche Gegebenheiten, ja sogar als begrüßenswert.
Beispiele, die Zubrin aufführt, sind die teilweise zustimmenden Reaktionen auf die irische Hungersnot (übrigens nicht der Manchesterliberalen, wie es bei ihm klingt) oder die aktive Politik des britischen Staates (und, hier liegt er auch falsch, nicht des Laissez-Faire) bei den Hungersnöten in Indien, bei denen Verhungernde vorsätzlich zum Verenden eingepfercht wurden.
Robert Zubrin verfolgt dann den weiteren Einfluß von Malthus: seine Wirkung auf Darwin und dessen Einfluß wieder auf die Entwicklung der Eugenik, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Mode”wissenschaft”, die sich eines fast vollständigen Konsenses erfreute. Strikt genommen folgt Eugenik nicht aus Malthus Lehre. Aber von ihrem Ausblick ist sie mit dieser eng verquickt, beispielsweise über Theorien eines Rassenkampfes, bei dem “minderwertige” Rassen ausgerottet werden dürfen oder sogar müssen. Von hier ist es nur ein kleiner Schritt hin zu den Verbrechen der Nazis, die als konsequente Malthusianer und Eugeniker zu Werke gingen. Robert Zubrin geht dabei insbesondere den innigen Verbindungen zwischen den amerikanischen Eugenikern mit ihren Kampagnen für Sterilisierung und – weniger bekannt – Empfängnisverhütung mit den nationalsozialistischen Kollegen nach.
Man könnte nun denken, daß die Wirkung von Malthus mit dem Zweiten Weltkrieg erledigt gewesen wäre. Aber keineswegs. Die Eugeniker der Vorkriegszeit pappten nur ein ein neues Etikett auf ihre Bemühungen und bildeten nun die Speerspitze des Kampfes gegen “Überbevölkerung”. Wie Robert Zubrin aufzeigt, ist die personelle Kontinuität hierbei frappant.
Weit davon entfernt, Fortschritte zu begrüßen, erschien den Bevölkerungshysterikern aus ihrer invertierten Moral heraus beispielsweise der Erfolg von DDT, mit dem Malaria fast vollständig binnen kurzem ausgelöscht werden konnte, als eine Bedrohung. Unter fadenscheinigen Gründen wurde DDT verboten, womit es heute weiterhin für Millionen Malaria gibt mit allen schrecklichen Folgen. Allein auf die Rechnung dieses “Erfolgs” der Umweltbewegung gehen vermutlich Hunterttausende, ja Millionen Tote. Oberflächlich betrachtet könnte man das als achtlos ansehen. Doch wie Robert Zubrin zeigt, war hier durchaus Absicht mit am Werk, nämlich als “minderwertig” angesehen Menschen durch Malaria dezimieren zu lassen.
Als nächstes nimmt sich Zubrin die Untergangsprediger des Club of Rome und besonders Paul Ehrlich zur Brust, die mit ihren Prognosen grandios danebenlagen. Keineswegs gingen die Resourcen aus oder sank der Wohlstand pro Kopf in der Welt unter alle Grenzen. Doch trotz dieser offensichtlichen Widersprüche war die Propaganda für “Kontrolle des Bevölkerungswachstums” äußerst erfolgreich im Sinne ihrer Befürworter und verheerend für die Objekte der Politik.
Robert Zubrin schildert etwa, wie der amerikanische Staat (aber auch andere Staaten beispielsweise in Europa) Druck auf Entwicklungsländer ausübten, rigide und oft brutale Programme für Geburtenkontrolle und Sterilisierung umzusetzen. Sogar die chinesische Ein-Kind-Politik, deren gewaltsame Durchsetzung Zubrin darstellt, entsprang den im Westen modischen Wahnvorstellungen. Das alles fügt sich schließlich zu einem stimmigen Bild zusammen: überzeugte Eugeniker, die bei der Höherzüchtung nicht zum Zug kommen, kümmern sich ersatzweise darum, daß “minderwertige” Menschen reduziert werden.
Zubrin spannt den Bogen dann noch weiter und arbeitet heraus, wie sich die eugenische und bevölkerungskontrollierende Agenda mit anderen wohlstandsfeindlichen Agenden verbindet, etwa gegen Gentechnik in der Landwirtschaft, gegen Kernkraft oder für die wirtschaftliche Lahmlegung wegen der globalen Erwärmung. Hier scheint er uns etwas zu viel in sein Buch zu packen, auch wenn wir im wesentlichen zustimmen, daß ein einheitliches Ziel dahintersteht, das nur mit eine deutlich reduzierten Weltbevölkerung überhaupt machbar wäre. Wir würden hier Dummheit und Achtlosigkeit auch als Erklärung in Betracht ziehen, nicht unbedingt nur eine positive Agenda, die eine solche Bevölkerungsreduktion vorsätzlich anstrebt.
Auch sind wir etwas skeptisch, ob sich alles in eine quasi große Verschwörung einordnen läßt (auch wenn Zubrin hier nur dazu neigt, nicht aber wirklich verschwörungstheoretisch argumentiert). Etwa stellt er den durchaus verblüffenden Umschwung der Linken in den 1960ern so dar, als wenn diese auf eine geschickte Propagandakampagne hereingefallen seien. Vorher enthusiastische Fortschrittsfreude begeistern sich plötzlich für rückwärtsgewandte Natursehnsucht. Hier scheint uns aber eher die Regel vorzuliegen, daß sich millenarische Bewegungen rasch und willkürlich von einem Ziel auf ein anderes verlegen, wenn sie in der Realität auflaufen.
Was uns aber sehr gut gefallen hat: Robert Zubrin führt die Sorge um die Überbevölkerung schön mit folgender Frage vor: Wenn es im 19. Jahrhundert besser gewesen wäre, die Bevölkerung wäre nur halb so groß gewesen, würden Sie gerne auf Louis Pasteur oder auf Thomas Edison verzichten wollen? Menschen sind nämlich in der Formulierung von Alex Tabarrok nicht in erster Linie “Mägen”, die etwas wegfressen, sondern “Gehirne”, die zusätzlich etwas schaffen können, auch wenn der weiterhin malthusianische Zeitgeist etwas anderes meint.
Siehe auch die Website zum Buch.
Zuerst erschienen auf dem Blog des Eugen-Richter-Instituts