Björn Stritzel
Ein High-Five, so erklärt das Onlinelexikon Wikipedia, sei eine „Geste des Feierns“, ein „Ausdruck gemeinsamer Zufriedenheit über einen Erfolg“[1].
Einen ausgesprochenen zufriedenen Eindruck machte die grüne Bundesvorsitzende Claudia Roth am Wochenende auf der Münchener Sicherheitskonferenz, als sie den iranischen Botschafter Ali Reza Sheikh Attar schon von Weitem begrüßte, einen jovialen Knicks vor seiner Exzellenz tätigte um schließlich, „High-Five“ rufend mit dem fröhlich lachenden Gesandten der “Islamischen Republik” einzuschlagen.
Attar, Mitglied der iranischen Revolutionsgarde und einer der treuesten Gefolgsleute des Präsidenten Ahmadinejad, war von 1980-1985 Gouverneur der iranischen Provinzen Kurdistan und West-Aserbaidschan und in dieser Zeit persönlich für Hunderte von Todesurteilen gegen kurdische Oppositionelle verantwortlich.
Dass die ehemalige Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung mit einem solchen Mann kumpelhaften Umgang pflegt, mit dem Repräsentanten eines Regimes scherzt, das politische Dissidenten einkerkert, Homosexuelle an Baukränen erhängt, Ehebrecher steinigt, dem Diktator Assad beim Bürgerkrieg gegen dessen eigenes Volk hilft und Israel stetig mit Vernichtung droht, sorgte in den sozialen Netzwerken des Internets für einiges Aufsehen.
Des drohenden „Shitstorms“ gewahr, ließ Roth eine Stellungnahme abgeben [2], in der sie erklärte, die Bilder zeigten nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit. Tatsächlich nämlich handele es sich beim Botschafter um einen Mann, der Frauen grundsätzlich nicht die Hand gebe und das „High-Five“ hätte diese Situation überspielen sollen. Abgesehen davon, dass das Bildmaterial [3] Roths Darstellung, wonach sie lediglich einen peinlichen Moment überbrücken wollte, keineswegs stützt, stellt sich die Frage, wieso ausgerechnet eine Spitzenpolitikerin der Grünen so etwas schreibt. In Zeiten, da anzügliche Dirndlsprüche unter Sexismusverdacht geraten, ganz selbstverständlich hinzunehmen, dass ein Mann Frauen prinzipiell nicht die Hand gibt, hat etwas Heuchlerisches.
Roth jedoch hat auch dafür eine Erklärung. Es sei ihr darum zu tun gewesen, den Botschafter dazu zu bewegen, er möge dem iranischen Filmemacher Jafar Panahi die Teilnahme an der Berlinale ermöglichen.
Dieses vorgeblich hehre Motiv - das argumentativ mit der Behauptung von der Plötzlichkeit des freundlich-peinlichen Moments kontrastiert - wurde auch in anderen Medien wie etwa SpiegelOnline [4] als Ausweis rechtschaffener Absichten der Grünen-Chefin gedeutet. Denn Roth, so läuft die Argumentation weiter, setze sich für dissidente Künstler ein und hätte schon damit ihre Kritik am Regime unter Beweis gestellt. Als Krönung des Widerstands führt SpOn schließlich allen Ernstes die Farbe ihres Kleides an: das sei auf ihrer Iranreise 2012 nämlich grün gewesen, die Farbe der „Grünen Revolution“ des Iran 2009 also.
Wo bereits derartige Banalitäten zur Regimekritik umgedeutet werden, kann sich auch Sheikh Attar ein Lachen nicht verkneifen. Denn das Personal der Islamischen Republik weiß sehr wohl, wen es mit Claudia Roth vor sich hat: Eine Dame, die den hohlen Jargon der Zivilgesellschaft wie keine zweite verkörpert und der man es selbstverständlich augenzwinkernd nachsieht, wenn sie neben ihren Promotionreisen in den Iran und dem Einsatz für das iranische Atomprogramm ein paar Sprechblasen aus der Mottenkiste des grünen Bürgerengagements absondert, deren Ernsthaftigkeit und Wirkung man in Teheran gut einschätzen kann.
Soviel Neckereien unter guten Freunden sind schließlich vertretbar.
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/High_five
[2] http://www.claudia-roth.de/startseite/volltext-startseite/article/-013259b780/
[3] http://www.youtube.com/watch?v=4cSN-S72XIE
[4] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/claudia-roth-und-die-hand-des-iranischen-botschafters-a-882018.html
Björn Stritzel, 29, studiert Politikwissenschaft und Islamwissenschaft