Archi W. Bechlenberg / 16.10.2016 / 06:00 / Foto: Julian Hammer / 4 / Seite ausdrucken

Das Anti-Depressivum zum Sonntag: Douglas Adams

„Viele kamen allmählich zu der Überzeugung, einen großen Fehler gemacht zu haben, als sie von den Bäumen heruntergekommen waren. Und einige sagten, schon die Bäume seien ein Holzweg gewesen, die Ozeane hätte man niemals verlassen dürfen.“

Ich muss seit geraumer Zeit immer wieder an diesen Satz denken, angesichts der Weltlage, unter besonderer Berücksichtigung Deutschlands. Geschrieben hat ihn Douglas Adams, und finden kann man ihn in dessen wohl bekanntestem Werk, dem ersten Band der Per Anhalter durch die Galaxis-Reihe, eine Trilogie mit insgesamt fünf Bänden. Den Plot zu erzählen dürfte ich mir und Ihnen ersparen können, da es wohl nur sehr wenige Literaturliebhaber gibt – außer vielleicht auf dem legendären Planeten Magrathea, die ihn nicht kennen. Aber das wäre eine andere Geschichte.

„Die Idee für den Titel kam mir, als ich im Jahr 1971 betrunken auf einem Feld in Innsbruck, Österreich, lag. Nicht richtig betrunken, gerade die Art von betrunken, wenn Sie ein paar steife Gösser trinken, nachdem Sie an zwei aufeinanderfolgenden Tagen nichts gegessen haben.“  (Douglas Adams)

Ich kam mit dem „Anhalter durch die Galaxis“ (manchmal heißt es auch „...durchs All“) zum ersten Mal nicht lesend, sondern hörend in Kontakt. Mitte der 1980er Jahre wurde eine Hörspieladaption von deutschen Radiosendern ausgestrahlt, mit dabei unter anderem Rolf Boysen, Felix von Manteuffel, Klaus Löwitsch, Markus Boysen, Dieter Borsche, Hans Korte und der greise Bernhard Minetti. Als Hörspiel war Adams Mischung aus Satire, Science Fiction und Komödie zuvor auch in England bekannt geworden, wo die BBC ab 1978 seine Hörer mit dem großartigen Spaß begeisterte.

Sie werden die Antwort kennen; wenn nicht: Sie lautet „42"

Was den Autor, bisher nur hinter den Kulissen als Drehbuch- und Gagschreiber tätig, dazu veranlasste, die Geschichten um Arthur Dent, Ford Prefect. Zaphod Beeblebrox, Trillian sowie einer großen Zahl weiterer bizarrer Figuren – unter ihnen Marvin, ein depressiver Roboter und Slartibartfaß, der mittels eines Supercomputers eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, dem Universum und dem ganzen Rest zu finden versucht (Sie werden die Antwort kennen; wenn nicht: Sie lautet „42“), in Romanform zu veröffentlichen. Nicht vergessen darf man in diesem Pandämonium die Vogonen, eine außerirdische Rasse von ausnehmender Bösartigkeit.

Den Büchern folgten TV-Serien, ein Kinofilm, ein Musical und Theateradaptionen, und auch im Genre der Computerspiele finden sich Umsetzungen, Anleihen und immer wieder Anspielungen. Kurz: Douglas Adams Werke gehören längst zum Allgemeinwissen in der populären Kultur. Jeder, der mit dem Adams'schen Universum vertraut ist, weiß natürlich, was es mit dem Handtuch auf sich hat („so ziemlich das Nützlichste, was man auf Reisen durch die Galaxis mit sich führen kann“), und die Antwort „42“ dürfte manchem Fan der Galaxis weitaus geläufiger sein als eine simple Dreisatzrechnung ohne elektronische Hilfe. Allerdings - auf was diese Antwort die einzig richtige ist, fand man bisher nicht heraus, da niemand weiß, wie die vorher gestellte Frage eigentlich exakt lautet. 

Sie sehen – oder wissen als Eingeweihter – also, dass das Universum des Douglas Adams ein unendliches und reichlich schräges ist. Zudem der Brite einen ausgesprochen eigenwilligen, um nicht zu sagen einzigartigen Humor besaß, dem er ungehemmt nachgehen konnte. Diesem Humor verdanken wir viele großartige Erkenntnisse und Einsichten, die weit über die Galaxis hinaus einen eigenständigen Wert erlangten und immer wieder gerne als Zitate auftauchen. In Adams Büchern findet man in einer schier unglaublichen Frequenz Sätze, für die die meisten Gagschreiber gerne einen Finger oder gar die ganze Hand geben würden.

„Es irritiert mich, dass ansonsten intelligente Leute Religion so ernst nehmen“ 

Wohlgemerkt: für einen davon! „Wir legen unser Leben in deine Hände, Herr" ist, ehrlich gesagt, nicht gerade das, was man von einem Piloten hören möchte, wenn er Vollgas gibt.“ ist so ein Satz, der exemplarisch für den knochentrockenen Humor des Autors stehen mag. Man denkt das eine und andere Mal an Woody Allen, der einen ähnlichen Stil pflegt; von Allen könnte durchaus auch ein Satz wie „Der Weltraum, heißt es, ist groß. Verdammt groß. Du kannst dir einfach nicht vorstellen, wie groß, gigantisch, wahnsinnig riesenhaft der Weltraum ist. Du glaubst vielleicht, die Straße runter bis zur Drogerie ist es eine ganz schöne Ecke, aber das ist einfach ein Klacks, verglichen mit dem Weltraum.“ 

Häufig nahm sich Adams des Themas Religion an. Er war ein glühender Ketzer und bezeichnete sich selber als „radikalen Atheisten“, da ihm der Agnostizismus zu weich gespült und unentschieden war. Seine Position machte er einmal so klar: „Ich finde alles, was mit Religion zusammenhängt, äußerst interessant. Aber es irritiert mich, dass ansonsten intelligente Leute sie so ernst nehmen.“ Einmal lässt er Ford Prefect sagen: „Euer Gott stellt einen Apfelbaum mitten in einen Garten und sagt: "Macht, was euch Spaß macht, Leute, oh, aber esst keinen Apfel." O Wunder, o Wunder, sie essen natürlich einen, und er springt hinter einem Busch hervor und schreit: "Hab ich euch endlich!" 

Und hübsch finde ich auch diesen Spott: „Die ersten, die ins Land strömten, waren die Missionare: Katholiken, die kamen, um den Eingeborenen von den Irrwegen der Protestanten zu erzählen, und Protestanten, die kamen, um den Eingeborenen von den Irrwegen der Katholiken zu erzählen. Einig waren sich Protestanten und Katholiken nur in dem Punkt, dass die Eingeborenen sich zweitausend Jahre lang auf einem Irrweg befunden hatten.“ Dass es im „Anhalter“ ein Volk gibt, das der Überzeugung ist,  das Universum werde nicht von einem Gott regiert, sondern von einem Wesen namens „Großer Grüner Arkelanfall“, rundet Adams Weltsicht ab – bizarrer als ein Glaube an jedes anderes Höhere Wesen ist das ohnehin auch nicht.

"Ich habe einen Tag gehabt, danach würde selbst der heilige Franz von Assisi Babys in den Hintern treten."

Der gottfreie Evolutionsbiologe Richard Dawkins widmete sein Buch Der Gotteswahn Douglas Adams und beginnt es mit einem Zitat aus dem „Anhalter“: „Genügt es nicht zu sehen, dass ein Garten schön ist, ohne dass man auch noch glauben müsste, dass Feen darin wohnen?“

Ich fürchte, Douglas Adams würde diese meine Eloge auf ihn nicht mögen. Denn ich habe hier ausschließlich über seine „Anhalter-Romane“ geschrieben, dabei sind diese nur ein Teil seines Werkes (wenn auch der weltweit erfolgreichste). Adams hat häufiger seine Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht, dass sein weiteres Werk als Autor weniger Beachtung fand. Ich kann das verstehen. Er hatte wirklich mehr zu erzählen und war ein großartiger Stilist.

Adams selber sah sein Werk Die Letzten ihrer Art von 1990 (Last Chance to See) als sein Opus Magnum an; bei dieser Arbeit konnte er seiner großen Leidenschaft, der Zoologie, nachgehen. „Die Letzten ihrer Art“ wurde zunächst in England als Radiosendung veröffentlicht, das begleitende Buch entstand parallel. Adams und sein Mitautor Mark Carwardine unternahmen dazu über fünf Jahre hinweg Reisen rund um die Welt, auf der Suche nach Individuen der am stärksten bedrohten Tierarten. Eben den Letzten ihrer Art. Das wirklich lesenswerte Buch ist als Taschenbuch und antiquarisch in gebundener Ausgabe erhältlich.

Damit nicht genug. Als Autor arbeitete Douglas Adams vor den Anhalter-Geschichten für die Kinderserie Dr. Snuggles, für die Kultserie Dr. Who, er schrieb einige Geschichten abseits des Anhalter-Universums und war an den Drehbüchern von „Monty Python’s Flying Circus“ beteiligt. Wenn ich mich recht erinnere, ist er in einer der letzten Folgen auch zu sehen.

Douglas Adams, 1952 geboren, starb 2001 in einem kalifornischen Fitness-Studio. Einmal im Jahr, am 25. Mai, feiern seine Fans ihm zu Ehren den Towel Day, indem sie ein Handtuch mit sich herum tragen. Das hätte dem Mann gewiss gefallen.

Zum Schluß zurück zum Anfangszitat. Schauen Sie sich um. Die Welt ist aus den Fugen, die Agierenden machen den Vogonen jeden noch so schlechten Ruf streitig (die Vogonen waren laut Adams zwar „mies gelaunt, bürokratisch, aufdringlich und gefühllos“, aber auch „wichtig für unsere Galaxis.“). Letzteres kann nicht jeder von sich behaupten, ohne auf angemessenen Widerspruch zu stoßen; wer wüsste das besser als Sie und ich...

Ich möchte schließen mit einem Zitat von Douglas Adams, das geradezu gespenstig genau den heutigen Stand der Dinge um uns herum erklären könnte. Es lautet: „Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch noch etwas Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt. - Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon passiert ist.“

Links:

Ein Portrait Douglas Adams' in der Reihe „Big Thinkers“

Douglas Adams: Parrots the Universe and Everything (Vortrag kurz vor seinem Tod)

Das Stichwort Douglas Adams liefert bei Youtube zahlreiche weitere Funde.

Noch mehr zum Thema Geist, Genuss und Gelassenheit finden Sie wauf Archi W.Bechlenbergs Blog "Herrenzimmer"

Foto: Julian Hammer CC BY-SA 3.0 via Wikimedia

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Michael Kohlhaas / 16.10.2016

Am Rand des Universums endet die Vogonen-Herrschafft - oder hier schon. Lasst uns die Vogonen-Queen beiseite treten.

Gertraude Wenz / 16.10.2016

Lieber Herr Bechlenberg, ich danke Ihnen aus tiefstem Herzen für diesen wundervollen Beitrag! Sie gehören für mich zu den besten Achse-Autoren und zu den wenigen, die sich ernsthaft mit dem weltweiten Unsinn von Religion auseinandersetzen. Hinter allem spürt man ein großes Ethos und den wahrhaftigen Wunsch nach Erkenntnis und-ja- Verbesserung der Welt. Sicherlich geht es Ihnen oft wie mir und Sie fühlen diese abgrundtiefe Verzweiflung über die Vielzahl an Menschen, die unter Ausschaltung ihres Verstandes sich einem Wunschbild hingeben und noch der absurdesten, aberwitzigsten Religion folgen mit einer bemerkenswerten Faktenresistenz und damit zum Unfrieden und Unglück in der Welt beitragen. Manchmal hilft einem da wirklich nur noch Spott und Zynismus, obwohl man eigentlich liebe-und verständnisvoll sein will! Ich werde mir den guten Douglas Adams jetzt mal zu Gemüte führen! Ich kenne zwar den Namen und einige Zitate, aber jetzt möchte ich auch seine Bücher lesen. Lieber Herr Bechlenberg, machen Sie weiter so und geben Sie nicht auf!

Lars Bäcker / 16.10.2016

Ein herrlicher Text, der mich dazu animiert, die “fünfbändige Trilogie” noch einmal zu lesen. Wer’s noch nicht getan hat, sollte dies schleunigst nachholen. Danke, Herr Bechlenberg und einen schönen Sonntag.

Hajo Schuhmann / 16.10.2016

Zum vorletzten Absatz: man vergesse dabei nicht den berühmten Ausspruch des vogonischen Besatzungsmitgliedes, als er Ford Prefect und Arthur Dent abführt: “Widerstand ist zwecklos!” Denn genau das schimmert durch all die “Alternativlos”-Aussagen doch durch.

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