Vera Lengsfeld / 13.03.2018 / 16:00 / Foto: Pixabay / 2 / Seite ausdrucken

Bundesumweltministerin und Fake-News-Produzentin

Gerade war der Jahrestag einer schrecklichen Katastrophe, die am 11. März 2011 den Norden Japans heimgesucht hat, ein Erdbeben und ein dadurch ausgelöster Tsunami mit über 18.000 Toten. In Deutschland, dem Mutterland der Atomangst, ist dieser Jahrestag aber vor allem mit dem Atomunglück von Fukushima verbunden, einem der vielen Kollateralschäden der Katastrophe.

Dieser Atomunfall löste bekanntlich in Deutschland ein politisches Erdbeben aus – die 180-Grad-Wende der schwarz-gelben Bundesregierung (Merkel II) zum Thema Kernkraftwerklaufzeiten und damit die sturzgeburtartige Entstehung eines neuen deutschen Projektes: der Energiewende. Mit den misslichen Folgen des damit befeuerten ungeplanten, unkontrollierten Hurra-Ausbaus von Wind, Solar und Biomasse werden nicht nur die Verbraucher und die Industrie noch auf Jahre massiv belastet, sondern dies stellt auch für das Merkel IV-Kabinett – neben den Folgen der unkontrollierten Masseneinwanderung – eines der zentralen zu lösenden Probleme dar. Ich bin nicht optimistisch, dass die neue GroKo hier wirklich etwas bewegen wird.

Es soll hier aber nicht um die Kanzlerin gehen, auch nicht um Claudia Roth, die 2013 die unsägliche Ignoranz besaß, die Erdbeben- und Tsunamitoten einfach mal dem Fukushima-Unfall anhängen zu wollen – wer dies verdrängt oder vergessen haben sollte, kann die Geschichte hier nachlesen.

Es geht hier um die neue SPD-Umweltministerin Svenja Schulze, eine SPD-NRW-Linke, die als Wissenschaftsministerin im Kabinett Kraft eine ganz eigene Geschichte mit Fukushima hat. Auf Wikipedia wird dies verschämt als „Atomkugelskandal“ erwähnt. Und diese Geschichte geht so:

In den Zeiten, als Kernenergie in Deutschland noch nicht als das Teufelszeug schlechthin galt, gab es in der KFA (Kernforschungsanlage) Jülich ein großes Forschungsprojekt für eine Kerntechnik der neuen Generation – das Kugelhaufenreaktor-Projekt. Kernstück war der AVR, ein Versuchsreaktor auf dem Gelände in Jülich, der 1966 in Betrieb ging und 1988 von der SPD-Landesregierung (Rau III) geschlossen wurde. Übrig blieb von dem Projekt – ein gängiges Problem in der Kerntechnik und der Kernforschung – der alte Reaktor und strahlender Abfall, genau die namensgebenden Kügelchen. Wobei man fairerweise sagen muss, dass der Rückbau und die Entsorgung atomarer Abfälle in Deutschland ein ganz besonderes Politikum sind, was auch nicht gerade dadurch erleichtert wird, dass die politisch Verantwortlichen mittlerweile oft eine geradezu unbarmherzig sture Position einnehmen. Weshalb es sicherlich auch niemanden wundern wird, dass die Entsorgung der Forschungskügelchen auch 30 Jahre nach Schließung des AVR ein ungelöstes Problem ist.

Ein kleiner Fake-News Tsunami

Aber zurück zu Svenja Schulze. Unmittelbar nach dem Unglück in Fukushima löst Wissenschaftsministerin Schulze in NRW einen kleinen Fake-News-Tsunami aus, lange bevor das Wort überhaupt in der polit-medialen Welt Eingang gefunden hatte. Hier ein entsprechender Bericht aus der „Welt“.

Man beachte die Reizworte: „Verschwundener Atommüll“, ein „Atom-Experte“ der NRW-Grünen „empört“ sich über den „laxen“ Umgang. Auslöser dieser Empörungs- und Angstwelle war die Beantwortung einer kleinen Anfrage der Grünen durch das von Svenja Schulze geführte SPD-Wissenschaftsressort (in dessen Zuständigkeit das Forschungsgelände in Jülich fällt). Aber die verantwortliche Ministerin geht noch weiter. In dieser Stellungnahme fordert sie „lückenlosen Aufklärung“, spricht von der „Risikotechnologie Atomkraft“ und fordert, dass die AVR GmbH „schnellstmöglich Transparenz“ herstellen muss.

Markige Worte – wahrscheinlich fühlte sich die Zeit in Deutschland in den Tagen nach Fukushima einfach so an. Nur dummerweise stellte sich bald heraus, dass es keinerlei Grund für die Angst- und Panikmache und die schlimmen Unterstellungen in Richtung der Forschungsanlage gab. Die Kügelchen waren nämlich überhaupt nicht verschwunden, sondern dort, wo sie die ganze Zeit über waren, nicht zuletzt auch geschuldet der absoluten Unbeweglichkeit der politisch Verantwortlichen, nämlich auf dem Gelände von Jülich. Eine Beschreibung der Situation, als sich der politische Wind gedreht hatte – die oppositionelle CDU hatte hier offenbar sehr gute Arbeit geleistet – liefert dieser Bericht.

Die Vorwürfe des damaligen Fraktionschefs Karl-Josef Laumann wogen schwer und eine Rücktrittsforderung war damit mehr als gerechtfertigt. „Eine Ministerin, die betrügt und manipuliert, ist nicht mehr tragbar“, wird Laumann in dem Artikel zitiert. Svenja Schulze hat den Skandal überstanden, ganz offenbar auch, da Ministerpräsidentin Kraft ihr den Rücken gestärkt hat. Ein nachgeordneter Beamter übernimmt die Verantwortung für den zum „Informationschaos“ verniedlichten Fake-News-Skandal.

Svenja Schulze zieht nach dem SPD-NRW-Wahlsieg von 2012 wieder ins Kabinett Kraft II ein und scheidet erst durch den Sieg von Schwarz-Gelb 2017 aus der Landesregierung. Und damit sind wir im Heute: In Japan und vielen anderen führenden Industrienationen gibt es weiterhin die Kernenergie (und Kernforschung). Und als neue Bundesumweltministerin führt Svenja Schulze ab jetzt eins der drei Häuser auf Bundesebene, die sich um die weiterhin in Jülich lagernden Kügelchen kümmern müssen. Hoffen wir, dass es nicht wieder ein „Informationschaos“ rund um die „Risikotechnologie Atomkraft“ gibt. Glück auf.

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Modirama Kopelke / 14.03.2018

Jein, Die “Energiewende” wurde neben der ebenfalls unseligen “Agrarwende” vor dem Jahre 2000 von transatlantischen Think-Tanks erdacht. Deutschland wurde dann neben Dänemark Testland, also schon vor Fukushima. Nach Fukushima steigerte sich lediglich der Propellerwahn.

Thomas Weidner / 13.03.2018

Die Erdbeben- und Tsunami-Toten dem AKW-Unfall anzuhängen ist doch täglich Brot der Massenmedien. Z.B. haben die Redakteure von Antenne Bayern das schon mehrfach wiederholt getan…, mit eigenen Ohren gehört!!!

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