Die Art der innerparteilichen Demokratie ist in der Kanzlerinnenpartei schon eine interessante Sache. Der CDU-Parteitag stimmte Ende letzten Jahres mehrheitlich für die Abschaffung des für Kinder von Migranten geltenden Privilegs der doppelten Staatsbürgerschaft, das die Große Koalition 2014 beschlossen hatte. Zuvor hatten diese Kinder die Möglichkeit, als Deutsche aufzuwachsen und sich in den ersten Jahren ihrer Volljährigkeit zu entscheiden, ob sie lieber mit der deutschen Staatsangehörigkeit weiterleben möchten oder mit der ihrer Eltern. Doch diese Chance einer freien Passwahl hatten SPD, Grüne und Linke erfolgreich als „Optionszwang“ denunziert. Angela Merkel schaffte es, wie schon so oft, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen und mit ihrer Regierung den „Optionszwang“ abzuschaffen. Der Nachwuchs „mit Migrationshintergrund“ darf nun zwei Pässe haben, was auch dafür sorgt, dass der „Migrationshintergrund“ über Generationen erhalten bleibt und nicht aus den Söhnen und Töchtern der Einwanderer irgendwann allenfalls kulturell etwas anders gefärbte Deutsche werden.
Aber diese Diskussion will ich hier gar nicht führen. Es geht ja um die Demokratie in der CDU und den Beschluss des Parteitages, die doppelte Staatsbürgerschaft wieder abzuschaffen. Dass eine Mehrheit der Delegierten seinerzeit so votierte, war ja vor allem deshalb bemerkenswert, weil sich die Bundeskanzlerin und Parteivorsitzende explizit dagegen ausgesprochen hatte, für die Doppelpass-Abschaffung zu votieren.
Nun muss sich diese Beschlusslage irgendwie auch im Wahlprogramm der CDU wiederfinden. Soll da wirklich stehen, dass die CDU die doppelte Staatsbürgerschaft wieder abschaffen will? Wie ist das eigentlich, wenn ein Parteitag etwas beschließt, obwohl die Vorsitzende dagegen ist? Die einfachen demokratischen Spielregeln sagen, dass eine Parteichefin den von der Partei gefassten Beschluss umsetzen oder, falls das mit dem eigenen Gewissen nicht zu vereinbaren wäre, zurücktreten muss. Aber christdemokratische Demokratie läuft natürlich nicht nach solch leichten Spielregeln. Hier sendet die Parteiführung allenfalls Signale, dass sie bereit ist, auf das Votum der Partei vielleicht ein wenig Rücksicht zu nehmen. Zwar ist der Parteitagsbeschluss eindeutig und müsste wenigstens als Text im Wahlprogramm umgesetzt werden, doch stattdessen verspricht die Parteiführung ihren Mitgliedern einen Kompromiss zwischen Kanzlerinnenmeinung und der demokratisch gefassten Entscheidung.
Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und vermutlich neue nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet sagte im Gespräch mit der F.A.Z. er denke, „dass wir im gemeinsamen Wahlprogramm der Union zu einer Lösung kommen könnten, die einen Generationenschnitt vorsieht, dass die doppelte Staatsbürgerschaft also nicht auf alle Ewigkeit vererbt wird“.
Wie schön es doch ist, einen Kompromiss hervorzuzaubern, wo es doch eigentlich einen klaren Beschluss gibt. Diese Scheinlösung vertagt nicht nur einfach das Problem und zwingt Verwaltungen, die Erst- oder Zweitstaatsbürgerschaften der Doppelstaatler zu erfassen und zu verwalten, sie ist vor allem schon völlig koalitionskompatibel. Bevor Laschet die Idee als Kompromiss mit der eigenen Partei aufwärmte, hatten schon SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir ähnliches vorgeschlagen.
Was für ein Wahljahr: Die Unterstützer der alternativlosen Kanzlerin möchten jetzt offenbar schon koalitionsvertragstaugliche Formulierungen ins Wahlprogramm schreiben. Das sorgt natürlich für Zeitersparnis nach der Wahl.