Cora Stephan / 31.07.2015 / 13:12 / 8 / Seite ausdrucken

Das falsche Spiel mit den Flüchtlingen

Es ist so furchtbar typisch für unser Land. Rechte Dumpfbacken vor Asylbewerberunterkünften beherrschen die Schlagzeilen, was den stets beliebten „Kampf gegen Rechts“ befeuert, als ob es darum ginge, wieder einmal den Anfängen zu wehren. Bemerkenswert ist jedoch vielmehr die große Hilfsbereitschaft der Mehrheit der Deutschen denen gegenüber, die hierzulande ein anderes, ein besseres Leben suchen. Und es ist ein offenes Geheimnis: ohne das private Engagement vieler Bürger wäre die rasant anschwellende Zuwanderung noch weniger zu bewältigen.

Na klar: good news are no news. Doch vor allem lässt sich die Angst vor einem neuen „Rechtsruck“ prächtig funktionalisieren. Der Vorwurf, „rechts“ zu sein, ist fast so schlimm wie der, ein misogyner Sexist zu sein. Beides kann einem flugs die Karriere kosten.

Für Politiker und Volkspädagogen ist der Kollektivverdacht, es hierzulande überwiegend mit hässlichen Deutschen zu tun zu haben, bestechend: wenn es Probleme gibt, liegt es an mangelnder „Willkommenskultur“ der Einheimischen, nicht aber an den politisch Verantwortlichen. Dabei ist ein Großteil der Probleme mit der derzeitigen Einwanderungswelle hausgemacht. Denn nein: es kommen nicht überwiegend Menschen, die verfolgt sind und für die unsere Asylgesetze gelten. Um ein Drittel größer als die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan ist die der Zuziehenden aus dem Kosovo, Albanien und Serbien, also aus dem Westbalkan, die so gut wie keinen Anspruch auf Asyl haben. 

Lasset sie alle kommen? Gewiss: Wenn sie in der Lage sind, auf eigenen Beinen zu stehen und für sich selbst zu sorgen, wenn sie also jene Bereicherung sind, von denen man hierzulande gern träumt. Was vielen aus Ex-Jugoslawien einst gelang, könnte doch auch denen aus seinen Nachfolgestaaten gelingen? Doch viele von ihnen folgen einer anderen Spur. Der Großteil der „Welle“, die Politik, Verwaltung, Kommunen derzeit überrollt, wurde von einer Politik der falschen Anreize erzeugt, von Inkonsequenz bei der Anwendung eigener Gesetze – und vom Scheitern Europas.

Ach, Europa. Die Mehrheit der EU-Staaten hält wenig davon, sich auf die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen einzulassen. Und selbst wenn Italien und Griechenland als Erstaufnahmeländer den Zuzugsstrom bewältigen könnten: dort will niemand bleiben. Die meisten Einwanderer möchten nach Deutschland, dort, wo es der Legende zufolge für jeden ein Haus gibt. Nicht jeder glaubt an solche Märchen, doch bei den meisten dürfte sich herumgesprochen haben, dass man sich in Deutschland ans eigene Asylgesetz nicht hält: abgeschoben wird selten, Politiker und Behörden trauen sich nicht, es sieht so hässlich aus.

Und allein das jedem hier Ankommenden zustehende Taschengeld ist für Einreisende aus den Balkanstaaten so attraktiv, dass sie das geringe Risiko der Ausweisung bereitwillig auf sich nehmen. Hier brauche man mehr statt weniger Europa, meint Bundesinnenminister Thomas de Maizière, sonst müsse man die Grenzen wieder schließen. Richtig. Es sieht allerdings ganz so aus, dass viele EU-Länder Europa nur dann benötigen, wenn es ihnen nützt. Man könnte es nationalen Egoismus nennen.

Doch so ist es nunmal. Menschen können rechnen, und wer ihnen Anreize gibt, muss sich darauf einstellen, dass sie mit beiden Händen zugreifen. Fallen sie weg, ändert sich die Geschäftsgrundlage: schon jetzt nimmt der Zustrom aus den Balkanländern ab, seit sich abzeichnet, dass auch Albanien, das Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden. 

Doch was ist mit den Flüchtlingen aus Eritrea oder Nigeria, die meisten von ihnen junge Männer? Es ist offenbar müßig, diese Frage afrikanischen Despoten zu stellen. Pikanterweise beschwerte sich jüngst das Außenministerium Eritreas beim UNO-Sicherheitsrat darüber, dass seine Bürger nicht im Lande bleiben wollen.

Offenbar kann es sich für eine Familie lohnen, einen jungen Mann mit tausenden von Dollars auszustatten, damit er sich nach Deutschland schleusen lässt, in der Hoffnung, dass die Familie später nachziehen kann. Damit ist das Geschäftsmodell der Schleuser gesichert. Und alle Hochrechnungen, die nicht jene Vielzahl mitberücksichtigen, die hinter einem einzigen Zugereisten steht, sind heiße Luft.

Realistisch gesehen: solange Deutschland mit einem Modell lockt, das sich auf einen Nationalstaat und nicht auf ein offenes Einwanderungsland bezieht, signalisiert es paradiesische Zustände, die es auf die Dauer nicht garantieren kann. Entweder erledigt sich der Sozialstaat dank wachsenden Zuspruchs selbst – oder er beschränkt sich auf den Club der bereits hier Lebenden.

Doch so realistisch hat man es hierzulande nicht gern, vor allem nicht bei einer Lobby, die vom Leid profitiert, das andere zu uns treibt: die Interessenvertretung all jener Sozialdienstleister, die von der Ausdehnung staatlicher Fürsorge profitieren. Bereits jetzt kommt noch nicht einmal die Hälfte des größten Haushaltspostens dort an, wo er Gutes tun soll, bei den Bedürftigen nämlich. Den Löwenanteil kassieren die bestallten Fürsorger – und jede neue „Flüchtlings“welle beschert ihnen vielfältige neue Möglichkeiten, ihr Angebot auszudehnen.

Es gibt offenbar Probleme, die niemand lösen will, solange man sie verwalten kann. Aber auch dieses Geschäftsmodell könnte irgendwann an seine natürlichen Grenzen stoßen.

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Leserpost

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Dieter Bleek / 02.08.2015

Den Leserkommentar von R.H. van Thiel kann ich nur unterstreichen. Was ist das Schengenabkommen wert? Viele EU Gesetze werden nicht eigehalten, frei nach Juncker : Wir stellen das mal in den Raum und wenn keiner protestiert .......  Das ist die rechtstaatlich EU

Dirk Jäckel / 01.08.2015

@Hubert Cumberdale “gegen Einwanderung” Wie bitte? Es geht hier nicht um geregelte Einwanderung. Lesen Sie den Beitrag noch mal. “ein paar Flüchtlingen” Der Flüchtlingsbegriff ist mittlerweile auf alle ausgedehnt, die sich von A nach B bewegen. Führt zu solchen begrifflichen Kaspereien, wie “serbischer Premier bestreitet, dass Flüchtlinge aus Serbien Aslybewerber sind” (letztens in der früher mal klugen ZEIT - richtig wäre es natürlich andersrum). Solch einen begrifflichen Unsinn machen außerhalb D nicht einmal Linke mit, da wird meist neutral von Migranten gesprochen, wenn der Flüchtlingssatus nicht deutlich ist. “die irgendwann wieder in ihre Heimat zurückkehren” Gehört zu den Phasen der sich besser Wähnenden nicht auch der Spruch “Gekommen um zu bleiben”? Ja was denn nun? Übrigens: Ich war schon immer für die Homo-Ehe und den Sozialstaat, aber gegen ungeregelte Einwanderung. Wer darin einen Widerspruch sieht. hat vielleicht doch einige ideologische Scheuklappen? Sie müssen sich entscheiden: Liberaler Sozialstaat oder ungeregelte Einwanderung. Beides geht nicht zusammen.

Bastian Leibold / 01.08.2015

@R. Helene van Thiel - eigentlich schon, aber wir haben mit der Aufgabe der Grenzkontrollen auch die Möglichkeit verloren, dieses - Dublin-II genannte - Abkommen zu überwachen. Dumm gelaufen!

Gert Weller / 31.07.2015

David Cameron sagt in den deutschen Fernsehnachrichten ganz klar: “No way”, im Anschluß an Filmbeiträge über die Flüchtlinge in Calais, vor dem Tunnel. Das sollte den Zuschauern doch zu denken geben, ob nicht doch die deutschen “Politstrategen” auf dem Holzweg sind.

Frank Kretzschmar / 31.07.2015

Grauenhaft, dieses Geschäftsmodell-Gesülze. Es geht um Leben oder Tod, um Frieden oder Bürgerkrieg, um den irreversiblen Verlust all dessen, was uns das Dasein lebens- und liebenswert machte. “Was vielen aus Ex-Jugoslawien einst gelang?” Das zu erkennen, hülfe ein Blick in die seinerzeitige Arbeitslosen- und Kriminalstatistik. “Aber auch dieses Geschäftsmodell” das der Asylindustrie, “könnte irgendwann an seine natürlichen Grenzen stoßen.” Als ob es da nicht schon längst angekommen wäre und, es mit Händen zu greifen, diese Grenzen mit unabsehbarem Folgen zu sprengen droht.

Hubert Cumberdale / 31.07.2015

Dieser Artikel zeigt, ohne es zu wollen, sehr gut den ideologischen Spagat, den die einstigen Liberalen und heute Konservativen begehen und dabei selbst nicht wissen, wie weit sie schon gekommen sind. Im ersten Absatz wird quasi der fehlende Staat beklagt, um ihn ganz am Ende samt seiner Mitarbeiter als “Profiteure” in die Pfanne zu hauen. Daran wird das konservative Dilemma deutlich: Man will einerseits einen starken Staat, aber nicht einen, in dem die aus ihrer Sicht “falschen” - also die bösen Grünen und Linken - Leute agieren. Natürlich ist es so, dass viele Freiwillige derzeit Flüchtlinge unterstützen. Die meisten dieser Leute werden dafür nicht bezahlt, obwohl sie es sollten. Der gesunde Menschenverstand würde doch hier sagen: Lasst uns aus der Not eine Tugend machen und Arbeitsplätze schaffen. Der konservative Dünkel wittert aber sofort die Krake Sozialstaat und will lieber gar nichts tun, denn das wäre ja wieder Umverteilung, Sozialindustrie, etc. Es gibt sie eben nicht, die auf rechter Seite überall vermutete “Asylindustrie”. Dazu gibt es dann noch die etwas bemitleidenswerte Klage über den Vorwurf, rechts zu sein. Die Ironie an der Sache ist, dass die Artikel von Dr. Stephan und auch anderer Autoren hier sehr deutlich machen, wo sie stehen: gegen Einwanderung, skeptisch gegenüber Homo-Ehe, gegen den Sozialstaat und gegen Feminismus, für mehr Privatisierung und für deutsche Leitkultur, Diffamierung von Whistleblowern wie Edward Snowden und Eintreten für starke Geheimdienste. In jedem Land der Welt würde man das ohne Zögern als politisch rechts einstufen. Geert Wilders, Marine Le Pen, Nigel Farage, Viktor Orban, Ann Coulter oder Rush Limbaugh sahen oder sehen sich mitnichten als Zentristen oder Moderate, sondern als Rechte. Hier teilt man deren Positionen, traut sich aber nicht den letzten Schritt zu gehen. Warum? Weil man vor dem Geist, den man aus der Flasche ließ, dann doch etwas zurückschreckt. Wenn etwa in Franken oder Sachsen bereits die ersten Flüchtlingsheime angegriffen werden, müssen sich auch Konservative die leidige Frage stellen, vor wem sie mehr Angst haben: ein paar Flüchtlingen, die irgendwann wieder in ihre Heimat zurückkehren, oder den Neo-Nazis und ihrer Sympathisanten, die hier bleiben werden. Denn die haben mit der hier gepriesenen Bürgerlichkeit nicht viel mehr am Hut als ein islamistischer Schläfer. Ein weiteres Dilemma im Artikel: der “Aufstieg” von AfD und Pegida, der bei genauerer Betrachtung eher ein Abstieg ist. Pegida hat außerhalb Dresdens keine Menschenmassen auf die Straßen gezogen, fast überall überwogen die Gegner. Inzwischen ist die Bewegung auf Sachsen beschränkt. Die AfD hat es zwar in einige Landtage gepackt, dümpelt bundesweit aber weiter bei 5 Prozent rum, weit entfernt von einer Mehrheit. Denn die tickt inzwischen vielleicht ganz anders als noch vor 20 Jahren. Marxisten sind bereits daran gescheitert, die Stimmung der Masse falsch einzuschätzen und für sich zu instrumentalisieren, nun machen es die Konservativen ihnen nach.

Matthias Elger / 31.07.2015

Es geht nicht nur den Sozialstaat, sondern den sozialen Frieden. Denn wird das Geld im Land einmal knapp und dunkle Wolken am Wirtschaftshorizont tauchen schon auf, denn geht der Streit los. Und dann teilt sich die Gesellschaft schnell in die und die, Frankreich lässt grüßen. Ganz abgesehen, dass Zuwanderung, Einwanderung, Asyl im großen Stil, wie derzeit die Gesellschaft stark verändern, also wenn dies im positiven Sinne sein soll, dann muss man auch Acht geben.

R. Helene van Thiel / 31.07.2015

Eines verstehe ich nicht: Nach Deutschland kann man doch eigentlich nur kommen, wenn man über ein anderes EU-Land einreist. Wieso werden Asylbewerber dann nicht an der Grenze in jenes Land zurückgeschickt? Stattdessen werden ihnen Unterkünfte bereitgestellt, und ausnahmslos jeder wird aufgenommen, was ja nicht ohne große Kosten geht, um nur einen Aspekt herauszugreifen. Sehen die europäischen Verträge denn nicht anderes vor? So allmählich bekomme ich das Gefühl, daß Verträge, die zu Deutschlands Nutzen wären, grundsätzlich gebrochen werden; diejenigen, die ihm schaden, aber peinlichst genau befolgt werden. (Für die Euro-“Rettung” gilt das gleiche.)

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