Unabhängig davon, ob Glyphosat nun ein Teufeszeug ist oder nicht: Die industrialisierte Landwirtschaft macht nachweisbar auch ohne Glyphosat den Insekten und vor allem den bodenbrütenden Vögeln den Garaus. Wer auf dem Land lebt und nicht in räumlich entrückten städtischen Redaktionsstuben sieht das ohne Statistiken. Schon die Bodenverdichtung mit den immer monströser werdenden landwirtschaftlichen Fahrzeugen, die nicht nur ländliche Straßen und Wege zerstört, ist abträglich für ein vielfältiges Bodenleben. Dazu kommt die frühe Grünlandmahd, in guten Jahren bis zu fünf Mal im Jahr, und das schon ab Anfang Mai mit den anschließenden enormen Gülleduschen. Kaum noch ein Bodenbrüter kann da hochkommen. Feldlerche, Rebhuhn oder Kiebitz, um nur drei Arten zu nennen, haben drastisch abgenommen. In den Siebzigern habe ich z.B. an einem Nachmittag an der ostfriesischen Küste noch 50 Kiebitzküken beringen können, die müsste ich heute „mit der Lupe“ suchen. Die ehemalige Schmetterlingsvielfalt ist deutlich sichtbar dahin, und auch insektenverklebte Windschutzscheiben gehören weitgehend der Vergangenheit an; nicht wegen der Aerodynamik der modernen Fahrzeuge, sondern weil die Sechsbeiner weggespritzt wurden (an den weniger aerodynamischen SUVs und LKWs kleben sie auch nicht mehr). Und genau diese Insektenvielfalt fehlt auch vielen Singvögeln zur Jungenaufzucht und lässt heute sogar die früher häufigen Feld- und Haussperlinge rar werden. Das hohe Lied auf die “moderne” Landwirtschaft mag ich nicht mit anstimmen.
Ich verweise in der Pestiziddebatte immer gern auf die Verunreinigung der Gewässer mit Substanzen aus der Antibabypille hin , die ja Zum Abbruch von Leben führen soll , also tödlich wirkt. Demnach müßte auch dieses Zeugs vom Erdboden verschwinden . Das würde aber einen der ideologischen Grundpfeiler der 68er zum Einsturz bringen. Da ich selbst Bauer bin weiß ich um die Problematik der Pestizideinsätze. Diese generell zu verbieten wäre unverantwortlich , in etwa so als schliesse man die Apotheken. Erstens macht die Dosis das Gift und zweitens kann man die Verwendung auf bestimmte Bereiche begrenzen , was ja schon lange gängige Praxis ist. Interessant ist immer wieder festzustellen wer sich so alles eine Fachkompetenz zuspricht und da tun sich gerade Berufs-und Studienabbrecher auf grüner Seite und Lehrer bei der SPD hervor.
Und dabei waren sich u.a. Die Grünen und die CSU in den Sondierungen der Koalition zum Greifen nah. War das jetzt doch eine offene Klammer, die man bei den übereinstimmenden Statements der beiden Parteien dazu übersah ?
Über die Wirkungen von Glyphosat kann ich nichts sagen. Die Artenvielfalt aber hat vor alllem “grüne” Politik beseitigt, nämlich jene fatale Ideologie der “Nachhaltigkeit”, mit der Ackerflächen industrialisiert zum Anbau von Treibstoffgrundlagen missbraucht werden, obwohl genügend fossile Energie vorhanden ist.
Vielleicht muss man noch eine Ecke dazudenken. Was wäre, wenn es mit der SPD abgesprochen war. Dann gilt immer noch: „Sollte die Groko zustande kommen, ist die Sache glücklich vom Tisch.“ Ein kurzer Sturm im Wasserglas und man kann sich wichtigen Themen in den Verhandlungen widmen.
Eine kleine Recherche in der englischsprachigen Literatur zeigt im übrigen, daß die behauptete krebserzeugende Wirkung von Glyphosat unter Pharmakologen und Toxikologen höchst umstritten ist. Das kann auch nicht überraschen, da es keine Disziplin gibt, wo so trefflich mit der statistischen Aufbereitung schwachen Datenmaterials “gearbeitet” wird. Früher konnte man beruhigt davon ausgehen, daß die Industrie als Auftraggeber/Sponsor hinter eventuellen Datenschönungen steht, heute ist die Situation viel komplizierter, denn es kommen NGOs, parteinahe Stiftungen, staatliche und halbstaatliche Institutionen als Drahtzieher hinzu. Früher haben sich Politiker, da sie ja nun mal dafür keine Fachleute sein konnten, mit eigenen Wertungen zurückgehalten und im Zweifelsfall “noch ‘ne Expertenkommission” installiert. Heute predigen Politiker das, was ihnen ins ideologische Konzept paßt, mit anderen Worten, man wählt die Experten und die Studien, die der eigenen politischen Zielvorgabe am besten entsprechen. Manche nutzen dafür den Begriff postfaktisch. Was die Entscheidung des geschäftsführenden Landwirtschaftsministers anlangt: Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn, und aus falsch x falsch wird nur zufällig etwas Richtiges.
Ich teile diese ganze Öko-Paranoia nicht, ehrlich gesagt, habe ich auch nicht die finanziellen Mittel, mir diese Gedanken sowie Fleisch von glücklichen Hühnern und Bio-Gemüse leisten zu können. Mir persönlich wäre es wichtiger, dass Bisphenol A endlich verboten wird. Es geht hier allerdings nicht darum, ob das Zeug nun schädlich ist oder nicht. Nicht darum, ob die Bauern vielleicht alternative Möglichkeiten hätten. Es geht vielmehr darum, dass ein weiteres Mal die CDU/CSU einfach gemacht hat, was ihr gerade in den Sinn kommt. Obwohl es anscheinend andere Absprachen gab. Ich wähle weder die einen, noch die anderen - aber dieses Verhalten ist bezeichnend für die Politik der letzten Jahre und auch ein Grund, warum die SPD in einer weiteren GroKo nur verlieren kann.
Sie sollten in dem Artikel schon erklären, was es mit dem “RMS” auf sich hat: Das ist nämlich derjenige Staat (bzw. dessen zuständige Behörde), welcher das Datenpaket zum jeweiligen Pflanzenschutzmittel vom Hersteller erstellen bzw. zusammentragen lässt, es auf Vollständigkeit prüft, auswertet und so abklärt (letzteres ist z.T subjektiv*), ob die Daten mit den EU-Regularien im Einklang stehen. Ist letzteres der Fall, gibt der RMS die (entscheidende) Empfehlung ab, ob das Pfanzenschutzmittel (neu oder weiterhin)) und für welche Anwendung in welcher Dosierung zugelassen werden soll. Eine große Rolle hierbei spielen die wissenschaftlich-politischen Gegebenheiten in dem Land und ob der Wirkstoff auch in dem Land angewendet werden soll, (bzw. ob die Landwirtschaft in diesem Land dieses Pflanzenschutzmittel will oder braucht). Dabei spielt nicht nur eine Rolle, ob das Pflanzenschutzmittel objektiv die gesetzlichen Bestimmungen erfüllt, sondern auch - völlig willkürlich (obiges *) - ob die Zulassung dem politisch-gesellschaftlichen Willen im Land entspricht. RMS für Glyphosate ist Deutschland, der Zuarbeiter (Co-RMS) die Slowakei. Somit war die Empfehlung Deutschland entscheidend, ob in der EU Glyphosate weiter verkauft und angewendet werden darf.
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