Archi W. Bechlenberg / 31.07.2016 / 06:15 / 2 / Seite ausdrucken

Das Anti-Depressivum zum Sonntag: „Hendl In The Wind”.

Seit mehr als drei Jahrzehnten schätze ich die Wortakrobatik von Thomas C. Breuer. Der Autor, Kabarettist und Satiriker weiß sogar genau, seit wann: „35 Jahre habe ich beim WDR Radio gemacht. […] In den Pausen der 'Unterhaltung am Wochenende' am Samstagnachmittag sind wir immer rüber ins Nachbarstudio, wo Kurt Brumme die Schlusskonferenz der Bundesliga dirigierte.“ Nun wird die 'Unterhaltung' zum Jahresende eingestellt. Ich gestehe, sie nicht mehr regelmäßig gehört zu haben, da der WDR in nahezu allen Bereichen zu einer grausligen Ohrenplage mutiert ist; schade finde ich es dennoch, da ich mit der 'Unterhaltung' viele schöne Erinnerungen verbinde; ihr verdanke ich auch die Bekanntschaft mit Heino Jaeger, den ich hier vor einigen Monaten würdigte.

Es war für mich immer ein Highlight der Sendung, wenn Thomas an der Reihe war und seinen Wortschöpfungen freien Lauf ließ. Sie klangen und klingen stets so selbstverständlich beim Hören, aber das sind sie ganz und gar nicht: Man muss erst einmal darauf kommen. Und darin ist TCB ein ganz großer Meister. In seinen bisher 34 Büchern sowie mehreren Hörbüchern zelebriert der Autor souverän zu den unterschiedlichsten Themen seine Verbalkünste.

An Themen mangelt es ihm wahrlich nicht, er kennt sich aus mit Reisen, mit Musik, mit der Gastronomie, mit Wein, mit Land und Leuten. In meinem Blog Das Herrenzimmer findet man dazu einige schöne Texte zu den Küchen unterschiedlicher Länder. Natürlich voller Wortspielereien und Anspielungen - da heißt in Frankreich ein Restaurant „Chez Guevara“, die Schwaben mögen keine Preisselbeeren,  weil darin die Buchstabenkombination Preis vorkommt, und gekocht wird im Ländle mit „Fingerspätzlegefühl“ . Die griechische Küche ist „ganz und gar gar“, denn „die Garzeiten, und wahrscheinlich sind sie stolz drauf, reichen bis in die Antike zurück.“ Auch was es bei den Hellenen mit dem fuseligen Ouzo auf sich hat, kann man bei Thomas C. Breuer erfahren: „Um den Magen, damit er nicht Amok läuft, ins künstliche Koma zu kriegen, wird Ouzo drauf geschüttet. Was glauben Sie, warum der Ouzo seit einiger Zeit vor dem Essen serviert wird? Zur örtlichen Betäubung! Und wissen Sie, warum sich in griechischen Restaurants keine Topfpflanzen halten? Weil die Gäste da ihren Ouzo reinkippen.“

Gorbatschow – auch als Väterchen Defrost bekannt

In Russland, wen wundert's, ist Wein weniger beliebt als Wodka, Er holt aber auf, und Vergangenheit sind die Zeiten, als „ein Großteil der Bevölkerung unter Gorbatschow – auch als Väterchen Defrost bekannt – kaum zwischen Glasnost und Glas Most unterscheiden konnte“. Nicht fehlen dürfen bei den kulinarischen Rundschlägen Breuers die Engländer, bei denen viele Speisen so aussehen, „als hätte man sie aus der Deko eines Wallace- & Gromit-Films entfernt“.  Die Küche des Perfiden Albion wird hingegen in letzter Zeit raffinierter, denn seit dem Tod von Diana haben die Engländer ein neues Nationalgericht: “Hendl In The Wind”.

Sie sehen, manchmal bedarf es nur eines kleinen Kniffs, um neue Wörter zu erschaffen. Bei Thomas C. Breuer ist das nicht l'art pour l'art, sondern stets dem Kontext verpflichtet. Wenn es um die Bodendenkmalspflege in Trier geht, sind „Trierschützer“ am Werk, in Baden sind angesichts eines Alkoholkonsums von 15 Litern reinem Alkohol pro Jahr das Erlangen von „Schlürfrechten“ kein Problem, und in Island, wo man stets gerne Federvieh aß, sind nach der Wirtschaftskrise „die fetten Stare vorbei.“

Was immer auch das Thema sein mag: stets ist es ein großes Vergnügen, Thomas C. Breuer zu lesen und auf der Bühne zu erleben. So sehen es viele: vor zwei Jahren wurde ihm der renommierte „Salzburger Stier“ verliehen. Geboren ist er 1952 in Eisenach, aufgewachsen ist er in der Pfalz, seit langem lebt er in Rottweil. Bekannt und beliebt ist er vor allem bei unseren Schweizer Nachbarn; dort kann man ihn regelmäßig im Radio hören und auf Kleinkunstbühnen erleben. Als ich ihn vor einigen Jahren bei einem Autorentreffen in Vincent Klinks Stuttgarter Wielandshöhe kennen lernte, was das eine große Freude für mich, denn wie eingangs erwähnt, schätze ich ihn und seinen Umgang mit Sprache und Satire seit Jahrzehnten.

„Brücke zwischen Jucken und Zweifelscheid“

Gerade habe ich sein neues Buch beendet, es nimmt die Leser diesmal mit in die Eifel zwischen Aachen und Trier; zuvor erschienen sein wunderbares Amerikabuch „Jack Kerouac konnte nicht Autofahren“ sowie „Schweizerkreuz und quer 2.0“, in dem er sich kenntnisreich und pointiert den helvetischen Obsessionen widmet. Das Eifelbuch heißt „Brücke zwischen Jucken und Zweifelscheid“, ein Titel, der ausnahmsweise einmal nicht Breuers Sinn für hintersinnige Wortschöpfungen entspringt – es gab tatsächlich ein Straßenschild mit dieser Aufschrift. „Ein Schild ist mir immer in Erinnerung geblieben: ›Brücke zwischen Jucken und Zweifelscheid‹. Das passte: Auf dieser Brücke habe ich mich zeitlebens zu bewegen versucht. Zweifelscheid entspricht mir, eher jedenfalls als St. Thomas.“

Ein Buch, das ich – so wie auch alle anderen von Thomas -  aus ganzem Herzen zur Lektüre empfehlen möchte, selbst Lesern, die mit der Eifel wenig oder nichts verbindet und in dem man solche Perlen findet: „Als Astronaut Buzz Aldrin als zweiter Mensch den Mond betrat, übermittelte er dem Kontrollzentrum in Houston, ihm komme die Gegend irgendwie bekannt vor. Kein Wunder: Aldrin war drei Jahre in Bitburg stationiert gewesen.“

Ein Gespräch mit Thomas C. Breuer finden Sie hier.

Die Website von Thomas C. Breuer hier.

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Leserpost

netiquette:

Archi W. Bechlenberg / 31.07.2016

Eine kleine Korrektur habe ich nachzuschieben: Die Sendung “Unterhaltung am Wochenende” ist nicht eingestellt worden, dafür aber “Die Spielart”. Was den Sender angeht ... Schwamm drüber. Wer nicht in die Gefahr geraten will, sein völlig unschuldiges Empfangsgerät an die Wand zu klatschen, sollte tunlichst Abstand vom WDR halten.

Hans Meier / 31.07.2016

Danke, herrlich und was aus dem WDR wurde? Akustisch suchen und senden die täglich nur noch Gender-Menstruationsmusik, völlig deprimierend. Optisch bin ich schon längst auf der WDR-Flucht.

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