Archi W. Bechlenberg / 18.09.2016 / 06:28 / 3 / Seite ausdrucken

Das Anti-Depressivum zum Sonntag: Peter Sellers

„Oh, da klebt etwas unter der Schuhsohle. Ah, da kann ich meinen Fuß drauf stellen, um es weg zu machen.“ Kawumm! Bei vielen Filmfans  dürfte es hier klingeln. Das ist doch aus … aus … genau, aus Blake Edwards unglaublich schräger Komödie „The Party“!

Peter Sellers spielt darin den indischen Komparsen Hrundi V. Bakshi, dem es gleich zu Anfang gelingt, am Filmset eine aufwendig erbaute Bergfestung in die Luft zu jagen, indem er seinen Fuß auf den zur eigentlich kontrollierten Sprengung vorgesehenen Schiebergriff der Zündmaschine stellt. Dummerweise, ehe die Kameras laufen. Davor ist Bakshi dem Regisseur bereits zweimal unangenehm aufgefallen; kein Wunder also, dass dieser ihn vor Wut schnaubend vom Filmset werfen lässt, mit dem Fluch, er werde dafür sorgen, dass der Saboteur nie mehr einen Job in Hollywood finden werde.

Wie das Unglück (und das Glück der Zuschauer) es will, gerät die schriftliche Anweisung, Bakshi zur persona non grata in sämtlichen Studios zu erklären, versehentlich auf bzw. unter die Adressenliste eines Filmproduzenten, der eine Party plant. Und so findet sich der irre Inder, ausgestattet mit einer offiziellen Einladung, einige Tage später auf einer piekfeinen Abendgesellschaft ein. Was folgt sind anderthalb Stunden gnadenloser Slapstick, in dessen Verlauf der „Partyschreck“ (so der deutsche Titel des Films) alles im Chaos - und Seifenschaum - versinken lässt. Am Ende schleppt der Tollpatsch auch noch das hübscheste Mädchen ab, gespielt von der französischen Sängerin und Schauspielerin Claudine Longet. Die hat einige Jahre später im echten Leben ihren Ehemann erschossen, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Blake Edwards und Peter Sellers, ein Gespann, das für einige der komischsten Komödien der Filmgeschichte verantwortlich ist. Den Beiden ist es vor allem zu verdanken, dass Sellers in der Rolle des unsagbar tollpatschigen Inspektors Clouseau von der Pariser Sûreté Nationale bis heute in der gesamten zivilisierten Welt Abermillionen Fans hat. Ursprünglich war nur ein einziger Film, „Der Rosarote Panther“ (1963) vorgesehen; dessen sensationeller Kinoerfolg führte aber dazu, dass in den folgenden Jahren weitere Pink-Panther-Filme, vier „offizielle“ und sieben später nachproduzierte Fortsetzungen entstanden, wenn auch ohne Sellers und nicht alle mit Regisseur Edwards.

Jeder liebt Inspektor Clouseau, jeder liebt Peter Sellers

Im ersten Film der Reihe ist der „Pink Panther“ keine Person, sondern ein wertvoller Diamant; später wandelte sich der Begriff zu einer Art Synonym für Inspektor Clouseau lui-même, nicht zuletzt wegen der witzigen Vor- und Nachspänne, in denen man als Cartoonfigur einen wie Clouseau gekleideten Panther allerlei Unfug anstellen sieht. Ach ja, bei den Erfolgsgaranten darf auf keinen Fall Henry Mancini vergessen werden, der zu den Edwards/Sellers-Filmen die kongeniale Musik schuf.

Jeder liebt Inspektor Clouseau, jeder liebt Peter Sellers, und alle, die  man fragt, haben ihre ganz eigenen Lieblingsszenen, die ihnen sofort in den Sinn kommen, wenn sie an den am 8. September 1925 geborenen britischen Schauspieler denken, dessen Geburtstag sich somit vor einer Woche zum 91. Mal jährte und der 1980 mit nur 54 Jahren an einem Herzinfarkt starb. Sellers Herz schwächelte schon seit einigen Jahren außer Takt; ob daran seine immerhin vier Ehen ihren Anteil hatten, man weiß es nicht.

Populär wurde Sellers in den 1950er Jahren zunächst in seinem Heimatland; dort bildete er mit Spike Milligan und Harry Secombe die bizarre Komikertruppe „The Goons“, die eine eigene Radioshow bei der BBC, The Goons Show bekam und rasch ein begeisterte Hörergemeinde fand. Mit ihrem absurden, surrealistischen Humor gelten die Goons als einer der wichtigen Einflüsse von Monty Python. 1955 sah man Sellers zum ersten Mal in einem Film. In der Kriminalgroteske „Ladykillers“ war er einer der Titelfiguren, damals noch eher im Hintergrund, denn dominiert werden die fünf Ganoven ohne Frage vom genialen Alec Guinness. Mit dabei ist auch Herbert Lom, der später in den Pink Panther Filmen Inspektor Dreyfus, den … äh … Gegenpart zu Inspektor Clouseau mimte – Sie werden wissen, was ich damit meine. Loms Lebensdaten, um das kurz zu erwähnen, finden sich ebenfalls im September, geboren wurde er am 11. September 1917, verstorben ist er am 27. September 2012.

Zurück zu Peter Sellers. Spätestens seit seiner Darstellung des zwielichtigen Lebemann Clare Quilty in Stanley Kubricks „Lolita“ (1962) war er zum weltweit bekannten Star avanciert; mit Kubrick drehte er auch „Dr. Strangelove“ (1964), in dem er gleich drei sehr unterschiedliche Figuren spielte, unter ihnen den dämonischen Dr. Seltsam, der als Berater des us-amerikanischen Präsidenten tätig ist. Diese ganz und gar nicht komische Rolle zeigt in einer nur wenige Minuten dauernden Sequenz gegen Ende des Films, dass Sellers darstellerische Bandbreite ohne Grenzen war. Wie Dr. Seltsam den nach Ausbruch der atomaren Auseinandersetzung zwischen USA und Sowjetunion verbliebenen Militärs und Politkern seine Vorstellungen vom Überleben in den Schutzbunkern schildert und ihm dabei zuletzt die inneren Pferde durchgehen („Mein Fuhrer, I can walk!“), das sucht bis heute in der Filmgeschichte seinesgleichen. Dieser Monolog des Dr. Seltsam gehört bei vielen Sellers-Fans zu ihren Lieblingsszenen. (Hier sieht man Peter Sellers gleichzeitig als Präsident und Dr. Seltsam)

Mit „Willkommen Mr. Chance“ gelang Sellers 1979 ein Meisterstück

Einige Dutzend Werke umfasst Peter Sellers Filmografie über einen Zeitraum von nur 25 Jahren. Mit der  Darstellung eines geistig zurückgebliebenen Gärtners in „Willkommen Mr. Chance“ gelang ihm 1979 ein Meisterstück „jenseits der grellen Komik“ (Neue Zürcher Zeitung), das ihm einen Golden Globe und die dritte Oscar-Nominierung einbrachte. Sein letzter Film war die eher schlappe Komödie „Der Gefangene von Zenda“, in der er wieder einmal mehrere Rollen spielte. Der Film, so die New York Times damals, sei an sich nicht sehenswert, werde aber durch die Leistung Sellers' dann doch gerettet. 

Zu den Filmen mit Peter Sellers, die ich besonders mag, gehören neben den bereits genannten „Die Maus, die brüllte“ (1959), „What's New, Pussycat“ (1965), „Casino Royale“ (1967) und „Eine Leiche zum Dessert“, der auch wegen eines ganz besonders exzentrischen  „Darstellers“ sehenswert ist. Den überkandidelten Millionär Lionel Twain spielte niemand anders als Truman Capote, und das so überzeugend, dass er 1977 für den Golden Globe Award als „Bester Nachwuchsdarsteller“ nominiert wurde. Da war der Mann immerhin schon 53.

Zu den schrägsten Streifen, in denen Peter Sellers mitwirkte, gehört die  im deutschen Sprachgebiet kaum bekannte, da nur im Originalton erhältliche, rabenschwarze Komödie „The Magic Christian“, deren Darstellerriege vom Allerfeinsten ist: Mit dabei sind unter anderem John Cleese, Graham Chapman, Ringo Starr, Richard Attenborough, Roman Polanski, Christopher Lee, Raquel Welch, Yul Brynner und Spike Milligan sowie Dracula und King Kong. Die Titelmusik schrieb Paul McCartney.

Die Handlung spielt Ende der Swinging Sixties in London, also just zu der Zeit, in welcher der Film entstand. Peter Sellers gibt den mit unbegrenzten finanziellen Mitteln ausgestatteten Exzentriker Sir Guy Grand, der einen obdachlosen jungen Mann namens Youngman, gespielt von Ringo Starr, bei sich aufnimmt und ihn durch Adoption zum Erben seines riesigen Vermögens macht. Grand lässt durch immer absurde Aktionen Youngman erleben, wie Gier die Menschen verwandelt und wie sehr sich das Verhalten Anderer wandelt, wenn sie jemanden für reich halten. Der Wahn kulminiert, als der Milliardär eine Kreuzfahrt auf dem Luxusliner The Magic Christian organisiert, die dank seiner Inszenierungen (darunter ein simulierter Untergang) zunehmend ins Chaos trudelt. „The Magic Christian“ ist einer meiner ewigen Filmfavoriten, nicht nur wegen Peter Sellers, sondern auch wegen des mehr als typisch britischen Humors voller bizarrer Einfälle. Die Frage, was wohl bei den Filmarbeiten „geraucht wurde“, dürfte ihre Berechtigung haben. Und falls Ihnen meine Empfehlung nicht genügen sollte: Der „Evangelische Film-Beobachter“ nannte „The Magic Christian“ seinerzeit „verworren und [...] anfechtbar.“ Was will man mehr?

The Goons: Ying Tong Song

Claudine Longet singt einen Bossa Nova von Henry Mancini in „The Party“. Im Hintergrund plätschert Peter Sellers

The Making of Dr. Strangelove (mit vielen interessanten Geschichten über die Arbeit Kubricks mit Sellers)

Top 10 Peter Sellers Performances

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Leserpost

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Frank Schlünsen / 18.09.2016

Dumm nur das keiner unter 40 Peter Sellers kennt… We’ll meet again… (Dame Vera Lynn im Abspann von Dr. Seltsam…)

volker flach / 18.09.2016

The magic Christian , den Film hatte ich mal auf VHS in einer deutschen Version. Der Cartoon am Anfang und Ende der Pink Panther Filme; da war nix mit P.Sellers als panther , da war Sellers auf der Jagd und wurde vom PP an der Nase herumgeführt. Ansonsten ,schöner Artikel.

H.theodor Bicking / 18.09.2016

Bravo, danke dafür. Wir lieben Ihn und das was er ausdrückt. Das gilt es zu verteidigen, mit seinen eigenen Waffen natürlich. Wo heute neben Mut immer noch viel viel Humor hilft,

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