Gastautor / 08.02.2013 / 10:38 / 0 / Seite ausdrucken

Claudias grüne Kleider

Björn Stritzel

Ein High-Five, so erklärt das Onlinelexikon Wikipedia, sei eine „Geste des Feierns“, ein „Ausdruck gemeinsamer Zufriedenheit über einen Erfolg“[1].

Einen ausgesprochenen zufriedenen Eindruck machte die grüne Bundesvorsitzende Claudia Roth am Wochenende auf der Münchener Sicherheitskonferenz, als sie den iranischen Botschafter Ali Reza Sheikh Attar schon von Weitem begrüßte, einen jovialen Knicks vor seiner Exzellenz tätigte um schließlich, „High-Five“ rufend mit dem fröhlich lachenden Gesandten der “Islamischen Republik” einzuschlagen.

Attar, Mitglied der iranischen Revolutionsgarde und einer der treuesten Gefolgsleute des Präsidenten Ahmadinejad, war von 1980-1985 Gouverneur der iranischen Provinzen Kurdistan und West-Aserbaidschan und in dieser Zeit persönlich für Hunderte von Todesurteilen gegen kurdische Oppositionelle verantwortlich.

Dass die ehemalige Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung mit einem solchen Mann kumpelhaften Umgang pflegt, mit dem Repräsentanten eines Regimes scherzt, das politische Dissidenten einkerkert, Homosexuelle an Baukränen erhängt, Ehebrecher steinigt, dem Diktator Assad beim Bürgerkrieg gegen dessen eigenes Volk hilft und Israel stetig mit Vernichtung droht, sorgte in den sozialen Netzwerken des Internets für einiges Aufsehen.

Des drohenden „Shitstorms“ gewahr, ließ Roth eine Stellungnahme abgeben [2], in der sie erklärte, die Bilder zeigten nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit. Tatsächlich nämlich handele es sich beim Botschafter um einen Mann, der Frauen grundsätzlich nicht die Hand gebe und das „High-Five“ hätte diese Situation überspielen sollen. Abgesehen davon, dass das Bildmaterial [3] Roths Darstellung, wonach sie lediglich einen peinlichen Moment überbrücken wollte, keineswegs stützt, stellt sich die Frage, wieso ausgerechnet eine Spitzenpolitikerin der Grünen so etwas schreibt. In Zeiten, da anzügliche Dirndlsprüche unter Sexismusverdacht geraten, ganz selbstverständlich hinzunehmen, dass ein Mann Frauen prinzipiell nicht die Hand gibt, hat etwas Heuchlerisches.

Roth jedoch hat auch dafür eine Erklärung. Es sei ihr darum zu tun gewesen, den Botschafter dazu zu bewegen, er möge dem iranischen Filmemacher Jafar Panahi die Teilnahme an der Berlinale ermöglichen.

Dieses vorgeblich hehre Motiv - das argumentativ mit der Behauptung von der Plötzlichkeit des freundlich-peinlichen Moments kontrastiert - wurde auch in anderen Medien wie etwa SpiegelOnline [4] als Ausweis rechtschaffener Absichten der Grünen-Chefin gedeutet. Denn Roth, so läuft die Argumentation weiter, setze sich für dissidente Künstler ein und hätte schon damit ihre Kritik am Regime unter Beweis gestellt. Als Krönung des Widerstands führt SpOn schließlich allen Ernstes die Farbe ihres Kleides an: das sei auf ihrer Iranreise 2012 nämlich grün gewesen, die Farbe der „Grünen Revolution“ des Iran 2009 also.

Wo bereits derartige Banalitäten zur Regimekritik umgedeutet werden, kann sich auch Sheikh Attar ein Lachen nicht verkneifen. Denn das Personal der Islamischen Republik weiß sehr wohl, wen es mit Claudia Roth vor sich hat: Eine Dame, die den hohlen Jargon der Zivilgesellschaft wie keine zweite verkörpert und der man es selbstverständlich augenzwinkernd nachsieht, wenn sie neben ihren Promotionreisen in den Iran und dem Einsatz für das iranische Atomprogramm ein paar Sprechblasen aus der Mottenkiste des grünen Bürgerengagements absondert, deren Ernsthaftigkeit und Wirkung man in Teheran gut einschätzen kann.
Soviel Neckereien unter guten Freunden sind schließlich vertretbar.

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/High_five
[2] http://www.claudia-roth.de/startseite/volltext-startseite/article/-013259b780/
[3] http://www.youtube.com/watch?v=4cSN-S72XIE
[4] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/claudia-roth-und-die-hand-des-iranischen-botschafters-a-882018.html

Björn Stritzel, 29, studiert Politikwissenschaft und Islamwissenschaft

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Gastautor / 16.04.2024 / 06:00 / 203

Doch, es war alles falsch!

Von Andreas Zimmermann. Wir brauchen eine Aufarbeitung der Corona-Jahre, bei der eben nicht diejenigen das Sagen haben, die die Verantwortung für die Verheerungen dieser Zeit…/ mehr

Gastautor / 02.04.2024 / 06:25 / 60

„Traditional Wife“: Rotes Tuch oder Häkeldecke?

Von Marie Wiesner. Der „Tradwife“-Trend bringt die Verhältnisse zum Tanzen: Junge Frauen besinnen sich auf das gute alte Dasein als Hausfrau. Irgendwo zwischen rebellischem Akt und Sendungsbewusstsein…/ mehr

Gastautor / 01.04.2024 / 14:00 / 11

Neue Trans-Kinder-Leitlinie: Konsens statt Evidenz

Von Martin Voigt. Trans-Ideologie ante portas: Der neuen Leitlinie zur Behandlung minderjähriger Trans-Patienten mangelt es an wissenschaftlicher Evidenz. Sie ist nun eine "Konsens-Leitlinie". Pubertätsblocker, Hormone…/ mehr

Gastautor / 30.03.2024 / 14:00 / 6

Islamische Expansion: Israels Wehrhaftigkeit als Vorbild

Von Eric Angerer. Angesichts arabisch-muslimischer Expansion verordnen die westlichen Eliten ihren Völkern Selbstverleugnung und Appeasement. Dabei sollten wir von Israel lernen, wie man sich mit…/ mehr

Gastautor / 30.03.2024 / 06:15 / 44

Wer rettet uns vor den Rettern?

Von Okko tom Brok. Seit der deutschen Einheit ist Deutschland von einem eigenartigen „Rettungsfieber” befallen. Jeder Rettung korrespondierte dabei eine „Wende”. Beide Begriffe wurden dabei…/ mehr

Gastautor / 30.03.2024 / 06:00 / 42

Warum will die Generation Z nach „Old Money“ aussehen?

Von Marie Wiesner. Der „Old-Money-Look“ ist ein gefragter Trend unter jungen Leuten. Was steckt hinter dem Bedürfnis der Generation Z, nach altem Geldadel auszusehen? Vielleicht…/ mehr

Gastautor / 04.03.2024 / 12:00 / 14

Warum die polnischen Bauern demonstrieren

Von Aleksandra Rybińska. Auch in Polen sind die Bauern wütend. Und zwar über uneingeschränkte ukrainische Agrarimporte und noch mehr EU-Auflagen. Seit Monaten gehen Landwirte in…/ mehr

Gastautor / 04.03.2024 / 06:00 / 52

Corona-Aufarbeitung: Skandal-Antworten der Bundesregierung

Von Andreas Zimmermann. Die Bundesregierung beantwortete eine parlamentarische Anfrage zu eklatanten Impfrisiken: Arrogant, ignorant und inkompetent. Und genauso geht sie mit der Gesundheit der Bürger um.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com