“Konservativ ist nicht ein Hängen an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was immer gilt.” Das Schlimmste an dem was wir heute erleben ist, das zu negieren, was immer gilt, was dem Menschen Orientierung gibt. Das sollte gerade in Deutschland zu einer Rückbesinnung führen. Eine deutsche Geschichte, von der man zwölf Jahre auslöscht, verdrängt, oder sie aufarbeitet, wird dadurch nicht in Gänze aufgehoben. Es gibt sie. So vieles in Kultur, Lehre, Kunst und Literatur zeugt davon. Man muss sich nicht verstecken. Man muss seine Identität nicht aufgeben. Hat nicht die erste Nachkriegszeit gezeigt, was in einem Volk steckt, das von einem totalitären Regime so vergewaltigt und gedemütigt worden war. Sich alter Werte erinnernd und zu Neuem fähig, ist es aus diesen Trümmern neu erstanden. Derzeit sieht es allerdings so aus, als wolle man das, was in über siebzig Jahren entstanden ist, samt der Geschichte über Bord werfen. Lieber sollte man es mit Friedrich Schlegel halten: “Unsere Ahnen alte Kunde Ist es, was mir Hoffnung gibt; Wann, belehrt in treuem Bunde, Man das Alte wieder liebt.”
Schade, dass Herr Dobrindt dies bei seiner Erklärung der “bürgerlichen Revolution” nicht parat hatte!
Ich habe die Ankündigung des Buches mit großem Interesse und in der Hoffnung gelesen, einen überzeugenden Ansatz für eine konservative Rückbesinnung zu finden und verbreiten zu können, wurde aber doch eher enttäuscht. Ein Beispiel: Dass dem Autor hier als Musterbeispiel für ‘Repression’ und ‘schleichenden Freiheitsverlust’ als Folge angeblich ‘kindischer Regeln’ und der Kontrolle von deren Einhaltung durch den ‘Überwachungsstaat’ nichts Besseres einfällt als Verkehrszeichen und Radarkontrollen, lässt mich so sehr an seiner Ernsthaftigkeit zweifeln, dass ich fast gar keine Lust habe, sein Buch zu lesen. Ich finde, ein Konservativer sollte klare und möglichst präzise Regeln und deren glaubwürdige Überwachung besonders für einen Bereich, in dem es sehr schnell um Leben oder Tod, bzw. schwerste körperliche Beschädigung gehen kann, begrüßen. Andererseits sollte für einen Konservativen die ‘Repression’ den möglichen Auswirkungen der Übertretung von Regeln angemessen sein. Wie der Autor angesichts des absolut lächerlichen Kataloges an Sanktionen für letztlich lebensbedrohende Regelübertretungen oder solche, die bereits Leben zerstört haben, im deutschen Verkehrsrecht überhaupt von ‘Repression’ sprechen kann, ist mir völlig unverständlich. Ein anderer Aspekt: Es gibt im Hinblick auf die Geschichte und die Traditionen eines Volkes sicher mehrere Konservativismen, die eine moderne konservative Bewegung zusammenbringen müsste. Ein krasses Gegenbeispiel dafür war das Luthergedenken. War es konservativ, dabei die Bauernkriege und Luthers ideologische Rolle bei der blutigen Niederschlagung dieses Volksaufstandes und deren historische Konsequenzen zu verdrängen ? Ist es konservativ, in erster Linie die Prachtbauten des deutschen Adels (wer baute sie ?), wie z.B. das Berliner Stadtschloss als Identität stiftend anzusehen oder wäre es nicht eher z.B. die Charité als lebendiges Denkmal deutscher Wissenschaftlichkeit im Dienste des Allgemeinwohls ?
Lese freiwillig gerade G.Manns Wallenstein-Biographie. Darf man das hier und heute noch, ohne Anstoß zu erregen? Ich beruhige mich aber selbst, liebe grenzenlosen Weltenverbesserer. Denn in der DDR durfte/musste ich mir im Studium auch Marx, Engels und Lenin ‘reinziehen. So doll kam das bei mir und meinen Kommilitonen aber nicht an, aber immerhin beruhigt es heute mein Ausgleichsgefühl.
Danke für das Manifest, dass ich in der letzten Stunde zwei Dutzend Bekannten per mail zukommen ließ und für die korrekte Einordnung des zu oft negativ besetzten Begriffes. Beeindruckend wie eine Ex-Grüne, ähnlich wie Frau Lengsfeld, den falsch eingeschlagenen Weg als Irrpfad erkennt und die Größe hat die Richtung zu wechseln.
Sehr geehrter Herr Weimer, dass sich die westliche Welt ihrer Ideologien entledigt haben soll, sehe ich nicht. Im Gegenteil: Aus Schillers idealistischer Ode an die Freude (“Alle Menschen werden Brüder”) ist das aus allen propagandistischen Poren triefende und für viele Mitläufer(Innen!) des Zeitgeistes lebenssinnstiftende Multi-Kulti geworden. (Die “Schwestern” laufen dabei nach meinem Eindruck noch begeisterter mit. Heute lese ich z.B., dass die Dresdner VHS einen Kurs für Frauen anbiete, bei dem die vielfältig-bunten Arten und Ausdrucksweisen des Kopftuch- und Burkatragens gelernt werden können sollen.) Diese Ideologie ist so stark, dass dabei alle Lebenserfahrung ausgeblendet und nicht gesehen wird, dass auch und gerade unter “Brüdern” und “Schwestern” es häufig Neid, Eifersucht und Macht- und Verteilungskämpfe gibt. Eine “Tugendrepublik” mit “Hohepriester(n) des Gutmenschentums”, wie Sie sie richtig konstatieren, funktioniert nicht ohne Ideologie bzw. Staatsreligion, die zwischen Frommen und (“dunkeldeutschen”) Häretikern trennt, letztere ächtet und alles potentiell Verstörende auf den Index bzw. Pressecodex setzt, um es von den Schäflein fernzuhalten.
“Das Herübergelieferte der Geschichte.” Nach 13 Schuljahren bis zum Abitur (1983 in Niedersachsen) wurde ich allein in 6 (!) Jahren in allen möglichen Schulfächern dazu getrieben, Deutsch als Bätschi zu sehen. Sicherlich ist eine konsequente Aufarbeitung der jüngeren Geschichte notwendig, aber die damit einhergehende Selbstkasteiung und -anklage konnte ich trotz größter schulischer Indokrination nicht verinnerlichen, da ich keine Teilhabe daran hatte und mich unschuldig fühlte. Die meisten meiner Schulkameraden jedoch sind auf diesen Zug aufgesprungen und bei ihren eigenen Kommentaren dazu beinahe in Ekstase verfallen. Die Geschichte und Tradition VOR diesen unsäglichen Weltkriegen jedoch wurde, wenn überhaupt, nur sehr kurz angeschnitten und gipfelte meistens im Abfragen von irgendwelchen Jahreszahlen. Wenn also in der Familie nicht Geschichte und Tradition der Deutschen zum Thema wurde, woher sollte dann das Bewußtsein dafür kommen? Die Deutschen wurden dazu erzogen, sich schuldig zu fühlen und den Rest zu vergessen. Die Folge sind unzählige Nationalverächter mit dem Anspruch, nur “sie” wären der richtigen Meinung, und wenig selbstbewußte Duckmäuser.
Es ist doch mit Händen zu greifen: Die Europäer haben sich einerseits an den Verlust der Freiheit gewöhnt, sich der filigranen Gängelung durch den Staat fügen müssen. Gleichzeitig haben sie ihre Geschichte, Narrative, Kultur und Identität aufgegeben. So ist ein ungeheures Vakuum entstanden, das der Islam perfekt und umfassend zu füllen verspricht Er bietet alles, was die Europäer aufgegeben haben. Der mit seiner Etablierung - als Religion, Staat und einzige Kultur zwangsläufig einhergehende Freiheitsverlust wird nicht als störend empfunden, da Unfreiheit, Meinungskontrolle und Gängelung ja heute schon etabliert sind. Und im Gegensatz zu allem, was Europa und seine jahrtausendealte Geschichte ausmacht, darf er weder kritisiert, noch infrage gestellt werden. Wie oft hört man schon, dass der Islam auch mit dem übersteigerten Feminismus, dem Genderismus, der Dekadenz und den offenen Grenzen Schluss machen werde. Die Natur verabscheut ein Vakuum, wir müssten eigentlich vorsichtig geworden sein, was wir als Ersatz für das Vakuums zulassen, aber genau diese Diskussion ist tabuisiert und der demokratischen Entscheidung entzogen.
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