Dass Ärzte kulturelle und religiöse Rahmenbedingungen in ihrer Entscheidung wichtiger nehmen als medizinische Belange - kann man sich das in einer liberalen und säkularen Gesellschaft ernsthaft wünschen? Dazu ein Gedankenspiel: Stellen wir uns irgendeine soziale Gruppierung vor, die es zu einem ihrer fundamentalen Initiationsriten gemacht hat, allen Neulingen die kleinen Zehen (oder welches Körperteil auch immer, dessen Entfernung zu keiner wesentlichen Einschränkung später führt) zu entfernen. Stellen wir uns vor, diese Tradition bestünde schon seit Tausenden von Jahren und wäre seitdem bei Hunderten, ja Millionen von Menschen praktiziert worden. Sollte ein Arzt aufgrund dieser Geschichte und einer schöngeredeten Harmlosigkeit der Amputation („Wer braucht schon wirklich seine kleinen Zehen? Vor allem wenn sie schon vom achten Lebenstag an fehlen und man es nicht anders kennt, der Körper längst damit leben kann etc.“) die Grundsätze seiner Profession über Bord werfen? (Von den Grund-, ja Menschenrechten nicht zu reden.)
http://www.faz.net/aktuell/wissen/faktencheck/faktencheck-leser-recherchieren-mit-beschneidungsethik-erlaubte-koerperverletzung-11920623.html