Rainer Grell / 05.02.2017 / 15:19 / Foto: EU / 5 / Seite ausdrucken

Das Gegenteil von schlecht muss nicht zwangsläufig gut sein

 Es ist eine Katastrophe“, sagte der amerikanische Schriftsteller Paul Auster in einem Gespräch mit der „Welt“ nach der Wahl von Donald Trump, „dass ein derartiger Idiot Präsident wird, dass ein derart gefährlicher Mensch Präsident wird, dass ein derart ignoranter Mensch Präsident wird.“ Mag sein, dass er Recht hat. Aber manchmal ist eine Katastrophe notwendig, um eine Fehlentwicklung zu stoppen. Eine Fehlentwicklung? Was für eine Fehlentwicklung?

Nun, ich beobachte immer mehr Bürokratie, immer weniger rule of law, immer stärkere Abkehr von grundlegenden Werten, Verwechslung von Toleranz mit Desinteresse und weiteres mehr in dieser Richtung, von Weltproblemen wie Afghanistan, Syrien, Ukraine u.a. ganz zu schweigen. Sie verstehen mich nicht? Nehmen Sie den berühmten Gordischen Knoten. Viele versuchten, ihn zu lösen. Niemand schaffte es. Dann kam Alexander von Makedonien, den wir den Großen nennen. Es sah sofort, dass der Knoten auf normalem Weg nicht zu lösen war, zog sein Schwert und hieb ihn mitten durch. (Hätten Sie übrigens so einen gerne zum Freund gehabt? Also ich mit Sicherheit nicht.)

Wie kümmerlich nimmt sich dagegen einer der Heutigen im Kampf gegen den Kraken Bürokratie aus (siehe dazu auch die Serie auf der Achse ). So antwortete der seinerzeitige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Dr. Bernhard Vogel, auf die Frage „Wollen oder können die Politiker den Gordischen Knoten der Überbürokratisierung nicht durchhauen?“: „Wir wollen und wir können!“ Und damit hatte es sich. Wie üblich.

Einer von zahllosen Laber-Sätzen, mit denen Politiker versuchen, das Volk, „den großen Lümmel“ (Heine) einzulullen oder bei Laune zu halten und von denen dieses mittlerweile die Schnauze gestrichen voll hat. Solche Spruchbeutel sind beliebig auswechselbar. Deshalb haben sie in den USA einen "gefährlichen ignoranten Idioten" (siehe oben) ins Präsidentenamt gewählt. Und in Europa könnte sich Ähnliches abspielen.

„Ich sage, was ich denke, und ich tue, was ich sage.“

Ach, beinahe hätte ich es vergessen: Auf Vorschlag der Bundeskanzlerin hat der Bundespräsident am 19. September 2006 acht Mitglieder in den Nationalen Normenkontrollrat  berufen, die sich seither bemühen, den Gordischen Knoten der Bürokratiebelastung der Privatwirtschaft zu lösen. Von durchhauen kann natürlich keine Rede sein.

Wir müssen endlich dahin kommen (nicht „wieder“, denn wir waren noch nie dort), dass der Satz von Pim Fortuyn gilt: „Ich sage, was ich denke, und ich tue, was ich sage.“ Eigentlich ganz einfach, geradezu trivial und doch selten wie heutzutage ein Goldnugget im Klondike. Allerdings kam Fortuyn damit nicht weit, was nicht wenige gefreut haben mag (nur klammheimlich natürlich); denn der Satz war hochexplosiv.

Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich die Worte von Don Fabrizio im einzigen Roman von Giuseppe Tomasi di Lampedusa „Der Gattopardo“ (das ist nicht der Leopard, sondern der kleinere Serval) verstanden habe: „Wenn wir wollen, dass alles bleibt wie es ist, muss sich alles ändern." Mit Personen wie Merkel oder Schulz wird das nichts. Hier gilt, was schon Schiller (1759 bis 1805) erkannt hatte: „Toren hätten wir wohl, wir hätten Fratzen die Menge, leider helfen sie nur selbst zur Komödie nichts.“

Diejenigen, die leichthin als politische Eliten bezeichnet werden, haben sich wenig um die Demokratie gekümmert, sonst hätten sie nicht jede Wahlniederlage in einen Sieg verwandelt und weitergemacht wie bisher. Nur jetzt, wo Gefahr von „rechts“ droht, sehen sie die Demokratie in Gefahr. Was für eine Hybris und Verlogenheit. Offenbar brauchen sie einen richtigen Schuss vor den Bug. Wenngleich das keineswegs eine Garantie bedeutet, dass alles (oder auch nur irgendetwas) besser wird. Das Gegenteil von schlecht muss nicht zwangsläufig gut sein. Es kann auch noch schlechter sein. Aber Probieren geht über Studieren.

Vielleicht hält Donald Trump es ja mit dem namenlosen Protagonisten in Dostojewskijs „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“, der einem imaginären Publikum zuruft:

„Verstand, meine Herrschaften, ist eine gute Sache, das wird niemand bestreiten. Aber Verstand bleibt Verstand und genügt lediglich der Verstandesfähigkeit des Menschen. Das Wollen dagegen ist die Offenbarung des ganzen Lebens, das heißt des ganzen menschlichen Lebens, sowohl Verstand als auch alles andere Jucken eingeschlossen.“

Und: „Der Verstand weiß nur das, was er schon erfahren hat ..., die menschliche Natur aber wirkt stets als Ganzes, mit allem, was in ihr ist, bewusst und unbewusst, und lügt sie auch, so lebt sie doch.“ Schließlich: Gerade das Allerdümmste erhält uns „das Allerhauptsächlichste und Allerteuerste, unsere Persönlichkeit und unsere Individualität.“

Natürlich muss ein Schriftsteller nicht Recht haben nur weil er Dostojewskij heißt. Aber bedenkenswert erscheinen solche Überlegungen auf jeden Fall. Man könnte geradezu meinen, manchen wollen deshalb nicht ein bisschen abwarten, weil sie fürchten, Trump könnte besser sein als sein Ruf. Aber was wäre so furchtbar daran?

Foto: EU

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Josef Treier / 05.02.2017

Falscher Rückschluss! Wir erben 50 Jahre Überlassung der politischen Gesinnungsdoktrin an sogenannte Eliten. Merkel größte Tat 2015 war, dass sie der unpolitischer Mehrheit plötzlich gezeigt hat, welche Ausuferungen unser humanes System inzwischen erreicht hat. Dafür verdient sie einen Orden. Hätte sie geschwiegen, wäre sie ein Philosoph geblieben.

Nana Albert / 05.02.2017

Nix! Aber die sogenannten “Eliten” wollen eben auch Nix abgeben… garnix! Und die vermeintlichen Gutmenschen überall begreifen nix - auch nicht, dass sie KANONENFUTTER sind, mit denen auf Spatzen und nicht auf Adler geschossen wird…wenn es nicht Alles so dermaßen traurig wäre (da muß erstmal wieder dieses ganze ekelige Theater abgefeiert werden…mir ist echt soo schlecht :o( ) damit endlich was Sinnvolles passiert (Mauer hoch, Grenze dicht, Kontrollen an). Was für ein Theater und Lamento, nur damit sie in den Städten weiter die Billiglöhner zum Toiletteputzen mißbrauchen können und sich dabei als Verfechter gegen Unterdrückung aufspielen können…

Johannes Schaefer / 05.02.2017

“Das Gegenteil von schlecht muss nicht zwangsläufig gut sein. Es kann auch noch schlechter sein. Aber Probieren geht über Studieren.” Das scheint mir eine sehr riskante Aussage. Der Autor hat recht, wenn er den Demokraten Versagen vorwirft. Aber Donald Trump, der das Wahlergebnis nur im Falle eines Sieges akzeptieren wollte, kann wohl kaum als aufrechter Demokrat bezeichnet werden. Solches Probieren kann teuer werden, wenn am Ende wirklich Demokratie und Rechtsstaat darunter leiden. Probieren geht leider nicht immer über Studieren.

Karla Kuhn / 05.02.2017

“Das Gegenteil von schlecht muss nicht zwangsläufig gut sein.” Der Text und das Foto dazu sprechen für sich.  Klasse Herr Grell.  ” Trump könnte besser sein als sein Ruf. Aber was wäre so furchtbar daran?”  Die ganze Meute, die sich auf Trump gestürzt hat, die ihn unflätig beschimpft hat, zum Teil so unter der Gürtellinie, zum Teil mit falschen Behauptungen, daß ich mich gefragt habe, ob die Personen je eine Kinderstube hatten. Diese Menschen müssten doch dann bei Trump Abbitte leisten.  Da müßte ein großer Teil der “Politelite”, der Presse, etliche Schauspieler, Darsteller und andere Gutmenschen vor dem Weißen Haus Schlange stehen wie vor einer Suppenküche. Diese Vorstellung erheitert mich enorm. Leider nur eine lustige Vorstellung.

Rainer Wichert / 05.02.2017

Mit Barack Obama und seinen geheimen CIA- und Söldnerkriegen haben die Elemente der Heimtücke und der Niedertracht offziell Einzug in die amerikanische Politik gehalten. Und deshalb wäre es schlimm für all jene, die davon profitieren, wenn offene Worte und Taten, die einem klaren Zweck dienen, Kennzeichen der Politik der amerikanischen Administration würden. Mutatis mutandi gilt dies auch für die europäischen Pendants. Die westlichen Eliten fürchten diese Zäsur, die können bis jetzt nicht begreifen, warum einer der ihren - ein Milliardär - sich anschickt, sie gewaltig in den Arsch zu treten. Dabei hat aber doch gerade die linke Seite des Elitismus überhaupt kein Problem damit, daß zumeist Söhne und Töchter aus ‘gutem’ und wohlhabendem Hause ihre Stimme für die ‘gute Sache’ erheben. Man schaue sich doch mal die Ahnengalerie des linken Menschheitsprojekts - angefangen von Marx, bis heute zu z.B. Lafontaine - an.

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