Archi W. Bechlenberg / 27.08.2017 / 06:19 / Foto: Giovanni / 2 / Seite ausdrucken

Das Antidepressivum zum Sonntag: Gruß aus der Verbannung

Nun hat es mich auch erwischt – Facebook sperrte meinen Account; zwar nur für zwei mal 24 Stunden, aber immerhin: das sind volle 48 Stunden ohne die mich ansonsten Tag und Nacht umher treibende Angst, mein Account könne mal von Facebook gesperrt werden; plötzlich und erwartet, nach langem schweren Posten. Dazu bedarf es inzwischen ja nicht mehr viel, man braucht bloß den Namen einer beliebten luxemburgische Biermarke (der hier nichts zur Sache tut, man will die Brauerei ja nicht in die Bredouille reiten) falsch zu schreiben. Oder sich beim Tippen des Wortes Murmeltier auf die Rechtschreibkorrektur verlassen. Nun also bin ich diese Sorge los, und ich muss sagen: ein ausgesprochen angenehmes Gefühl, so angenehm, dass ich bereits überlege, eine Verlängerung zu beantragen.

Ich höre Sie mich zu Recht fragen: „Was macht ein halbwegs bei Sinnen seiender Mensch wie Sie bei Facebook?“ Die Frage ist mehr als berechtigt, doch habe ich eine hoffentlich nachvollziehbare Antwort: Facebook kann eine gute Nachrichtenquelle sein. Wer dort einen klug zusammen gestellten Kontaktkreis pflegt, findet täglich in kompakter Form Informationen, die man sich ansonsten erst mühevoll zusammensuchen müsste. Der Eine hat dort etwas Relevantes gefunden, die Andere dort. Das anschließende Filtern und Werten der jeweiligen Informationen obliegt einem dann natürlich selbst; ansonsten läuft man Gefahr, irgendeinem Mumpitz aufzusitzen.

Ein aktuelles positives Beispiel ist das wahrscheinlich sonst untergegangene Video, auf dem eine Berliner SPD-Kandidatin ungehemmt hinter ihrem Parteivorsitzenden herum albert; der Clip ist geradezu ein Musterbeispiel für die Knallchargerei unserer außer Rand und Band agierenden Politiker. Das YouTube-Video sowie die Reaktion der Darstellerin sind so ungeheuerlich, dass beides fleißigst geteilt und somit verbreitet wurde. Gut möglich, dass högln einmal in die deutsche Sprache Einzug halten wird. Wortart: ganz schwaches Verb, Worttrennung: hö|gln, Bedeutung: hemmungslos herumkaspern und anschließend beleidigt sein. Kein Wunder daher, dass sich die von Maas initiierten und einer Handvoll Bundestagsabgeordneten durchgewunkenen Zensurmaßnahmen gezielt gegen Plattformen wie Facebook richten, denn da steckt durchaus Potenzial drin, welches bei denen, die am liebsten nur die Öffentlich-Rechtlichen Medien zulassen würden, ganz und gar nicht gelitten ist.

Dennoch gräme ich mich nicht wegen meiner Sperrung, auch wenn der Draht zu einem großen Teil meiner Kontakte momentan gekappt ist. Sollte die Verbannung eine Art Strafe sein, so wie früher in der Schule das Indereckestehen, ging sie ins Leere. Dagegen vorzugehen fällt mir nicht ein. Ich habe die momentane Stilllegung statt dessen als Chance begriffen und eine ganze Reihe von Dingen erledigt, die ich immer wieder verschoben und vernachlässigt habe. Und sollte die Sperrung anhalten, komme ich endlich mal dazu, meine alten Dias zu digitalisieren.

In die Atmosphäre seines kafkaesken Verbannungsortes eintauchen

Womit ich einen eleganten Bogen ins kulturell Wertvolle schlage. Youtube, das seinen Ruf ebenfalls durch Löschungen ruiniert, hat ohne Zweifel eine Menge Sehens- und Hörenswertes zu bieten, aber diese von Google kontrollierten Seite ist nicht die einzige mit einem breit gestreuten Angebot in Sachen Unterhaltung und Information. Ihr Augenmerk soll daher auf die Seite dailymotion.de gelenkt werden, die von einem französischen Unternehmen seit 2005 betrieben wird.

Zwar findet man dort auch einige eher fragwürdige Inhalte wie Kanäle von CNN, Süddeutsche Zeitung und der Deutschen Welle, aber das Angebot an Unterhaltung kann sich wirklich sehen lassen. Und unter diesem habe ich eine TV Serie entdeckt, die vor nunmehr 50 Jahren Furore machte und bis heute Fans hintergründiger Geschichten heilig ist. Sie heißt The Prisoner und wurde in Deutschland vom ZDF 1969/70 unter dem Titel Nummer 6 gesendet. Mitten in der Nacht. Aber immerhin.

Eine recht ausführliche Beschreibung der Serie, die in einer nahen Zukunft in einem totalitären System mit faschistoiden Behörden und Politikern angesiedelt ist, lesen Sie auf der Wikipediaseite von The Prisoner , auf die ich hier verweise. Und eben diese Serie finden Sie in englischer wie deutschen Fassung auf dailymotion.de. Hauptdarsteller war der gut aussehende, irisch-amerikanische Schauspieler Patrick McGoohan (1928-2009), der eine gewisse Exzentrik an den Tag legte – so lehnte er die Filmrolle als James Bond ab, da er als guter Katholik keine erotisch angehauchten Szenen zu spielen bereit war; selbst Küssen kam für ihn nicht infrage.

Dennoch war McGoohan gut im Geschäft und drehte Spielfilme und eine TV Serie. Bei The Prisoner war er nicht alleine der Hauptdarsteller, sondern auch der Initiator und Ideengeber. Die  Serie mit allen ihren Details, Handlungssträngen, surrealen Schauplätzen und philosophischen Fragestellungen überforderte das damalige Publikum (das heutige wahrscheinlich noch mehr), so dass The Prisoner eher schwache Einschaltquoten erzielte. Was ja durchaus ein Qualitätsmerkmal ist.

Geben Sie bei Dailymotion als Suchbegriff Nummer 6 ein, Sie erhalten eine Reihe von Verweisen zu den einzelnen Folgen. Sollten Sie die Serie noch von früher in Erinnerung haben, freuen Sie sich vielleicht, mit Patrick McGoohan wieder in die Atmosphäre seines kafkaesken Verbannungsortes einzutauchen. Und sollten Sie noch nie etwas davon gehört und gesehen haben – lassen Sie sich darauf ein! Ähnlichkeiten mit heutigen Geschehnissen sind zwar nicht beabsichtigt, aber durchaus erkennbar.

Link zur ersten Folge hier.

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Leserpost

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Rudolf Dietze / 27.08.2017

Das Antidepressivum zum Sonntag hu grusel grusel, dann lieber “Rats In My Room"von Leona Anderson. Bitte nicht so realitätsnah. Habe gerade noch mal “Rats in my room” aufgerufen, als nächste Empfehlung von yutube “Wie man Zahnbelag entfernt ohne zum Zahnarzt gehen zu müssen!” Wenn alles so leicht geht ist der Sonntag gerettet.

Rainer Kaufmann / 27.08.2017

Früheste, fast unterbewusste, TV-Erinnerung an Patrick McGoohan - “Geheimauftrag für John Drake”. Mit den Eingangsworten ” Mein Name ist Drake, Jahn Drake.” Wie der andere Geheimagent (Wer hat von wem “geklaut”?). Später war McGoohan noch öfter in Colombo-Folgen zu sehen, als eleganter Drecksack. Immer Sympathisch.

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