Nietzsche, “Also sprach Zarathustra”: “»Gelbe«: so nennt man die Prediger des Todes, oder »Schwarze«. Aber ich will sie euch noch in andern Farben zeigen.” Ziemliche passende Beschreibung der politischen Situation in Deutschland.
„Er wird nicht gehört, er wird bestaunt.“ Das darf man meiner Ansicht nach eine Punktlandung nennen, Herr Weimer! Daher neige ich, ohne Ihnen widersprechen zu wollen, eher zu folgender Schwerpunktsetzung: Bereits früher unterstellte man der FDP einen gewissen Hang zur Klientelpolitik. Auch gegenwärtig darf man annehmen, daß diese Partei unter Ausklammerung des Allgemeinwohls Politik betreibt. Sie sammelt nämlich auf den von Merkel verlassenen Orten die Modebewußten, die mit Dünkel Beladenen und Extravaganten, denen die Politik der Kanzlerin bereits seit langem auf die Nerven geht, aber die sich dennoch aus Feigheit parallel zum Mainstream bewegen, mit ihren geschickt inszenierten Marketingkampagnen ein. Jene „Paralleldenker“ bestaunen eben lieber das „Einhorn der deutschen Politik“ als selbst angestrengt über gesellschaftliche Probleme nachzudenken. Somit bedarf es vom überaus flexiblen Christian Lindner keines großen Mutes. Es ist und bleibt auch nach dem Farbenwechsel einfach das alte politische Kalkül der kleinen Partei FDP.
“Bei Lindner fühlt man sich zuweilen wie in einem Start-up-Loft beim Fußballkickern oder mit den Comedy-Kumpeln beim Poetry Slam.” JA. Nur, ist das schön ? Ist das gut ? Ich halte mich für liberal und gewinne liberalen Gedanken vieles ab, aber genau das finde ich bei Lindner mit “seinem “Mut” zur politischen Inkorrektheit” nicht. Welcher “Mut zur Autonomie” verkörpert er ? Bzw wollen Sie sagen, dass das Tragen eiines Unterhemdes “mutig” sei ? Gestern gab es in meiner Firma ein “Event” und wir sprachen auch über die Wahl. Viele Kollegen präferieren eigentlich Rot und Grün und ich mit meiner Sympathie für Frau Merkel bin eher die Ausnahme. Nun kam ich aber aus dem Staunen nicht heraus. Die meisten (ob es kommt, werden wir ja sehen) wollen Lindner wählen, sei es weil man keine GroKo will, weil man bei KGE nicht weiß, was sie will, weil man die Home-Ehe will oder eben weil Lindner so toll aussieht ... Ja, Sie haben recht, es muss wohl so sein, dieser “Mut” ist es ;-)
Dabei meinte Herrn Lindner nach der NRW-Wahl, dass er nicht in den Bundestag will…
Das alles gilt bis zum nächsten Betrug. Und der kommt in dem Moment, in Dem sich die Frage stellt, posten oder Opposition. Ich jedenfalls mache einen Fehler nicht zweimal.
Wird die one-woman-show CDU wirklich eine riskante Vierer-Koalition CDU/CSU/FDF/Grüne wollen, wenn entspannt mit der SPD und Schulz als geschwächtem Juniorpartner durchregieten kann?
Dieser Text kann richtig sicherlich nur als Groteske verstanden werden, andernfalls muss am Urteils- bzw. Einfühlungsvermögen - denn seine Deutung der Person Lindner gründet ja auf Anmutungen - des Autors gezweifelt werden. Sofern das unsägliche Label “Spießer” überhaupt zu irgendetwas taugt, dann dazu, dass diese Lichtgestalt eben alles, nur kein >Anti< ist: Ein ewig Neunmalkluger, Alles- und Besserwisser, dessen pseudomäßige Selbstinszenierung den Habitus z.B. eines Hans Eichel ( sicherlich der Inbegriff eines oberlehrerhaften >Spießers< ) lediglich zu übertünchen weiß. Mag sein, dass in einer bräsig-onkelhaften bzw. die intellektuellen Grenzen entblößenden Gesprächsrunde Lindners verbale Angriffslust sowie seine “Schnapper”- Fertigkeiten den Ausschlag dafür geben, ihn für den Besseren zu halten. Das nebenstehende Interview ist für mich da aufschlussreicher. Ich glaube, dieser Mann folgt einzig dem Impuls, einen Komplex abarbeiten zu müssen. Von daher steht er eher in einer Reihe mit Leuten wie Gabriel und Trittin als im Gefolge irgendwelcher Querdenker.
Schlecht getarnte Wahlwerbung für die FDP, ein als Zitat camoufliertes Bashing der AfD als “rechtspopulistisch” (gähn) - Sie tun weder der FDP noch Lindner damit wirklich einen Gefallen. Lindner hat Erfolg, weil er, viel besser als ein Martin Schulz, verkaufen kann, er sei “Anti-Establishment” obwohl er nicht minder systemkonform ist wie Angela Merkle oder eine Marietta Slomka. Zweifellos: Er sieht, richtig fotografiert, gut genug aus, um auf dem Titelblatt von “GQ” oder Men’s Vogue” abgebildet zu werden. Für Neuköllner Hipster-Cafes ist er an sich schon zu alt, aber im “Borchardts” oder “Cafe Einstein” können wir uns ihn, im Valentino-Anzug, selbstverständlich zu eng, selbstverständlich hochwasser, selbstverständlich marineblau mit brauen Schuhen, wie es sich diese Saison gehört, gut vorstellen. Den männlichen Jungwählern reicht das. Sie produzieren derzeit in die FDP die gleichen irrealen Hoffnung der Generation Schneeflocke nach dem politikfreiem Postmaterialismus plus Smartphone-Komptabilität wie sie es zuvor in die Piraten projizierten. Vergebens. Lindner ist linksliberal wie Thomas Oppermann oder Robert Harbeck. Seine Hoffnungen ruhen darauf, einen Platz in Merkel Tafelrunde zu bekommen. Nichts wäre für die FDP schlechter als Opposition. Eingeklemmt zwischen AfD und PdL würde sie zugrundegehen an der Unmöglichkeit, innerlich Merkel gut zu finden, nach außen aber das Gegenteil zu sagen. Daran ist schon Martin Schulz gescheitert. Reicht das nicht als Warnung?
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.